94: Aufbauen

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"Steffen ich hab hier jemanden für dich aufgegabelt", ließ die Stimme von Filip, Steffen verwirrt das Ipad auf den Couchtisch ablegen, bevor er vom Sofa aufstand und in den Flur lief, um nachzuschauen, wovon Filip sprach. Niko zögerte unterdessen noch immer, ob er Filip wirklich ins Wohnungsinnere folgen sollte. Doch er konnte schlecht länger hier zwischen Tür und Angel stehen bleiben, weswegen er sich doch überwinden konnte und die gemeinsame Wohnung der beiden betrat. Filip hatte gerade die Tür hinter ihm geschlossen, sodass es wohl keinen Fluchtweg mehr gab, als Steffen in den Flur kam und erstmal wie versteinert stehen blieb, als er seinen Mannschaftskollegen im Hausflur stehen sah. Auch Steffen fiel sofort auf, dass irgendwas bei Niko gewaltig nicht stimmte. Er hatte rote geschwollene Augen, als hätte er vor kurzen erst geweint und war zudem kreidebleich. Er spielte nervös mit seinen Fingern und schaute gedankenverloren auf seine Füße. "Du siehst scheiße aus. Solltest du nicht in Österreich sein?", begrüßte Steffen seinen Freund mit einer Bemerkung, die Niko normalerweise nicht so einfach auf sich sitzen ließ und hoffte so etwas die angespannte Situation etwas auflockern zu können. Doch dieses Mal reagierte Niko kein bisschen auf seine Bemerkung. Er zuckte lediglich mit den Schultern. Steffen und Filip warfen sich kurz einen ratlosen Blick zu. "Wo hast du ihn denn aufgegabelt?", flüsterte Steffen Filip im vorbeigehen zu. Niko stand immer noch wie versteinert im Hausflur und hatte bisher kein einziges Wort gesagt. Langsam begann sich Steffen richtig Sorgen zu machen. Niko schien komplett neben der Spur zu sein. Was war bitte vorgefallen, dass Niko aussah, als hätte er einen Geist gesehen? "Im Treppenhaus. Ich dachte er braucht dich jetzt", beantwortete Filip die Frage und klopfte Steffen aufmunternd auf die Schulter, bevor er sich aus dem Staub machen wollte, um in der Küche zu verschwinden, um dem Österreicher mal etwas zu trinken zu holen, bevor dieser noch umkippte.

Erst jetzt traute sich Niko aufzuschauen. Vor ihm stand Steffen, der ihn besorgt musterte. Dieser trug einen weißen Adidas Hoddie, der ihm viel zu groß war, weswegen Niko vermutete, dass dieser eigentlich Filip gehörte. Augenblicklich drängten sich die Bilder von Travis in seinem T-Shirt in seinen Kopf. Würde er jemals wieder ein Oberteil von ihm tragen? Wieso hatte ihm das so sehr gefallen, ihn in seinem T-Shirt zu sehen? Sofort stieg die Panik wieder hoch. Wieso dachte er überhaupt über solche Dinge nach? "Niko?", holte ihn die vertraute Stimme von Steffen wieder zurück in die Gegenwart. Er spürte die Hand des Frankens, die sich auf seine Schulter gelegt hatte. Auf einmal schien sich Niko aus seiner anfänglichen Schockstarre wieder befreit zu haben und tigerte nun im Hausflur auf und ab und spielte nervös mit seinen Fingern. Sollte er Steffen von dem Kuss erzählen? Was hatte er sich eigentlich von seinem Versuch hier erhofft? Dass Steffen ihm Antworten auf seine tausend Fragen, die nach wie vor durch seinen Kopf rauschten, geben könnte? Doch es war ihm irgendwie unangenehm zu wissen, dass sein Trainer in der Nähe war und es vermutlich hören würde, wenn er damit nun rausrücken würde. Es kostete ihn doch bereits Überwindung mit Steffen darüber zu reden. Er wollte auf keinen Fall, dass Filip davon erfuhr. Auch wenn dieser seine aktuelle Verwirrtheit genauso gut wie Steffen nachvollziehen könnte. Doch es war ihm einfach unangenehm. Immerhin war er nach wie vor sein Trainer. Nein! Das konnte er einfach nicht.

Filip war unterdessen mit einm Glas Wasser in der Hand in den Flur zurückgekehrt, in welchem Niko nun wie ein Tiger im Käfig auf und ablief, während er von Steffen besorgt bei jedem Schritt beobachtet wurde. Erneut trafen sich die Blicke von Filip und Steffen. Filip spürte Steffens Ratlosigkeit. Filip wusste, dass es vermutlich an seiner Anwesenheit lag, weswegen Niko bisher kein Wort gesagt hatte, weswegen er dem Österreicher erstmal das Glas Wasser reichte. Dieser nickte ihm dankbar zu, bevor er einen großen Schluck aus diesem nahm. "Ich lass euch beide mal alleine", schlug Filip vor, bevor er mit einem aufmunternden Zwinkern in Nikos Richtung, an Steffen vorbei aus der Wohnung verschwand. Steffen schickte ihm beim Vorbeigehen noch einen dankbaren Luftkuss zu. Als die Tür hinter Filip ins Schloss gefallen war, bekam Niko ein schlechtes Gewissen. "Ich wollte ihn nicht aus seiner eigenen Wohnung verscheuchen", entfuhr es Niko erschrocken, doch Steffen machte sofort eine abwinkende Bewegung. "Was ist los Niko?", fragte Steffen erneut und hoffte, dass Niko nun endlich reden würde.

Everything I didn't sayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt