175: Getrennt

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Es herrschten turbulente Zeiten beim Rekordmeister der deutschen Handballbundesliga. Das Corona-Virus hatte ein weiteres Mal seine Finger im Spiel und erschwerte die bereits anstrengende Saison nochmal zusätzlich. Direkt nach der ebenfalls durch das Coronavirus geprägten Europameisterschaft in Serbien und Ungarn mussten die Zebras auswärts bei den Rhein-Neckar Löwen im Viertelfinale des DHB Pokals bestehen. In diesem Spiel mussten sie auf ihren Torhüter Niklas Landin und Harald Reinkind verzichten, die beide auf Corona positiv getestet wurde. In einem spannenden Spiel konnte der THW Kiel sich letztendlich mit einem 24:26 und kann nun im April beim letzten Final4 in Hamburg um den Titel mitkämpfen. Die Auswärtsfahrt nach Stuttgart war von Licht und Schatten geprägt. Zwar waren Niklas und Harry wieder in den Kader zurückgekehrt, doch das Virus hatte am Morgen des Spieltages bereits das nächste Opfer im Visier. Dieses Mal hatte es den Cheftrainer erwischt. Unter der Leitung von Sprengi schafften die Zebra trotz der ganzen Aufregung vor Spielbeginn einen souveränen Auswärtserfolg mit 29:42. Bereits zwei Tage später mussten die Zebras erneut auswärts ran. Diesmal beim Bergischen HC. Dabei verlängerte sich die Ausfallliste. Neben Filip Jicha hatte es nun auch Dario und Peke erwischt. Am Ende reichte es mit etwas Glück für die Zebras zu einem 24:26 Ausswärtserfolg. Doch nun hatte das Virus der Mannschaft erneut einen Streich gespielt. Nach Filip hatte es nun auch Sprengi erwischt, weswegen sich die Spieler des THW Kiels nun ohne ihr Trainer Duo auf den Weg nach Norwegen befanden. Vertreten wurden sie dabei durch den THW-Jugendchef Klaus-Dieter Petersen.

Gedankenverloren starrte Steffen aus dem Fenster des Buses, der sich soeben vom Flughafen in Oslo wegbewegte. Eine weitere zweistündige Busfahrt stand auf dem Reiseprogramm der Zebras, bevor sie am späten Nachmittag Lillehammer erreichen würden. Es fühlte sich irgendwie seltsam an ohne Filip im Mannschaftsbus zu sitzen. Genau eine Woche war es her, dass Steffen das letzte Mal neben Filip aufgewacht war. Eine Woche war es her, dass er Filip das letzte Mal nicht über einen Display gesehen hatte. Abgesehen von Steffen hatte es die komplette Familie Jicha inklusive Victoria und Mads, dem neuen Freund von Aneta erwischt. Steffen hatte vorübergehend wieder seine alte Wohnung bei Toby bezogen. Mit jedem Tag wurde der Schmerz in seiner Brust stärker. Er konnte kaum in Worte fassen wie sehr ihm Filip fehlte. Seinem Freund Rune war dies natürlich auch nicht entgangen. Mitfühlend legte er seine Hand auf die Schulter des Frankens, der wie immer neben ihm in der letzten Reihe des Buses saß. "Alles gut?", fragte er. Steffen wischte sich kurz eine Träne von der Wange, bevor er seinen Blick vom Fenster losriss und sich zu seinem Kumpel umdrehte. Er nickte. "Es ist nur so komisch ohne ihn im Bus zu sitzen", gestand er. Rune nickte zustimmend. "Die letzte Wochen waren echt verrückt. Erst die EM, die so komplett eskaliert ist und jetzt das hier beim THW. Ich hoffe das hat bald ein Ende und wir können uns endlich mal wieder nur auf den Handballsport konzentrieren. Außerdem ist meine Nase komplett wund von diesen blöden Tests", stimmte ihm Rune zu. "Wie geht es ihm eigentlich?", erkundigte sich Rune, denn er wusste, dass es Filip die ersten Tage schon ordentlich erwischt hatte.

"Mittlerweile geht es ihm wieder gut. Gestern Abend als wir telefoniert haben hat er mir eine Stunde lang nochmal eine taktische Einweisung aufs Ohr gebrummt, derweil wollte ich nur seine Stimme hören. Also ich glaub das wird für Victoria und Lucie heut kein angenehmer Handballabend. Wenn ich ehrlich bin ich froh, dass ich nicht zuhause gefesselt bin. Ich hab die Mädels aber darum gebeten heimlich Videos zu machen, wie Filip vor dem Fernseher durchdreht. Dann haben wir wenigstens Unterhaltung auf der Heimreise", berichtete Steffen. "Und wie ist es wieder beim Genie zu wohnen?", fragte Rune ihn weiter aus. "Frag nicht. Ich wundere mich echt, wie ich das all die Jahre mit ihm unter einem Dach ausgehalten habe. Gerade verwandelt er die Wohnung in eine riesen Murmelbahn", erzählte Steffen und verdrehte genervt die Augen. "Dann wird es Zeit, dass Filip wieder gesund wird", meinte Rune zwinkernd. "Oh ja, bitte. Eine weitere Woche halte ich das nicht aus", jammerte er.

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