113: Aus der Luft gepflückt

135 8 6
                                    

Filip:

Nervös fuhr ich mir durchs Haar, während ich nach meiner Halbzeitansprache zurück in die Halle lief. Ein Halbzeitstand von 15:12 stand oben am Hallendach auf dem Videowürfel, doch trotz des kleinen Vorsprungs war ich alles andere als entspannt und zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Spiels. Obwohl es eine Besserung im Vergleich zu den Spielen vor der Nationalmannschaftspause war, taten wir uns nach wie vor schwer im Positionsangriff und wenn wir mal uns gute Chancen erspielten, scheiterten wir zu häufig am Torhüter des Bergischen HCs. Mit der Chancenauswertung meiner Mannschaft war ich daher nicht zufrieden. Nervös tigerte ich zwischen meinen Spielern auf und ab, die sich etwas warmliefen für die zweite Halbzeit und überlegte ob ich mir nochmal den ein oder anderen Spieler zur Seite ziehen sollte und diesem nochmal individuell ein paar Tipps mit auf dem Weg zu gehen. Mein Herz schlug nervös gegen meinen Brustkorb und ich spürte, dass ich stark schwitzte, obwohl ich nicht auf dem Spielfeld stand. Ich hatte genug Handballspiele gesehen, um zu wissen, dass dies heute noch eine harte Nuss zu knacken war. Im Augenwinkel sah ich Steffen zurück in die Halle sprinten, der sich unter dem Laufen nochmal seine Hose zuschnürrte und soweit ich es beurteilen konnte, mal wieder der Letzte war. Ich konnte mir ein belustigtes Grinsen nicht verkneifen.

Er zwinkerte mir mit diesem wunderschönen Lächeln auf den Lippen zu, als er an mir vorbeilief. Blitzschnell fuhr mein Hand aus und ergriff sein Handgelenk. Auch wenn ich dieses starke Kribbeln spürte, welches sich über meinen Arm hinweg durch meinen ganzen Körper ausbreitete, als ich in seine wunderschönen blauen Augen blickte und er fragend die rechte Augenbraue nach oben zog, verdrängte ich die Gefühle, denn ich musste mich auf meine Aufgabe als Trainer konzentrieren und hatte ihn aufgehalten, weil ich nochmal etwas bezüglich der Abwehr ansprechen wollte. Ich wollte, dass er etwas weiter auf den Halblinken Rückraumspieler rausrücken sollte und dabei aber darauf aufpassen sollte, dass er den Passweg auf Außen besser zustellte. Wir hatten heute auf beiden Außenpositionen zu viele Tore kassiert. Er nickte. Ich klopfte ihm nochmal aufmunternd auf die Schulter, bevor ich mich umdrehte und mich nach Magnus umblickte, damit ich diesem die gleiche Anweisung wie Raffi geben konnte. Der Däne hatte sich wie immer in der Halbzeitpause einen Ball geschnappt und warf aufs Tor. Mit schnellen Schritten lief ich auf diesen zu und rief ihn zu mir. Er zuckte erschrocken zusammen und visierte mich wie in den letzten Tagen häufig mit diesem leicht ängstlichen Gesichtsausdruck. Ich schien, obwohl ich eingesehen hatte, dass meine Liste total Schwachsinn gewesen war, ordentlich Eindruck bei ihm hinterlassen zu haben. Aber das war auch gut so!

Ich erklärte ihm schnell auch mein Anliegen, dann ertönte das Signal, dass die Halbzeitpause vorbei war und wir sammelten uns alle nochmal im Kreis, um uns auf die zweite Halbzeit einzuschwören. Ich lief an den Seitenrand. Ich griff nach meiner Flasche und trank nochmal einen Schluck, während die zweite Hälfte angepfiffen wurde. Der Bergische HC war im Angriff und hatte die Chance auf zwei Tore zu verkürzen. Sie bauten geduldig ihren Spielzug auf, während ich am nervös am Spielfeldrand auf und abhüpfte, als würde ich selbst in der Abwehr stehen und alles geben das Tor verhindern zu wollen. Raffi setzte meinen Tipp sofort um und ging im richtigen Moment auf seinen direkten Gegenspieler raus. Dieser wollte den Ball noch nach Außen weiterleiten, doch Niclas roch den Braten und schaffte es den Ball rauszufangen.

Jubelnd riss ich die Arme nach oben, während meine Spieler mit Tempo Richtung gegnerisches Tor liefen. Steffen bekam den Ball und warf sich wie immer ohne Rücksicht auf Verluste in die gegnerische Abwehr, bekam dabei jedoch einen Stoß in der Luft mit. Schon immer hatte ich mich gefragt, wie er es schaffte komplett schräg in der Luft liegend noch solch starke Würfe herauszubringen. Obwohl er einen starken Kontakt mitbekommen hatte, versuchte er noch den Ball irgendwie ins Tor zu bringen und das Glück des Tüchtigen war auf seiner Seite und der Ball fand irgendwie seinen Weg hinter die Torlinie. Steffen war unterdessen unsanft auf dem Hallenboden aufgeschlagen und wie jedes Mal, wenn er sich so in die Abwehr warf, zuckte ich zusammen. Ich war wie versteinert stehen geblieben und wartete darauf, dass er wieder aufstand und ich wieder aufatmen konnte. Doch er blieb liegen. Ich kannte Steffen gut genug um zu wissen, dass wenn er liegen blieb etwas schlimmes geschehen war. Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken.

Everything I didn't sayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt