146: Ein Tag zum Vergessen

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"Ich denke es reicht für heute - Gute Arbeit, Jungs", hallte Filips Stimme durch die Trainingshalle und erklärte das heutige Training für beendet. "Wir sehen uns morgen wieder um 10 Uhr", fügte er noch hinzu, dass sie sich morgen wieder zu gewohnter Zeit treffen würden. Sofort begann Filips Blick Steffen in der Menge zu suchen. Dieser klatschte sich gerade mit seinen Teamkollegen ab und wischte sich mit seinem Schweißband die Schweißperlen von der Stirn. Augenblicklich war es da. Dieses Ziehen in seiner Brust. Das schlechte Gewissen. Er hasste es, dass er Steffen vorhin so angehen musste. Doch sobald die Bilder wieder in seinem Kopf auftauchte, war da auch wieder diese Wut in seinem Bauch. Wieso hatte Steffen nicht einmal pünktlich kommen können? Vor allem nachdem, was gestern Abend in Wetzlar geschehen war. Etwas mehr Professionalität hatte er von Steffen erwartet, weswegen er seine Zurechtweisung auf der anderen Seite dann doch als angemessen sah. Er musste Steffen nun mal wie jeden anderen Spieler behandeln. Filip war jedoch froh, dass Steffen ihm kein weiteres Mal gezwungen hatte, ihn zurecht weißen zu müssen. Er hatte heute eine ausgesprochen gute Leistung gezeigt.

Steffen spürte sofort, dass zwei eisblaue Augen ihn ausfindig gemacht hatten. Sein Herz sendete ihm eindeutige Zeichen. Augenblicklich war sie wieder da. Die Wut, die er vorhin einfach nach unten geschluckt hatte. Er hatte ihm nicht mal die Gelegenheit gegeben, die Sache zu erklären. Steffen hatte jedoch keine Lust, die Sache nun zu klären, weswegen er sich beeilte aus der Halle zu verschwinden. Doch Filip schien sein Vorhaben zu durchschauen. Er schien ihn einfach zu gut zu kennen. Er war bereits im Gang, als Filips Hand sein Handgelenk zu greifen bekam und dafür sorgte, dass Steffen sich zu diesem umdrehen musste. Bewusst mied Steffen seinen Blick, denn er wusste, dass er ihm nicht mehr böse sein konnte, sobald er in diese eisblauen Augen blickte. Aus diesem Grund schaute er schweigend auf den Boden. Er sollte merken, dass er sauer auf ihn war.

"Was ist los?", Filip versuchte eine ruhige Stimme wie möglich zu wählen. "Das wüsstest du, wenn du mich vorhin hättest ausreden lassen", gab Steffen leicht zickig zurück. "Steffen du weißt genau, dass ich dich wie jeden anderen aus der Mannschaft behandeln muss", spielte er natürlich sofort wieder die Trainerkarte, was Steffen noch wütender werden ließ. "Es geht hier um deine Familie", fuhr er Steffen wütend funkelnd an. "Ich will meine Familienprobleme vielleicht nicht vor der gesamten Mannschaft klären. Ich versuche Privates und Berufliches so gut es geht zu trennen und das würde ich mir von dir auch mal wünschen", nun wurde auch Filip etwas lauter.

"Und dann schreist du hier im Gang laut rum ... totale Privatsphäre", fügte Steffen ironisch schnippisch hinzu. "Wieso bist du jetzt so wütend? Ich bin nun mal auch dein Trainer", machte Filip noch einmal deutlich, dass es sein gutes Recht war, ihn zurechtzuweisen.  "Vielleicht solltest du auch mal deinen Job als Vater machen, dann wüsstet du, was deine Kinder belastet", entfuhr es Steffen, ohne sich zuvor Gedanken darüber gemacht zu haben, dass Filip diese Worte zu tiefst verletzten könnten.

Es fühlte sich an wie ein Faustschlag ins Gesicht die Worte aus Steffens Mund zu hören. Ein unerträglicher stechender Schmerz breitete sich in Filips Brust aus, als hätte jemand in diese ein spitzes Messer gerammt. Er schluckte schwer. Das sah Steffen also in ihm? Einen schlechten Vater? Dem sein Job wichtiger war als seine Kinder? Der seine Kinder vernachlässigte? Und das warf er ihm vor, nachdem er so viel für ihn geopfert hatte.

Steffen wurde sich erst bewusst, als er diese Worte ausgesprochen hatte, wie sehr er Filip dadurch verletzt hatte. Er wünschte sich in diesem Moment nichts lieber, als dass er die Zeit ein paar Sekunden zurückdrehen könnte und verhindern könnte, dass er diese Worte laut aussprach. Er hatte einen Moment nicht nachgedacht und schon hatte er den Menschen verletzt, den er doch über alles liebte. Das schlechte Gewissen fraß sich förmlich in Steffens Brust. "Filip...", vorsichtig versuchte er den Schaden eventuell durch eine Entschuldigung so gering wie möglich zu halten. Wieso mussten sie sich immer wieder aufs Neue verletzen, obwohl sie sich doch über alles liebten?

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