131: Ein unerwarteter Anruf

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Gerade hatte Steffen alle Einkäufe verstaut und überlegte, wie er den Nachmittag voll am besten verbringen könnte, bis Filip mit seinem Termin fertig war und er diesen abholen durfte. Er warf einen Blick auf die Backofenuhr. Um mit dem Kochen anzufangen, war es noch etwas zu früh, weswegen er sich erstmal etwas zu trinken einschenkte. Er lehnte sich gegen die Arbeitstheke und überlegte, ob er zu Lucie nach unten schauen sollte und fragen sollte, ob er ihr Matej vom Hals schaffen sollte, damit diese in Ruhe lernen könnte. Als er seinen Blick durch die Küche schweifen ließ, blieb dieser augenblicklich auf dem Umschlag von der Adoptionsstelle hängen. Augenblicklich begann sein Herz wie nervös gegen seinen Brustkorb zu schlagen.

Nervös begann Steffen in der Wohnung auf und abzutigern. Sollte er sie einfach anrufen? Für einen kurzen Moment fühlte er sich wie Aschenbrödel, als diese die Treppenpfosten abzählte, um auszuzählen, ob sie nach oben gehen sollte oder nicht. Nur, dass er überlegt, ob er seine leibliche Tochter einfach mal anrufen sollte oder nicht. Aber was sollte er großartiges sagen? "Ich bins dein Vater?", aller Darth Vader? Welche Filmcharaketere fielen ihm noch auf die Schnelle ein. "Spaß beiseite!", ermahnte er sich. Doch was brachte es, wenn er die Sache noch länger vor sich hinschieben würde. Würde er sich jemals dafür bereit fühlen? Er war stehengeblieben und nahm den Umschlag in die Hand. Seine Hand zitterte wie verrückt, als er den Zettel aus dem Umschlag zog. "Er könnte die Nummer wenigstens mal abspeichern", überlegte er.

Entschlossen tippte er die Nummer in sein Kontaktbuch ein. Doch dann scheiterte es daran, wie er sie am besten einspeichern sollte. "Victoria" - "Victoria Munoz Jensen" - "Meine Tochter". Ein frustrierter Schrei entfuhr Steffens Kehle. Wieso musste das alles auch so kompliziert sein? Letztendlich entschied er sich einfach für Victoria. Sein Herzschlag nahm noch einmal an Geschwindigkeit auf, als er den Speicher Botton drückte. Sein Herz hämmerte wie verrückt gegen seine Brust, während er auf den Anrufenhörer auf seinem Display starrte. "Jetzt oder nie?", schoss es ihm durch den Kopf. Sollte er es jetzt einfach schnell und schmerzlos durchziehen. Das Verlangen ihre Stimme hören zu können, war auf einmal so unfassbar groß. Ob sie der ihrer Mutter ähnlich sein würde? Sobald er nur an Katie denken musste, war da dieses starke Ziehen wieder in seiner Brust. Wie gerne hätte er sie Filip vorgestellt. Er war sich sicher, dass die beiden sich prima verstanden hätte. Ein Schmunzeln huschte über seine Lippen, als er sich wieder einmal vorstellt, wie ihr erstes Aufeinandertreffen wohl verlaufen würde. Katie würde Filip ähnlich wie Toby eine Ansage machen, dass er sich vorsehen sollte, mich zu verletzten, weil er sonst ein ernsthaftes Problem mit ihr bekommen würde. So war sie nun einmal gewesen. Eiskalt. Doch dann wieder so unfassbar liebenswert. Hinter ihrer äußerlich harten Schale steckte ein weicher Kern. "Du fehlst mir, Katie", sprach Steffen seine Gedanken laut aus. Ein tiefes Seufzen entfuhr seiner Kehle und er wischte sich die Tränen, von der Wange, die ungewollt über diese gekullert waren.

"Ich tue es für dich", fasste Steffen, nachdem er sich wieder etwas gefangen hatte, den Entschluss. Das war er Katie schuldig. Er wollte sich nicht länger vorwerfen, nichts unternommen zu haben. Sein Herz raste förmlich in seiner Brust, als er einmal tief durchatmete und dann auf den "Anrufen" Knopf drückte. Es klingelte und sein Herz schlug zwischen den zwei Klängen bestimmt, um das zehnfache. "Oh Gott! Was sollte er bloß sagen", schoss es ihn panisch durch den Kopf.

Victoria war gerade dabei den Vorlesungsstoff der heutigen Vorlesung zusammenzufassen, damit sie für die Gruppenarbeit mit Lucie, die sie am Wochenende in Angriff nehmen wollten, vorbereitet war. Im Hintergrund lief wie immer wenn sie lernt Musik über ihre Bluetooth-Box, weil es ihr so einfacher fiel sich konzentrieren zu können. Ihr Fuß tippte im Takt der Musik auf den Boden, während sie die Vorlesungsfolien abschrieb. Sie hätte fast einen Herzinfarkt bekommen, als das Lied auf einmal durch ihren Klingelton unterbrochen wurde. Sie griff nach ihrem Smartphone, welches umgedreht auf dem Schrank neben ihrem Schreibtisch lag und warf einen Blick auf dieses. Sie erwartete, dass es vermutlich ihre Eltern waren oder vielleicht Lucie, die eine Frage zur Vorlesung hatte. Doch ihre Display zeigte ihr an, dass soeben ein Anruf von einer unbekannten Nummer einging.

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