143: Ein Ort mit keinen schönen Erinnerungen

97 8 5
                                    

Steffen:

Der Druck vor dem heutigen Auswärtsspiel in Wetzlar könnte nicht höher sein. Die desaströse Niederlage in der letzten Spielzeit in der Buderus Arena war bei uns allen noch präsent. Wir wussten, dass wir uns einen derartigen Auftritt heute nicht nochmal erlauben durften. Wir hatten in der jetztigen Saison bereits genug Minuspunkte gesammelt, während der SC Magdeburg weiter verlustpunktfrei vorne wegspazierte. Wenn wir uns eine winzige Hoffnung auf die Meisterschaft noch aufrechterhalten wollen, durften wir heute hier keine Punkte lassen. Die Anspannung umgab uns förmlich alle. Für mich war der letzte Besuch hier mit keinerlei guten Erinnerungen verbunden. Die Bilder von meinem Gespräch mit Filip kurz nach dem Abpfiff und unserer demütigenden Niederlage drängten sich auf einmal wieder in meinen Kopf. Ein tiefer stechender Schmerz rammte sich in meine Brust. Ich versuchte die Bilder wieder aus meinem Kopf zu bringen.

Automatisch suchte mein Blick den von Filip, während ich etwas neben der Spur in die Harzdose griff und mich in der Wechselzone auf einen der Stühle fallen ließ. Filip tigerte nervös auf und ab. Auch er wusste, was heute auf dem Spiel stand. Das Selbstbewusstsein könnte nicht größer sein, denn die letzten Spiele über hatten wir uns wieder unseren Ansprüchen entsprechend präsentiert und alle Spiele gewinnen können. Trotzdem hatte man das Gefühl, dass wir alle Respekt vor dem heutigen Spiel hatten. In Wetzlar zu spielen war nie einfach. Es war eine relativ kleine Halle, weswegen der Druck von der Rängen deutlich zu spüren war.

Das Spiel wurde angepfiffen. Wir waren im Angriff. Ich saß mit Peke zusammen auf der Auswechselbank, bereit für den Angriff-Abwehr-Wechsel. "Auf geht's", schrie ich und klatschte nochmal motivierend in die Hände. Ich war einer der älteren Spieler, weswegen es meine Aufgabe war die jüngeren Spieler heute mitzunehmen. Gleich beim ersten Angriff verloren wir unglücklich bei einem misslungen Anspielversuch von Sander an den Kreis den Ball. Der Gegenangriff konnte nur durch ein nicht sauberes Foul von Sander verhindert werden, weswegen dieser nach nicht einmal einer Minute bereits die zwei Minuten Strafe sah. Fing ja wieder großartig an!

Ich konnte nun mit Harry wechseln und mich in die Abwehr stellen. Die HSG konnte die Überzahl nutzen und setzte den ersten Treffer im Spiel und ging mit 1:0 in Führung. Auch weil ich es nicht geschafft hatte meinen Gegenspieler verteidigen zu können. Mit viel Wut im Bauch wollte ich meinen Fehler wieder gut machen, weswegen ich entschied das Tempo mal mitzugehen und das Spiel schnell zu machen und nicht erst mit Harry zu wechseln. Ich bekam den Ball zu gespielt und ging sofort ins Eins gegen Eins, welches ich gewinnen konnte, weswegen ich es schaffte Piet am Kreis anzuspielen. Dieser verwandelte. Ausgleich!

Obwohl Niklas im Gegensatz zum Spiel in der letzten Saison gut ins Spiel kam und drei Paraden in Folge zeigte, stand es nach wie vor nur 2:3 für uns, weil wir zu viele technische Fehler im Angriff machten, beziehungsweise das verdammte Tor nicht trafen. Etwas Frust und Verzweiflung schien bei uns allen nun ins Gesicht geschrieben zu sein, weil es nicht so lief wie wir es uns gewünscht hätten. Die Abwehr stand gut. Dafür hackte es im Angriff. Nach neun Minuten nur 3 Tore war einfach zu wenig.

In der sechszehnten Minute ging dann die HSG zum wiederholten Mal mit 7:6 in Führung, auch weil nun Klimpke immer besser ins Spiel kam und eine Parade nach der anderen hatte. Frustriert ließ ich mich auf den Stuhl an der Auswechselbank fallen. Ich war kurz davor gewesen den Ball abzufangen. Ich hatte ihn bereits am Finger, hatte ihn bloß nicht zu greifen bekommen. Eine vertraute Hand legte sich an meine Wange und strich liebevoll über diese. "Den nächsten hast du", hörte ich Filips Stimme in meinem Ohr. Er kniete sich vor mir auf den Boden und gab mir einen Tipp wie ich es vielleicht versuchen könnte, den Durchbruch zwischen Nici und mir besser unterbinden zu können. Dabei ruhte seine Hand durchgängig auf meinem Oberschenkel, als schien er zu spüren, dass er mich etwas beruhigen musste und es half.

Everything I didn't sayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt