74: Von Zombies über Espanadas und Whirl-Stockbrot zu Vätern

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Lucie:

Es waren nun zwei Tage vergangen, seit Steffen positiv auf Corona getestet worden war. Das Championsleague Spiel gegen Zagrep hatte Papas Mannschaft überraschend deutlich mit 36:28 gewinnen können und ich glaube Papa sind im Nachhinein einige Steine der Erleichterung vom Herzen abgefallen und auch ich war einfach nur froh, dass der Vorfall auf Mihas Party nicht auch noch dem THW Kiel wichtige Punkte in der Championsleague Vorrunde gekostet hatte. Ich hatte nämlich bereits genug Schaden angerichtet. Trotzdem war da nach wie vor dieses beschissene Gefühl, welches ununterbrochen durch meinen Körper strömte. Teilweise hatte ich das Gefühl wie gelähmt zu sein. Manchmal hatte ich das Gefühl in Zeitlupe durch die Gegend zu laufen, weil alles sich einfach so anders anfühlte. Auch die heutigen Vorlesungen waren einfach an mir vorbeigezogen wie die Landschaft bei einer Zugfahrt, wenn man gedankenverloren aus dem Fenster blickte.

Immer wieder spielte sich der Abend in Mihas Wohnung in meinem Kopf ab und gemischte Gefühle durchfuhren meinen Körper. Einerseits war da dieses Verlangen dieses Gefühl nochmal spüren zu können, wie der Geschmack seiner Lippen jede noch so winzige Zelle meines Körpers elektrisierte. Ein so intensives Gefühl hatte ich noch nie zuvor in meinem Leben wahrgenommen. Es war so komplett anders, wie ich es mir immer vorgestellt hatte, wie es wohl sein würde, geküsst gewesen. Es war einfach noch tausendmal besser gewesen, als ich es mir erträumt hatte. Die Mischung aus Bier und Pizza auf meinen Lippen und dieses Kribbeln in meinem Körper, als hätte ich eine Kiste Sprudel auf einmal getrunken und die Kohlensäure würde meinen Körper durchströmen. Noch nie zuvor hatte ich mich in einem Moment so wohl in der Nähe einer Person gefühlt, wie in dem Augenblick, als Magnus mich geküsst hatte. Doch dann war dieses unangenehme Ziehen in meiner Brust, gefolgt von der Stimme in meinem Kopf, die mir versuchte einzureden, dass Magnus nicht gut für mich sei. Die von mir verlangte den Dänen so schnell wie möglich wieder zu vergessen.

Ich war wohl zum wiederholten Mal an diesem Tag, dermaßen in Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, dass Victoria, die neben mir auf dem Beifahrersitz saß, etwas erzählt hatte. Erst als ich einen Schlag gegen meine Schulter spürte und dabei beinahe vor Schreck, dass Lenkrad rumgerissen hatte, schien ich wieder in der Realität angekommen zu sein. "Sag mal spinnst du?", fuhr ich sie noch immer unter Schock stehend an. "Ich wollte nur verhindern, dass ich jeden Moment mit einem Zombie zusammen in einem Auto sitze", verteidigte sie sich und hatte die wohl passendenste Formulierung parat, wie ich die letzten zwei Tage durchs Leben gelaufen war. "Dann solltest du vielleicht mich nicht beim Auto fahren so erschrecken, dass wir gleich beide im Reich der Toten als komische Gestalten umherwandeln", merkte ich, jedoch zum ersten Mal seit langem wieder kurz schmunzelnd den Kopf schüttelnd, an. Ich wollte sie gerade fragen, was sie eigentlich gerade gesagt hatte, da unterbrach sie mich, in dem sie die weitere Route vorgab und mich daraufhin wies, dass wir da vorne links abbiegen mussten. Wir hatten uns erneut direkt nach Universität verabredet, um unser Projekt zusammen fertigzumachen, weswegen wir gerade auf dem Weg zu ihr nach Hause waren. Ich würde sogar heute bei ihr übernachten, weil wir morgen früh bereits früh losmussten, zu unserem Auswärtsspiel in Schwerin. Da ich ihr versprochen hatte, sie genauso wie Jessi und Yara mit dem Auto mitzunehmen, wäre es ein Umweg gewesen, wenn ich morgen früh nochmal hier raus nach Stein hätte fahren müssen, weswegen wir es für die schlauste Idee gehalten hatten, dass ich gleich einfach die Nacht bei ihr bleiben würde. Ich wusste gar nicht wann ich das letzte Mal bei jemand anderen übernachtet hatte. Eine gewisse Nervösität hatte sich deswegen bemerkbar gemacht, während ich in den Ortsteil Stein abbog. Obwohl man nur wenige Kilometer von Kiel entfernt war, hatte man das Gefühl hier draußen nicht in der Nähe einer Landeshauptstadt zu sein, sondern irgendwo mitten auf dem Land. "Da vorne das große alte Backsteingebäude ist es", riss mich Victorias Stimme aus den Gedanken, die mich daraufhin wies, dass wir gleich am Ziel waren. Ich parkte den Wagen einfach vor der Garage und stoppte den Wagen, bevor ich das große Backsteingebäude neugierig musterte. Irgendwie hatte ich mir das Haus ihrer Großeltern irgendwie anders vorgestellt. Schließlich hatte sie erwähnt, dass ihre Großeltern ähnlich wie ihre Eltern nicht gerade wenig Geld verdienten. Vermutlich hatte ich einfach mit einer angeberischen Villa gerechnet, die nur nach Reichtum schrie. Doch das Haus wirkte einfach nur einlandend.

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