136: Ein Mann voller Überraschungen

102 9 3
                                    

Lucie:

Die ganze Woche hatte ich mich auf Freitag Abend gefreut, weil Magnus und ich seit langem endlich mal wieder einen Termin gefunden hatten, um zusammen etwas unternehmen zu können. Eigentlich hatte ich geplant nach dem Training direkt zu ihm zu fahren. Doch eine Nachricht von meiner Mutter, kurz vor dem Training hatte alle meine Pläne wie eine Seifenblase zerplatzen lassen.

"Hey Süße. Ich muss heute Abend leider länger arbeiten. Würdest du deinen Bruder vom Training abholen und dann auf ihn heute Abend aufpassen?"

Statt Zeit mit meinem Freund stand nun der nervige kleine Bruder auf dem Programm. Aus diesem Grund ließ ich mir gerade extra viel Zeit nach dem Training, um mich umzuziehen. Muss Matej halt etwas auf mich warten. Es war mir gerade sowas von egal. Ich wusste, dass er nichts dafür konnte. Doch in mir schlummerte gerade eine unfassbare Wut. Ich hatte eigentlich gedacht, dass der Fürherschein und die Volljährigkeit der Schlüssel zu mehr Freiheit wären. Stattdessen hatte ich das Gefühl noch mehr der Depp vom Dienst zu sein.

Mittlerweile war ich mir auch sicher, dass das länger arbeiten gelogen war. Ich war mir sicher, dass meine Mutter einen anderen Mann traf. Die letzten Tage war sie mit einer ganz anderen Ausstrahlung wieder durch die Wohnung gelaufen. Auch wenn ich es meiner Mutter natürlich gönnen würde wieder mit einem anderen Mann glücklich zu werden, hatte ich auch einen Freund, den ich gerne mal wieder treffen würde. Es war das dritte Mal die Woche, dass ich abends auf Matej aufpassen musste. Er war doch auch kein kleines Baby mehr. Er würde sich ja wohl selbst das Essen von gestern warm machen können und sich dann ein paar Stunden mal selbst beschäftigen können.

"Wieso fragst du nicht deinen Vater oder Steffen?", hörte ich Victoria sagen, die sich neben mich auf die Bank gesetzt hatte und sich gerade ihren Hoodie über den Kopf streifte. "Würde ich ja. Aber Steffen hat mich heute netterweise vorgewarnt nicht nach oben zu gehen also kannst du dir vorstellen, was die da heute Abend treiben werden", erklärte ich ihr, dass ich die Aufgabe leider nicht an die beiden abgeben konnte. "Urgh. Danke jetzt habe ich wieder Katzenbabys", kam es angewidert von ihr. "Die hast nicht nur du", beruhigte ich sie, dass nicht nur sie diese Bilder wieder im Kopf hatte.

"Ich würde dir deinen Bruder ja gerne abnehmen, aber ich bin gerade so froh heute Abend mal wieder sturmfrei zu haben und nicht mit zwei knutschenden Personen auf dem Sofa rechnen zu müssen und freue mich auf einen entspannten Serienmarathon ohne Knutschgeräusche oder lautes Stöhnen", schilderte Victoria mir, wie die beiden Turteltäubchen Niko und Travis ihr das Leben in den letzten Tagen schwer gemacht hatten.

Ich packte meine Sachen voll zusammen und zusammen verließen wir die Kabine, um uns auf den nach Hauseweg zu machen. "Ich hab so keine Lust morgen diesen kack Fall fertig zu machen", stöhnte Victoria bei dem Gedanken daran, welch schöne Aufgabe uns morgen erwarten würde. "Naja vielleicht habe ich heute Abend noch Zeit und setze mich noch etwas hin, dass wir morgen nicht mehr allzu viel zu tun haben", überlegte ich, wie ich meinen Freitag Abend nun verbringen könnte. Am Parkplatz angekommen umarmte sie mich nochmal mitleidig, bevor sie zu ihrem Auto ging und ich in Steffens Wagen einstieg und mich auf den Weg machte, um Matej vom Training abzuholen.

Die ganze Rückfahrt über quasselte er mich voll, wie viele Tore er heute geschossen hätte und wie oft er Ole ausgedribbelt hätte. Ich liebte meinen Bruder wirklich. Doch manchmal ging er mir echt auf die Nerven! Und gerade war dies der Fall. Als nächstes Mal fragte er, was es zu essen geben würde. Wann Mama nach Hause kommen würde. "Ich weiß nicht wann Mama kommt. Und es gibt Kartoffelcurry von gestern", sagte ich, weil ich ehrlich gesagt keine Lust hatte noch etwas zu kochen. Ich wollte mich aufs Sofa verkriechen und im Selbstmitleid versinken. "Bääh. Ich will aber Pizza", quengelte er. "Man kann nicht jeden Tag Pizza essen", merkte ich genervt die Augen rollend an. "Wir hatten ewig keine Pizza mehr", merkte er an, was sogar stimmte. "Das Leben ist kein Wunschkonzert", sagte ich streng und stellte den Motor ab, weil wir soeben zuhause angekommen waren.

Everything I didn't sayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt