154: Zweifel

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Travis war froh, als er den Wagen auf dem Parkplatz gegenüber von der Ostseehalle abgestellt hatte und endlich aus dem Auto aussteigen konnte. Die Spannung war unerträglich gewesen. Er war es zwar gewohnt, dass zwischen ihm und seinen Eltern dicke Luft herrschte, aber dass die Stimmung zwischen seiner Schwester und seinen Eltern so angespannt war, war dann doch etwas außergewöhnliches. Doch er konnte die Wut seiner Schwester nachvollziehen. Sie hatten ihr versprochen, dass sie zu ihrem Spiel kommen würden, um sie anzufeuern. Doch bei ihrem Vater war anscheinend wieder ein wichtiger Termin dazwischengekommen. Dass er keine Wertschätzung von seinen Eltern bekam, war er bereits gewohnt, aber dass sie nun auch Vic so verletzten machten ihn so unfassbar wütend. Aus diesem Grund hatte er sich vor der Abfahrt richtig mit seinen Eltern in die Haare gekriegt, weil er ihnen einen Vortrag darüber gehalten hatte, was er davon hielt, Vic so enttäuscht zu haben. Er hoffte einfach, dass das Spiel sie wieder aufheitern würde. Aufgrund des Streites waren sie zu spät dran, um die Jungs noch vor der Halle erwischen zu können, weswegen sie gefolgt von ihren Eltern gleich den Eingang ansteuerten. Travis hoffte einfach, dass Niko die Nachricht von Lucie übermittelt bekommen hatte, dass sie etwas spät sein werden, weswegen er ihm das Handy erst nach dem Spiel wiedergeben konnte. Niko hatte bei ihrem unerwarteten morgendlichen Besuch und der Flucht durchs Fenster vor lauter Aufregung sein Handy bei ihm vergessen. Über sein Instagram Account über sein Ipad hatten sie ausgemacht, dass er es ihm heute vor dem Spiel wiedergeben würde. Blöd, dass er nun bis nach dem Spiel warten musste. Er hoffte einfach, dass Niko sich trotzdem auf das Spiel fokussieren konnte.

Sie waren gerade durch die Ticketkontrolle in der Halle, da wand sich Vic an ihren großen Bruder. "Ich geh Lucie suchen." Bevor Travis reagieren konnte war diese bereits im Umlauf in der Menschenmenge verschwunden. Travis überlegte gerade ob er ihr folgen sollte, denn er war auch noch nicht bereit dafür seinen Eltern in die Lounge zu folgen und dort auf den restlichen Teil von Mamas Familie zu treffen und diesen die glückliche Familie vorspielen zu dürfen, doch da hörte er bereits den strengen Ton seines Vaters, der seinen Namen rief. Also blieb ihm nichts anders übrig als seinen Eltern zu folgen. Gerade wünschte er sich, dass Carina hier wäre, dann hätte er eine Ausrede wieso er verschwinden könnte. Doch diese hatte netterweise seine Schicht übernommen, sodass er wenigsten nach dem Spiel etwas mit Niko reden konnte. Es waren gerade mal 34 Stunden vergangen seit Niko aus seinem Schlafzimmerfenster geklettert war und es fühlte sich bereits an, als hätte er ihn eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen. Er vermisste seine Nähe! Wie sollte er bloß die EM Pause überstehen. Er würde Niko fast einen Monat nicht sehen. Weiter darüber den Kopf zerbrechen konnte er sich jedoch nicht, denn sie waren an den VIP Lougen angekommen und die nächsten Minuten durfte er zahlreiche Hände schütteln und ein gespieltes Lächeln aufsetzen. Travis war froh, als er sich unauffällig davon stehlen konnte und nach draußen zu den Sitzplätzen in die Halle verschwinden konnte.

