73: Versalzenes Essen

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Erschöpft stellte Victoria ihr Fahrrad in der Garage ihrer Großeltern an, wobei ihr Blick auf die Werkbank fiel, auf welcher ihr Großvater so gerne gebastelt hatte. Mittlerweile hatte sich eine dicke Staubschicht auf dieser niedergelassen und erinnerte sie daran, wie lange diese schon nicht mehr benutzt worden war. Ein tiefes Seufzen entfuhr ihrer Kehle, bevor sie den Schmerz einfach hinunterschluckte und beeilte die Garage so schnell wie möglich wieder zu verlassen, denn sie wollte auf keinen Fall irgendeiner Spinne über den Weg laufen. Aus diesem Grund hatte sie Garagen schon immer gehasst. Überall lauerten diese widerlichen Tierchen. Ein langer Unitag und eine anstrengende Trainingseinheit lag hinter der 17-Jährigen und auch wenn es nur noch wenige Meter bis zum Haus waren, hatte sie das Gefühl, dass sie an keinem ihrer Körperteile keinen Schmerz spürte. Gefühlt jeder Muskel in ihrem Körper brannte. Doch ihr Großvater hatte immer gesagt, nur wenn du es am nächsten Morgen auch spürst, weißt du, dass du im Training alles gegeben hast. Die 17-Jährige hatte auf jeden Fall wieder den ein oder anderen blauen Fleck sich bei einer der vielen Zweikämpfe, die sie heute wieder geführt hatte, zugezogen. Manchmal fragte sie sich, ob es überhaupt noch irgendeine Stelle an ihrem Körper gab, wo sie sich noch keine Schramme oder blauen Fleck zugezogen hatte. Handball war jedoch eben ein Körperkontaktintensiver Sport und wenn du nicht etwas Schmerz ertragen kannst, warst du auf dem Handballfeld einfach Fehl am Platz. Trotzdem war sie total zuversichtlich, dass sie ähnlich gut wie heute im Training auch am Samstag beim Spiel performen könnten.

Sie öffnete die Haustür und sie hatte sich kurz gefragt, ob sie wirklich zuhause war oder nicht ausversehen in irgendeinem Restaurant gelandet war, denn es duftete so lecker nach Essen, wie in einem Restaurant. Auch wenn sie etwas verwundert war, dass Travis bereits zuhause war, lief ihr bereits das Wasser im Mund zusammen und sie konnte es kaum erwarten sich mit einen von Travis leckeren Gerichten den Bauch vollstopfen zu können. Die Trainingseinheit hatte ihrem Körper nämlich einiges von ihrem Energievorrat gekostet, der dringend wieder aufgefüllt werden musste. Sie streifte sich schnell ihre Straßenkleidung vom Körper und war gerade auf dem Weg in die Küche, um nachzuschauen, was Travis so leckeres gezaubert hatte, als ihr ein Pfannenwender entgegengeflogen kam. Gerade noch so konnte sie dem herbeifliegenden Gegenstand ausweichen. "Wieso bin ich dafür zu blöd? Das sieht einfach nicht richtig aus", fluchte der Halbspanier und starrte frustriert auf seinen gefühlt hundertsten Versuch einen Kaiserschmarrn hinzubekommen. "Wenn du mich loswerden willst, dann kannst du es einfach sagen?", ließ Travis die leicht belustigte Stimme von seiner Schwester erschrocken zusammenzucken und erst jetzt bemerkt er, dass er beinahe seine kleine Schwester getroffen hatte.

Doch Travis war kein bisschen zum Lachen zumute. Im Gegenteil war er kurz davor durchzudrehen. Es konnte doch nicht so schwer sein, so einen blöden Kaiserschmarrn hinzubekommen. Bereits den ganzen Nachmittag stand er bereits unter Strom, nachdem er heute erfahren hatte, dass er in zwei Wochen für drei Monate seine Ausbildung in einem anderen Restaurant weiterführen sollte, weil es vorgeschrieben war, auch mal in einen anderen Betrieb reinzuschauen. Glücklichweise musste er nicht umziehen, sondern war im Wirtshaus in Kiel untergekommen. Doch als er sich die Speisekarte des Restaurants angeschaut hatte, hatte ihn die pure Panik erfasst, denn er hatte die meisten Gerichte davon noch nie gekocht. Was zur Hölle ein Kaiserschmarrn war, hatte erst einmal googeln müssen.

Seit Stunden stand er nun in der Küche und versuchte ein Gericht nach dem anderen mit Hilfe von Rezepten aus dem Internet, wenigstens einmal schonmal zu kochen, wobei seine bisherigen Versuche in einer reinen Katastrophe geendet waren. Das Ergebnis. Die Küche sah aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen. Er hatte keine Töpfe oder Pfannen mehr übrig die nicht mit irgendeinem misslungen Gericht beschmutzt waren. Er war kein bisschen beruhigt. Im Gegenteil hatte er noch mehr Panik als zuvor. Er hatte Niko gefühlt mit tausend Sprachnachrichten vollgespamt, bei denen er fast vor dem Nervenzusammenbruch gewesen war. Zum Glück hatte Niko diese noch nicht angehört. Sollte er sie vielleicht doch lieber löschen, bevor dieser endgültig der Meinung war, dass er in die Irrenanstalt gehörte?

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