179: nicht bei der Sache

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Niko:

Während sich Magnus, Sander, Patrick, Dule, Harry und Nici auf das Spielfeld begaben, nahm ich auf der Auswechselbank Platz. Ich hatte mir meinen Mannschaftspulli übergestreift, denn ich ging davon aus vorerst nicht eingesetzt zu werden. In unserer Wechselzone saßen Peke und Raffi. Wir hatten Anwurf. Eigentlich sollte ich froh sein wieder hier unten auf der Bank mit meinen Mannschaftskollegen sitzen zu können, doch stattdessen wünschte ich mir lieber wieder verletzt hinter der Bank Platz zu nehmen. Es machte nämlich keinen Unterschied. Ich war komplett nutzlos wie auch in der letzten Saison. Ich konnte meiner Mannschaft nicht helfen. Im Gegenteil. Ich war eher ein Ballast. Mit meinen dicken Augenringe, die die schlaflosen Nächte seit Wochen kennzeichneten. Einem gebrochenen Herzen. Ständiger gedanklicher Abwesenheit und unterirdische spielerische Leistungen.

Der Jubel meiner Mannschaftskollegen ließ mich zurück in die Gegenwart kehren. Nach nicht einmal 30 Sekunden Spielzeit war bereits der erste Treffer für uns durch Harry gefallen. Ich klatsche etwas teilnahmslos in die Hände.
„Konzentriere dich!", ermahnte ich mich und fokussierte mich nun wieder auf das Spielgeschehen. Den Gegentreffer kassierte wir kurz darauf. Harrys zweiter Abschluss landete jedoch nur am Pfosten, weil auch die Hand eines Gegenspielers am Ball war, was jedoch nicht von den Schiedsrichtern gepfiffen wurde. So ging Lemgo kurz darauf mit 2:1 in Führung. Doch Raffi lief die zweite Welle sofort mit nach vorne um die Unordnung der Lemgoer Abwehr auszunutzen und holte Sander zu einer perfekten Wurfposition! Ausgleich! Diesmal sprang ich auch die Faust ballend auf.

Kuriose Szene, während unserer nächsten Angriffsphase. Niklas hält den Ball von Carlsbogard, der Abpraller landet bei Steffen, doch er spielt im Fallen den Ball Carlsbogard wieder in die Arme. Anschließend hält Niklas erneut. Ein gutes Zeichen, dass er bereits früh im Spiel erste Duftmarken setzt. Wir brauchen ihn heute in Topform. Erneut schnappte sich Steffen den Ball und leitet den Gegenangriff ein. Er setzte sich gut im Eins gegen Eins durch, aber die Schiedsrichter pfiffen zu früh Freiwurf. Verständnislos die Arme zuckend stand Raffi also wieder auf und lief zurück zur Bank. Wir schafften es durch einen Treffer von Piet wieder in Führung zu gehen.

Die ersten zehn Minuten waren sehr ausgeglichen. Dann geschah das unerwartete. Dule fing sich eine Zeitstrafe ein. Filip gab mir das Zeichen mich auszuziehen. Ich hätte erwartet, dass er Miha den Vortritt lassen würde. Doch dann wurde ich an seiner Stelle eingewechselt bei einem Spielstand von 4:4. Mein Herz schlug wie verrückt gegen meinen Brustkorb als ich das Spielfeld betrat. Alle Stimmen in meinem Kopf sagten, dass ich jetzt funktionieren musste. Ja kein blöder Fehler oder so. Filip gab mir sein Vertrauen und ich durfte ihn auf keinen Fall enttäuschen. Das Wissen, dass eine Person ebenfalls auf den Rängen saß und meine Leistung mitbekommen würde, sorgte nicht dazu, dass ich mich entspannte. Im Gegenteil. Ich wurde nur noch noch nervöser. All diese Erwartungen lasteten auf meinen Schultern, als ich das Spielfeld betrat und von Sander den Ball zugespielt bekam. Das klebrige Gefühl des Harzes ließ augenblicklich das Adrenalin durch meinen Körper jagen. Ich liebte diese Gefühl so sehr. Wir spielten zwar mit Tempo, aber ohne Kreuzungen. Trotzdem ergab sich für mich eine Wurfoption aus dem Rückraum, über das Zentrum. Blöderweise traf ich jedoch bloß die Latte. Glücklicherweise vergab auch der Lemgo Kreisläufer ein komplett offenen Wurf, nachdem ich so gut wie keine Reaktion in der Abwehr gezeigt hatte. Im nächsten Angriff machte Sander es besser als ich und tankte sich geschickt im Eins gegen Eins durch und versenkte den Ball im Tor. Die Einwechselung von Niklas funktionierte jedoch nicht rechtzeitig. Der Ball landete im leeren Tor. Unterbrechung durch das Schiedsgericht. Tor zählt nicht, dafür zwei Minuten Strafe für Niklas, weil er zu früh aufs Spielfeld gelaufen war. Für wenige Sekunde doppelte Unterzahl.

Ich lief erstmal in die Wechselzone und wartete auf Anweisungen von Filip. Dieser zählte gerade durch und schickte dann Raffi zu den anderen aufs Feld in die Abwehr. Dario muss ins Tor. Ich dachte mein Einsatz wäre nun vorbei doch Filip zeigte an, dass ich in der Wechselzone bleiben sollte. Da Harry, Sander und ich draußen standen, konnten wir zusammen den nächsten Spielzug besprechen.

Wie gewünscht ergab sich für mich die Gelegenheit eines Eins gegen Eins Versuchs zwischen Halb und Mittelblock. Doch ich schaffte es nicht mich rechtzeitig durchzusetzen, bevor die beiden Abwehrspieler mich festmachten. Wieso schaffte ich es nicht mehr wie die Butter durch die Abwehr zu gleiten? Wieso war ich immer diesen einen Schritt zu nah auf der Abwehr beziehungsweise zu langsam? Nach ganzen vier Minuten Spielzeit, einem Fehlwurf, keinen Tor, aber immerhin keinen größeren gravierenden Fehler holte mich Filip wieder vom Spielfeld. Er wechselte Dule wieder für mich ein. Raffi klopfte mit zwar aufmunternd auf die Schulter, aber wirklich verbessern tat dies meine Laune auch nicht.

Von den nächsten Spielminuten bekam ich nur so viel mit, dass es bei uns nicht wirklich so lief, wie wir es uns erhofft hatten. Zu viele freie verworfene Chancen. Vier Minuten vor Ende der ersten Halbzeit schaffte es der TBV Lemgo auf ganze drei Tore mit 9:12 wegzuziehen. Filip schien genug gesehen zu haben und legte die Auszeit. Ich nahm ein Handtuch und Dules Flasche und lief aufs Spielfeld, wo sich meine Teamkollegen um unseren Trainer versammelten. Ich reichte Dule das Trinken und das Handtuch und hörte aufmerksam zu was uns unsere Trainer zu sagen hatte.

"Ich möchte, dass wir die Nervosität abschütteln. Das ist ganz normal. Die Pässe an Kreis, die müssen ankommen. Das ist unsere Chance. Wir müssen die Chancen reinmachen, nur dann können wir Tore werfen. So ich möchte jetzt, dass wir nochmal spielen Stoßen Mitte löst, wenn das nicht klappt möchte ich, dass wir einmal für dich Miha spielen DDR ganz normal an sechs. Du gehst an und Raffi kommt. Männer! Es ist wichtig, dass wir Mut haben und mit Drang Richtung Tor gehen. Alles gut", gab Filip eine Mischung aus Mutzusprache und taktischen Anweisungen.

Unser erster Spielzug sorgte erneut für kein Durchkommen bei der Abwehr. Dules Notwurf, landete zum Glück bei Eki und wir konnten den Spielzug weiterführen. Dieses Mal wie angesagt DDR. Miha zog an, leitete den Pass an Raffi weiter, der den eingelaufenen Magnus am Kreis entdeckte, der den Ball im Tor unterbringen konnte. Ein technischer Fehler seitens Lemgo ließ uns den Ball schnell in der Abwehr gewinnen. Eki, der bereits nach vorne gelaufen war, bekam den Ball. Tor! Jubelnd sprang die gesamte Bank auf. Nicht einmal neunzig Sekunden nach der Auszeit waren wir bereits wieder auf ein Tor dran.

"Weiter kämpfen", rief ich und klatschte motivierenden in die Hände. So langsam schien mein Kopf auch endlich im Spiel angekommen zu sein. Endlich schaffte ich es die ganzen anderen Gedanken auszublenden. Es folgte erstmal die Auszeit von Frank Kehrmann. Anschließend war es Niklas, der uns mal wieder den Arsch rettete, indem er den komplett freien Wurf vom eingelaufenen Elission hielt.

Im nächsten Angriff hätten wir über die Rückraum Rechte Position eine extrem gute Lücke gehabt durch die Raffi hätte ziehen können, doch diesem versprang irgendwie unglücklich der Ball. Dieser landete in den Händen eines Gegenspielers. Filips Reaktion. Dieser sprang erstmal förmlich vor Wut im Kreis und riss sich fast das B-Trainer Kärtchen von seinem Schlüsselbund. Glücklicherweise machte es Lemgo im Gegenstoß nicht besser. Der Schütze setzte den Ball zu stark auf, sodass dieser an die Latte krachte. Der Abpraller landete direkt vor Dule. Gegenstoß. Eine sehr hektische Phase kurz vor der Halbzeit. Dule nahm kurz das Tempo raus, weil es wichtig war, dass wir den Ausgleich noch vor der Halbzeit erzielen.

Dieses Mal lief unser Spielzug flüssig. Durch Kreuzung schafften Dule und Raffi eine Lücke auf den auf die Halb Rechte Position rübergerückten Miha zu schaffen, der sich stark zur Hand durchsetzte und letztendlich den Ausgleichstreffer erzielt. Ich ballte jubelnd die Faust. "Dicht machen", rief Rune, der neben mir auf den Bank saß. Noch 15 Sekunden auf der Uhr. Wir schafften es einen Torschluss von Lemgo zu verhindern, weil Magnus den Kreisläufer im richtigen Moment festmachte.

Die Sirene erklang. Halbzeit. Unendschieden. Bei einem 12:12 auf der Anzeigetafel folgte ich meinen Teamkollegen und unseren Trainern in die Kabine. Als ich am Fanblock des THW Kiels vorbeilief, suchte mein Blick automatisch wieder die Kurve nach Travis ab. Wie von Zauberhand entdeckte ich ihn wieder. Vermutlich auch, weil er gerade zusammen mit Carina Richtung Umlauf verschwand. Sofort war er wieder da. Dieser stechende Schmerz. Ich schluckte ihn einfach hinunter. Mein Verstand ermahnte mein Herz, dass es aufhören sollte durchzudrehen. "Du musst dich konzentrieren. Es ist immerhin ein Halbfinale", sagte eine innerliche Stimme. Ich atmete einmal tief durch, bevor ich dann in den Katakomben verschwand.

Moin Leute. Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen🙃. Der Sommer scheint für zwei Tage wieder zurückzukehren. Dann kann ich endlich mal wieder ins Freibad gehen, wobei das Wasser vermutlich arschkalt sein wird😂😂. Find es ja richtig cool, dass die Testspiele von Kiel am Wochenende übertragen werden. Endlich wieder Handball🙃. So ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende🙃.

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