Auf dem Spielfeld machten sich bereits die ersten Spieler warm. Der heutige Gast. Der TVB Stuttgart. Sofort wurde sein Blick automatisch auf eine Person aufmerksam, die unten auf dem Spielfeld stand und gerade grinste, weil er es geschafft hatte den Ball an Peke, der gerade im Tor gestanden war, vorbeizudrehen. Sofort war die schlechte Laune wie weggeblasen und das verträumte Grinsen kehrte auf Travis Lippen zurück. Es machte ihn einfach glücklich, Niko so glücklich zu sehen. Er lehnte sich grinsend an das Geländer und beobachtete den Österreicher mit diesem verträumten Grinsen auf den Lippen für einige Zeit.

„Bilyk- dein Ernst... der hat doch nichts drauf", ließ eine ihm sehr bekannt vorkommende Stimme genervt die Augen verdrehend seinen Blick vom Spielfeld losreißen. William! Sein Cousin stand wie immer mit seinem überheblichen Grinsen neben ihm. Auf den hätte er echt verzichten können! Augenblicklich war da diese Wut in seinem Bauch. Er hatte doch keine Ahnung. Er kannte Niko kein bisschen und zog trotzdem so herablassend über ihn her. „Du hast doch keine Ahnung! Er kommt aus einer schweren Verletzung, dass braucht eben Zeit bis man wieder an sein altes Niveau anknüpfen kann", versuchte Travis Niko so sachlich wie möglich zu verteidigen. William lachte nur gehässig! „Meiner Meinung nach sollten sie ihn aussortieren. Sein Vertrag läuft nach dieser Spielzeit eh aus und er hilft der Mannschaft kein bisschen! Also an deiner Stelle hätte ich kein Geld für ein Trikot von ihm ausgegeben", zog er weiter herablassend über Niko her. Travis ganzer Magen zog sich krampfhaft zusammen. Wie sehr er dieses Arschloch doch hasste! Er hatte ihn noch nie leiden können. Er war einfach ein verwöhnter Vollidiot! Selbst seine Eltern konnten ihn nicht ausstehen. Er trug den netten Spitznamen der „Willi will", weil er alles von seinem Eltern bekam, was er wollte. „Als ob du dir Gedanken darüber machst wofür du dein Geld ausgibst", erwiderte Travis daraufhin schnippisch und schaute wieder nach unten aufs Spielfeld, wo sein Blick sofort wieder von Nikos Gestalt angezogen wurde. Dieser warf sich gerade mit Nici ein. Bildete er sich das gerade ein oder haben sich gerade ihre Blicke getroffen und er meinte ein Lächeln auf Nikos Lippen erkannt zu haben? Ja! Er phantasierte auf jeden Fall! Er war viel zu weit weg, dass er ihn sehen konnte. „Oder hast du des Trikot weil Niko dein Typ ist?", ließ ihn Williams Stimme augenblicklich wieder in die Realität zurückkehren und ließ die pure Panik in seinem Körper aufsteigen. Ahnte er etwas? War es so offensichtlich! Seine Wangen glühten förmlich und er hoffte einfach, dass sich seine Wangen nicht rot gefärbt haben, wodurch er sich verraten könnte. „Nein", sagte er sofort. „Niko ist alles andere als mein Typ. Auch wenn er echt ein netter Kerl ist", versuchte er so überzeugend wie möglich zu sein. „Du kennst ihn", katapultierte er sich in die nächste Zwickmühle. „Flüchtig! Er ist so etwas wie Stammgast bei uns im Restaurant", fiel ihm schnell eine rettende Antwort ein. Es war nicht einmal gelogen! „Ach stimmt ja! Hab ja total vergessen, dass du jetzt Tellerwäscher bist", da war es wieder. Seine widerliche Arroganz, die einen Würgreiz in ihm hervorruft. Wie gerne würde er sich über seinen mehrere tausend Euro teuren Anzug übergeben. Wie sehr er diesen Typen doch hasste! Er hatte absolut keine Lust mehr mit ihm zu reden, weswegen Travis seine Aussage einfach so hinnahm und weiter den Jungs beim Aufwärmen zuschaute und dabei bewusst nicht mehr Niko suchte.

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