197: auf letzter Rille

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"Und bitte hört auf mich alle wie ein rohes Ei zu behandeln... Es nervt... ok... 18 Jahre war es dir ja auch egal, ob ich mich verletze oder nicht... also bitte lass dieses Vater Gedöns einfach sein", die Worte von Victoria bohrten sich tief in das Innere von Steffens Herzen. Er wusste auch, dass er nicht in der Position war, Forderungen stellen zu dürfen. Er sollte froh sein, dass sie überhaupt dem Kontakt zu ihm zugestimmt hatte. Trotzdem verletzte ihn dieses ständige Hin und Her. Es gab Tage, an denen sie ihn Papa nannte und mit diesem Wort sein Herz erwärmen ließ. Doch dann gab es immer wieder diese Tage, an denen sie eiskalt und abweisend war und der Schmerz, dass er sie damals weggeben hatte, zum Ausdruck kam. Jedes Mal fühlte es sich an wie eine Ohrfeige. Steffen spürte, dass ihn das Ganze gerade doch etwas mehr mitgenommen hatte, weswegen er kurz einen Moment für sich alleine brauchte. Er legte seine Hand auf Filips Oberschenkel, der ihn die ganzen letzten zwei Minuten seit Vic diese Worte ausgesprochen hatte, permanent so mitfühlend angeschaut hatte. „Ich geh mir schnell was zu trinken holen", sagte Steffen. Blöderweise klang seine Stimme etwas wackliger als erhofft. Er stand auf und lief davon Richtung Kabine. Es zerbrach Filip förmlich das Herz, Steffen so niedergeschlagen zu sehen. Er entschuldigte sich bei Aneta und stand auf, um Steffen nachzulaufen.

In der Kabine angekommen, kämpfte Steffen mit den unterschiedlichsten Gefühlen. Wut, Verzweiflung und diesem stechenden Schmerz in seinem Herzen. Wenn es in seinem Leben eine Entscheidung gab, die er bereute. Dann war es, dass er sie damals zur Adoption freigegeben hatte. Er wünschte sich, er könnte die Zeit 18 Jahre zurückdrehen und sich damals für Victoria entscheiden und vermutlich eben gegen seine sportliche Karriere. Was waren all die Titel, die er in seiner Laufbahn gewonnen hatte, schon wert. Er nahm seine Trinkflasche und warf diese wütend gegen die Wand und hoffte einfach, dass diese kein Loch in ihrer Kabinenwand hinterließ. Er bückte sich gerade, um erneut die Flasche aufzuheben, als die Kabine aufging und Filip besorgt in das Innere der Kabine hineinblickte. Der Anblick von Steffen zerbrach Filip förmlich das Herz. Er lief wortlos auf den Franken zu und nahm diesen in seinen Arm und drückte ihm einen Kuss auf den Scheitel. „Du weißt, dass sie es nicht so meint", flüsterte er. „Ich werd einfach den Gedanken los, dass sie mir nie 100% verzeihen wird. Es war egoistisch das zu glauben. Ich hab sie 18 Jahre im Stich gelassen", sprach die pure Verzweiflung aus Steffens Innerem. „Du kannst deine Entscheidung nicht mehr rückgängig machen und das weiß sie auch. Sei froh, dass sie trotz allem eine schöne Kindheit hatte. Du kannst nicht mehr machen, als ihr zu versuchen zu zeigen, wie sehr du sie schon immer geliebt hast. Du kannst nur darauf warten, dass sie es irgendwann erkennt", beruhigend sprach Filip auf Steffen ein, während seine Hand über Steffens Rücken strich. Steffen atmete einmal tief durch und wischte sich schnell mit dem Handrücken die ein oder andere Träne, die aus seinen Augen gequollen war, weg. „Sorry", entschuldigte er sich bei Filip für seinen emotionalen Zusammenbruch. Filip schüttelte den Kopf und legte seine Hand an Steffens Wange, damit dieser ihm direkt in die Augen blicken, musste. „Du musst dich dafür nicht entschuldigen. Ich bin immer an deiner Seite, egal ob es dir gut oder schlecht geht. Mich wirst du nicht mehr los", flüsterte er und Steffen spürte förmlich wie sein gesamter Körper von dem Klang Filips Stimme elektrisiert wurde. „Womit hab ich dich eigentlich verdient?", fragte Steffen und ließ sich gegen Filips Brust fallen. Als Antwort bekam er einen Kuss auf die Stirn, bevor Filip fragte, ob sie wieder zurück wollten, weil die zweite Halbzeit bestimmt gleich beginnen würde. Steffen nickte. „Ich hoffe sie drehen das noch", seufzte er. „Nicht nur du", stimmte ihm Filip zu.

Der Start in die zweite Halbzeit lief durchaus ungünstig.Vorne im Angriff verlor Lucies Mannschaft zweimal sehr einfach den Ball, weswegen die SG BBM Bietigheim bereits nach nicht mal zwei Minuten in der Halbzeit wieder auf sechs Tore weggezogen war. Erneut machte sich die Unzufriedenheit zwischen den Mädchen breit. Yara zickte Lucie an, wieso bitte so ein riskantes Anspiel an den Kreis, bei so einem Spielstand machen musste. „Es hier geht nicht darum, dass du dein Können unter Beweis stellst. Wir müssen als Mannschaft fungieren", fauchte sie. „Wenn ich egoistisch wäre, hätte ich den Ball gleich ins Tor geworfen", giftete Lucie zurück und verdrehte genervt die Augen. Sie war fast froh, als Yara im Angriff vorne sich dumm verprellte. „Und das war jetzt besser", fauchte Lucie beim Zurücklaufen. Zum Glück hatten sie Jessi, die einen freien Wurf hielt und verhinderte, dass es schon wieder sieben Tore Rückstand waren. „Jetzt reißt euch alle zusammen", sprach die Torhüterin gereizt ein Machtwort, denn das Spiel heute machte ihr bisher kein bisschen Spaß.

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