Everything I didn't say

62: Verleugnen

Niko:

Ich hatte mich bereits im Bus auf meinen Stammplatz gesetzt, als Filip und Steffen über den Parkplatz hinweg Richtung Bus gesprintet kamen. Ich hörte Steffen mehrfach sagen: "Wir sind noch pünktlich." Victor nahm das ganze erstaunlicherweise relativ gelassen und schüttelte nur belustigt den Kopf, während Steffen gefolgt von Filip, der im Gegensatz zu seinem Freund nicht gerade so begeistert über ihre späte Ankunft zu sein schien, den Bus betraten. "Langsam hast du echt einen schlechten Einfluss auf Filip", kommentierte Rune das Ganze, als sich sein Kumpel zu ihm in die letzte Reihe im Bus fallen ließ. "Ich bin dafür, dass Steffen dafür mal seinen Platz in der letzten Reihe aufgeben sollte", brummte Niklas, der seit langem scharf auf einen Platz in der letzten Reihe war. "Nein, der bleibt hier bei mir", stellte Rune sofort klar, dass Raffi bei ihm bleiben sollte und zog einen etwas verwirrt guckenden Raffi liebevoll in seine Arme. "Vorsichtig Rune. Nicht dass Filip noch eifersüchtig wird", kam es belustigt von Nici, der nur kurz von seinem Handy aufschaute. Ein Räuspern von Filip ließ schlagartig alle Gespräche verstummen.

"Entschuldigt bitte meine späte Ankunft. Wir werden jetzt losfahren Richtung Aue. Unterwegs werden wir irgendwo anhalten und noch eine kleine Vesperpause einlegen. Wir werden vermutlich relativ spät heute Abend erst dort ankommen. Da das Spiel aber ja erst abends ist, dürft ihr morgen bis 10 schlafen, bevor wir in Ruhe frühstücken, dann ein kleines Taktikstudium einlegen, nach dem Mittagessen noch entspannt eine Runde spazieren gehen und dann gegen 16:30 Richtung Halle aufbrechen werden. Ich wünsche allen eine angenehme Fahrt", gab Filip einen kurzen Überblick wie der restliche heutige Tag und der morgige Tag so grob verlaufen würde. Anschließend setzte er sich zu Sprengi und Victor in den Vierer und packte sein Ipad auf, um vermutlich noch einige taktische Dinge für die Besprechung morgen vorzubereiten. Die Bustüren schlossen sich und der Bus setzte sich in Bewegung. Im Bus wurden die Gespräche wieder lauter. Da Magnus, der neben mir im Bus saß, bereits seine Kopfhörer raussuchte und ebenfalls wie ich nicht auf Gespräche aus zu sein schien, zückte ich ebenfalls mein Handy. Wie immer wenn man eigentlich gerade gerne irgendwelche Nachrichten auf seinem Handy hätte, blinkte keine Nachrichtsanzeige auf meinem Display auf. Sofort spürte ich wieder dieses komische seltsame enttäuschende Ziehen in meiner Brust, als mir bewusst wurde, dass sich Travis seit unserem Auflug ins Autokino und seinem unerwartetem Nervenzusammenbruch, der von mir verursacht worden war, sich immer noch nicht bei mir gemeldet hatte.

Es waren gerade einmal zwei Tage vergangen und trotzdem machte es mich fast wahnsinnig nichts mehr von ihm gehört zu haben. Augenblicklich begann ich mir wieder Gedanken zu machen. Was wenn er nichts mehr mit mir zu tun haben wollte, weil ich die schlimmen Wunden seiner Vergangenheit aufgerissen hatte? Ich verspürte wie mein gesamter Magen sich zusammenzog, als ich an Montagabend zurückdachte. Was wenn er nichts mehr von mir wissen wollte, weil ich das Leben führte, was er sich erträumt hatte? Ich dürfte ihm nicht einmal böse sein, wenn es so wäre. Doch allein die Vorstellung schmerzte. Sofort spielten sich die Bilder wieder in meinem Kopf ab. Ich sah diesen puren Schmerz in seinen Augen aufblitzen, als ich ihn auf seinen verstorbenen Freund angesprochen hatte. Ich hörte seine zitternde Stimme, als er mir unter einem reinen Kampf die ganze Geschichte anvertraut hatte, als wir bei mir zuhause angekommen waren. Dann fasste ich automatisch in meine Hosentasche und zog den kleinen Zettel heraus, den ich morgens auf dem Wohnzimmertisch vorgefunden hatte. "Danke für alles- T." Er hatte eine verdammt schöne Handschrift. Niko! Ungewollt schlug mein Kopf gegen die Busfensterscheibe ein, als ich versuchte diese Gedanken endlich wieder loszuwerden. Dabei schreckte Magnus, der bereits nach nicht einmal 10 Minuten Fahrt an dieser eingeschlafen war, hoch. Dule, der im Vierer neben an saß, begann einfach lautloszulachen und ich musste auch zugeben, dass der Blick des jungen Dänens auch einfach gigantisch war. Unter normalen Umständen hätte ich vermutlich auch ihn ausgelacht, doch mir war gerade einfach nicht zu lachen zumute.