Everything I didn't say

120: Klare Worte

Der Wecker klingelte wieder viel zu früh und das, obwohl Vic aufgrunddessen dass sie vorerst online Vorlesung hatte, bis kurz vor acht schlafen konnte. Sie war auch dankbar deswegen und es kam ihr gerade auch echt gelegen, dass sie Lucie nur im Training sehen musste. Die Wut darüber, dass sie sich so in ihr getäuscht hatte, wütete immer noch in ihrem Bauch herum. Augenblicklich tauchten die Bilder von der Auseinandersetzung am gestrigen Abend nach dem Training wieder in ihrem Kopf auf. Victoria spürte dieses unwohle Gefühl in ihrem Magen. Das blaue Auge war keine Absicht gewesen, auch wenn Lucie es wohl anders interpretierte. Sie fühlte sich als würde sie zwischen zwei Felsen stehen, die immer weiter auseinanderglitten und sie müsste sich für eine Seite entscheiden. Auf der einen Seite waren da diese viel wunderschönen Erinnerungen, die sie in den letzten Wochen mit ihr zusammen gesammelt hatte. Das Gefühl so etwas wie zum ersten Mal wie eine richtige Freundin gefunden zu haben. Umso größer war der Schmerz, dass sie sich anscheinend schon wieder in einer Person geirrt hatte. Motivationslos schälte sie sich unter der Bettdecke hervor. Wenn Victoria sich noch einen Kaffee machen wollte, bevor sie sich in das Zoom Meeting einwählen musste, musste sie jetzt nach unten gehen. Müde gähnend öffnete die mittlerweile 18-Jährige ihre Zimmertür. Die Tür von Travis Zimmer stand bereits offen, weswegen sie vermutete, dass er bereits wach war. Sie lief die Treppe nach unten in die Küche. Sie hatte gerade eine Tasse aus dem Schrank geholt und wollte sich einen Kaffee machen, da stellte sie verwundert fest, dass das Kaffeepulver nicht dort stand, wo es immer stand. Erst jetzt fiel ihr der Zettel an der Kaffeemaschine auf. "Zu viel Kaffee ist nicht gesund", stand auf diesem und sie erkannte sofort, dass es von Travis geschrieben worden war. Haha! Sehr witzig. Genervt verdrehte sie die Augen. Sein Ernst. Am liebsten würde sie ihren großen Bruder gerade schlagen, aber er schien aus gutem Grund bereits früh aus dem Haus gegangen zu sein. Frustriert ließ sie die Tasse auf der Arbeitsfläche stehen. Sie hatte jetzt echt wenig Lust die Küche abzusuchern, um zu schauen, wo Travis den Kaffee versteckt hatte. Das würde er noch büßen. Er konnte sich bereits darauf einstellen heute eine schlecht gelaunte Schwester zu haben. Victoria brauchte morgens einfach einen Kaffee. Wie sollte sie es bitte sonst schaffen, bei der Vorlesung nicht wieder einzuschlafen? Sie überlegte kurz, ob sie zum Bäcker fahren sollte, um sich dort einen Kaffee zu holen, doch es waren nur noch 10 Minuten bis die Vorlesung begann. Ich hasse dich", knurrte sie und zerknüllte den Zettel wütend und warf ihn einfach durch die Küche. Sie wollte gerade das Tee Regal absuchen, ob sie wenigensts noch einen Schwarztee da hatten, den sie sich machen könnte, weil das zur Not auch ging, als es auf einmal an der Tür klingelte. Genervt stapfte sie Richtung Haustür. Wieso musste die Post auch so verdammt früh schon kommen? Victoria öffnete die Wohnungtür mit einem leicht genervten: "Wir kaufen nichts", weil ihr Opa auch immer mit diesem Spruch die Tür geöffnet hatte, nichts ahnend, dass sie im selben Moment es bereuen würde, die Wohnungtür geöffnet zu haben.

Sie hätte vermutlich mit jeder anderen Person vor ihrer Haustür gerechnet, als dass niemand anderes als Filip Jicha vor dieser stehen würde. Mit offenem Mund starrte sie dem Trainer des THW Kiels entgegen. Das konnte doch nicht die Realität sein. Sie war sich sicher, dass sie das hier gerade träumen musste. Vielleicht hoffte sie es auch innerlich. Schließlich stand sie in einem rosafarbenem Schlafanzug, auf dessen Oberteil der Schneemann Olaf von Frozen aufgedruckt war, vor dem ehemaligen Welthandballer. Oh Gott! Sie wurde sich gerade bewusst, dass sie nicht einmal einen BH trug. Sie spürte wie ihre Wangen rot anzulaufen begannen, während sie einfach hoffte, dass das Oberteil nicht allzu durchsichtig war. Sie hoffte einfach, dass sie nun aufwachen würde und erleichtert feststellen würde, dass sie das alles nur geträumt hatte. Was sollte Filip auch vor ihrer Haustür wollen?

Unterdessen fragte sich der Trainer des Rekordmeisters, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war hier aufzutauchen. Doch einfach wieder weglaufen konnte er nun wohl auch nicht. Vor einer halben Stunde, als er aufgewacht war, hatte er noch genug Worte im Kopf gehabt, die er ihr um die Ohren hauen wollte, doch als er ihr jetzt gegenüberstand, hatte es ihm augenblicklich die Sprache verschlagen. Er konnte jedoch nicht anders als das Mädchen, das vor ihm stand, und anscheinend ein Teil von Steffens Genen in sich trug, nicht neugierig von oben bis unten unter die Lupe zu nehmen. Es war fast erschreckend, dass er bei ihrem Gesichtsausdruck für einen kurzen Moment meinte, dem morgenmuffeligen Steffen gegenüberstehen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie ohne Zweifel dieselbe Augenfarbe hatte wie Steffen. Und auch ihr sonst glatten blonden Schulter langen Haare hatten sich über Nacht gelockt. In diesem Moment waren jegliche Zweifel, dass seine Tochter gestern Abend nicht die Wahrheit gesagt haben könnte, wie weggeblasen. In diesem Moment war sich der Tscheche sicher, dass er gerade der leiblichen Tochter seines Freundes gegenüberstand. Wenn man sie genauer musterte, konnte man die versteckten Ähnlichkeiten zu Steffen deutlich erkennen. Das Herz des Tschechen begann nervös gegen seinen Brustkorb zu schlagen, während er spürte, dass seiner Gegenüber jede Sekunde, die sie länger in ihrem Schlafanzug vor ihm stand, die Sache noch unangenehmer wurde. Nach wie vor starrte sie ihn mit weit aufgerissenen Augen an, als hätte sie ein Gespenst gesehen.