135: Erstes Aufeinandertreffen

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~Oh, I said, "I am way too young"
I'm just a kid, I can′t raise one

It feels like my life is over
Feels like my future′s crushed~ Christopher - A beautiful life

Steffen war kurz davor gewesen zu bezahlen und dann zu gehen, als auf einmal die Eingangstür des Restaurants geöffnet wurde und ein Mädchen mit schulterlangen blonden lockigen Haaren hereinkam. Suchend schaute sie sich um. War sie das? Steffens Herz begann in seinem Brustkorb durchzudrehen. Die Blicke der beiden trafen sich. Ein nicht definierbares Gefühl machte sich in Steffens Körper breit.

Victoria atmete erleichtert auf, als sie Steffen noch im Restaurant sitzen sah. Sie hatte bereits Angst gehabt, dass dieser vielleicht wieder gegangen sein könnte, schließlich hatte sie sich ordentlich verspätet. Beschissener Stadtverkehr! Eilig steuerte sie den Tisch an. Ihr Herz klopfte wie verrückt gegen ihren Brustkorb. Nervös spielte sie mit ihren Fingern. "Hey! Sorry für die Verspätung! Ich hatte erst Training und dann war die ganze Stadt dicht", entschuldigte sie sich. Ihren Zwischenfall, dass sie etwas vergessen hatte, verschwieg sie lieber mal. Ihre Hand zitterte, als sie ihren Stuhl nach hinten schob, ihre Winterjacke auszog und über die Lehne hing und sich anschließend gegenüber von Steffen an den Tisch setzte.

Es fühlte sich irgendwie so vollkommen surreal an. Vor ihr saß ihr einzigstes großes Vorbild, welches in Wirklichkeit ihr leiblicher Vater war. Vor einigen Jahren hätte sie vermutlich Luftsprünge gemacht und die größte Fangirlattacke ihres Lebens gehabt, wenn sie gewusst hätte, dass sie irgendwann mal mit diesem zusammen an einem Restauranttisch sitzen würde.

Steffens Augen musterten seine Gegenüber neugierig. Als diese ihm direkt in die Augen blickte, traf ihn förmlich einen Schlag. Erst jetzt hatte er sie erkannt! Vor ihm saß Lucies ehemalige Erzfeindin und mittlerweile Freundin. Tausend Fragen begannen durch seinen Kopf zu fliegen. Warte! Wusste Lucie Bescheid? Für einen kurzen Moment hatte er Angst er könnte hier gerade verarscht werden. Doch er musste ihr nur in die Augen blicken, um zu wissen, dass sie ohne Zweifel seine Tochter sein musste. Sie sah ihm erschreckend ähnlich. Doch die Nase hatte sie eindeutig von Katie geerbt. Sie hatte durchaus auch einige Ähnlichkeiten mit ihrer Mutter. Das ihm das zuvor noch nie aufgefallen war. Es war ja nicht das erste Mal, dass er Victoria begegnet war. Wer weiß, wie oft sich ihre Wege bereits getroffen hatten?

Er wollte gerade etwas sagen, als der Kellner kam und Victoria fragte, was sie denn zu trinken wollte. "Ein Wasser mit Kohlensäure bitte", bestellte sie. Sie schlug die Karte auf. "Warst du schon mal hier? Kannst du irgendwas empfehlen?", fragte sie. Vielleicht war es auch der krampfhafte Versuch irgendwie ein Gespräch anzufangen. Der Start war auf jeden Fall schon mal sehr holprig verlaufen. Erst war sie zu spät gekommen, dann hatte Steffen bisher eigentlich noch kein Wort gesprochen, stattdessen sie nur von oben bis unten gemustert. Ob er sie erkannt hatte? Sie war sich fast sicher. "Ja, aber das ist schon etwas her. Wir haben den Gewinn des EHF Pokals vor ein paar Jahren mal hier gefeiert, aber da hatten sie eine etwas andere Karte, weil sie glaub immer saisonale Karten haben", schaffte es Steffen nun endlich auch mal, etwas zu sagen.

"Uhh es gibt ein vegetarisches Tagesangebot. Das nehme ich", freute sie sich, denn meistens war es für Vegetarier in klassisch deutschen Restaurants echt kompliziert etwas zu Essen zu finden, auch wenn die meisten Restaurants mittlerweile auch begannen ihre Karten umzustellen. Im gleichen Moment kam der Kellner und Victoria bestellte den Käse-Spinat-Kartoffelkratin, während Steffen das Schnitzel mit Pilzrahmsoße und Bratkartoffeln wählte. Sobald der Kellner verschwunden war, stellte Steffen zum ersten Mal eine Frage an seine leibliche Tochter. Er konnte es irgendwie immer noch nicht recht fassen, dass sie gerade direkt vor ihm saß. Das letzte Mal, als er sie gesehen hatte, war sie noch so winzig klein gewesen. Nun saß diese wunderschöne hübsche junge Dame vor ihm. "Bist du Vegetarierin?", erkundigte er sich. "Ja. Eigentlich schon immer. Es gibt so die Erzählungen, dass ich schon ein kleines Kind beim Metzgar, wenn man eigentlich immer ein Stück Wurst geschenkt bekommen hätte, dieses nie angenommen habe. Irgendwann hat mir mal die Verkäuferin stattdessen ein Stück Käse angeboten und des hab ich dann angenommen", erzählte sie. Ein Schmunzeln huschte über seine Lippen. "Und als mein großer Bruder mir einen nicht gerade appetitlichen Vortrag darüber gehalten hat, als ich nachgefragt habe, wieso eigentlich immer über Wurstläden irgendwelche Tiere abgebildet sind, war es dann vollkommen vorbei bei mir", berichtete sie weiter. Victoria war überrascht von sich selbst, dass es ihr gerade irgendwie gar nicht schwer fiel über ihre Kindheit zu sprechen und so viel von sich Preis zu geben.

Everything I didn't sayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt