Lucie:
Den ganzen Weg zurück auf die Tribüne, wo die Angehörigen der Spieler saßen, zerbrach ich mir einen Kopf darüber, wie es möglich war, dass ausgerechnet sie hier war. Ich hatte eigentlich gehofft sie nie wieder zu sehen. Anfangs hatte ich mir eingeredet, dass ich mich vermutlich getäuscht hatte. Doch mittlerweile war ich mir sicher, dass sie es war. "Alles gut?", fragte mich meine Mutter, als ich mich neben sie wieder auf meinen Platz fallen ließ. Soeben hatten sich Papa und seine Spieler nochmal in einem Kreis versammelt, um sich für die zweite Halbzeit einzustimmen. "Alles gut", sagte ich knapp. Auch wenn es mir schwer fiel, diese Gedanken zu verdrängen, wollte ich mir auf keinen Fall das heutige Spiel verderben lassen. Die Jungs spielten bisher echt gut. Nur die unnötigen Zeitstrafen sollten sie sich sparen, denn immer dann war Flensburg wieder rangekommen. Ein Pfiff ertönte und die Zuschauer erhoben sich wieder und auch ich stand auf und begann im Rhythmus der Trommeln die Klatschpappe in meine Hand zu klatschen und "THW" zu rufen.
Die zweite Hälfte begann gleich mit einer spektakulären Parade von Niklas. Trotzdem galt der erste Treffer der zweiten Halbzeit der SG. Bereits vier Minuten nach dem Wechsel spannte sich mein Körper nervös an, als sich die Jungs erneut eine Zeitstrafe einfingen. Diesmal war der Schuldige Dule. Nervös umklammerte ich den Arm meiner Mutter, die mir schmunzelnd einen Kuss auf den Scheitel gab. "Die Jungs machen das schon", meinte sie optimistisch. Dieses Mal gingen wir zum ersten Mal unentschieden aus der Zeitstrafe heraus. Erst jetzt konnte ich mich kurz wieder entspannen. Doch wie immer beim Handball ging alles so schnell. Man durfte keine Minute abgelenkt sein, denn sonst konnte man eine wichtige Aktion verpassen.
Niklas wurde immer stärker. Er zeichnete sich mit einer Parade nach der anderen aus. Teilweise nahm er 100% Chancen weg. Auch vorne begann es wieder zu laufen und die Jungs legten erneut einen Zwischenspurt hin und konnte sich in der 40.Minute durch einen erneuten Treffer von Rune auszeichnen. Filip ließ Magnus konsequent auf der Halbposition decken, was dieser ja auch für Dänemark bereits öfters gemacht hatte. Und abgesehen von seiner Zeitstrafe in der ersten Hälfte machte er das echt gut. Das war einer der Dinge, die Papa speziell im Trainingslager trainiert hatte. Schmunzelnd erinnerte ich mich jedoch daran, wie abgelenkt Magnus immer gewesen war, wenn er gegen mich verteidigen musste. Er hatte sich nie getraut mich anzufassen. Ich erinnerte mich an Papas hochroten Kopf und wie er Magnus zusammengeschrien hatte, dass er mich nicht wie ein Stück Zucker behandeln sollte.
Papa begann nun neue Akteure zu bringen. Schließlich stand eine lange Saison bevor und er musste die Belastung auf allen Schultern verteilen. Es waren nun Miha und Niko auf dem Spielfeld. Ich wünschte es dem Österreicher sehr, dass er ein paar Erfolgserlebnis sammeln könnte, auf welchen er aufbauen könnte Man spürte deutlich, dass ihm die Spielerfahrung noch fehlte. Aber es war nicht verwunderlich, nachdem er ein Jahr verletzungsbedingt rausgewesen war. Man spürte aber diesen puren Willen in seinem Blick. Dieser Wille trieb ihn auch dazu, in der 45 aus der Distanz zum 26:17 einzunetzen. Fassungslos rieb ich mir die Augen, während ich jubelnd das Tor feierte, wie die gesamte Bank.
Es dauerte nicht lange da folgte das nächste Highlight. Ballgewinn hinten in der Abwehr nach einem misslungenen Kreisanspielversuch von Jim. Bammbamm der sich den Ball ergatterte und diesen schnell Peke zuspielte, bevor er lossprintete Richtung gegnerisches Tor. Peke spielte ihn einen langen Pass über das Spielfeld hinweg zu. Bammbamm zog an Mensah vorbei über die Halb Linke Position und drehte den Ball an Möller vorbei ins Tor. "Ich hätte niemals gedacht, dass Piet ein Dreher kann", rief ich total aus dem Häuschen. Die Jungs spielten sich immer mehr in einen Rausch.
Obwohl die Jungs sich eigentlich einen guten Vorsprung herausgespielt hatten, schlug ich kurz darauf wütend mit der Pappe auf das Geländer vor mir ein, nachdem Steffen ein technischen Fehler gemacht hatte und die SG den Ball hatte. Ich glaubte noch immer daran, dass sie das Spiel noch drehen könnten. Schließlich war es die SG. Die es gefühlt immer schaffte Spiele am Ende knapp mit einem Tor für sich entscheiden zu können. Vielleicht wollte ich mich nicht zu früh freuen. Nachdem sich Steffen erneut eine zwei Minuten Zeitstrafe einfing, nahm Papa die nächste Auszeit. Ich ging davon aus, dass er verhindern wollte, dass die Jungs die SG nochmal näherkommen ließ. Es waren immerhin noch gute neun Minuten. Zwar stand es 28:21, aber das Spiel war noch nicht vorbei. Doch alle Bedenken waren unbegründet. Die Jungs blieben konzentriert. Warten geduldig bis sich eine Wurfchance ergab. Auch in der Abwehr halfen sie sich nach wie vor gegenseitig und waren bereit jeden zusätzlich Schritt zu gehen, damit ein eventueller Gegentreffer verhindert werden konnte. Den letzten Treffer des Spiels setzte Sven. Am Ende gewann der THW Kiel das Nordderby souverän mit einem 33:23, was sich niemand zuvor erträumt hätte. Ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal ein so gutes Spiel von den Jungs gesehen hatte. Überglücklich lag ich in den Armen von Mama und Matej.
Die Wunderino Arena stand. "Oh wie ist es schön", wurde gesungen, während sich die Jungs mit den Spielern der SG fair abklatschten. Ich sah Yara und Jessi bereits nach unten Richtung Spielfeldrand zu laufen, wo die Jungs vorbeimussten, wenn sie in die Kabine gingen. Ich gab Mama ein Zeichen, bevor ich mich ebenfalls auf den Weg nach unten machte. Fassungslos schaute ich auf den Videowürfel. Einfach zehn Tore. Kreischend fielen Yara, Jessi und ich uns in die Arme. "Die Jungs sind soooo geil", schrie Yara. Soeben liefen die Jungs ihre Ehrenrunde übers Spielfeld und bedankten sich bei den Fans für ihre unfassbare Unterstützung. Zum ersten Mal seit langem hatte es sich wieder so angefühlt wie in Zeiten vor der Pandemie. Wie sehr hatte ich diese Stimmung vermisst. Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper. Als erstes lief Papa an uns vorbei. Als er mich sah blieb er stehen und umarmte mich und gab mir einen breitgrinsenden Kuss auf die Wange. "Unfassbar geiles Spiel", brachte ich nur über die Lippen. "Ich liebe meine Jungs", raunte er mir zu. Natürlich konnte ich es nicht lassen ein: "Und einen ganz besonders", hinzufügen. Schmunzelnd schubste er mich leicht zur Seite, bevor er dann noch mit den anderen Fans, die ganz unten standen, abklatschte und dann in den Katakomben verschwand.
Auch die anderen Jungs liefen an uns vorbei. Klatschten mit den Fans ein, die ihnen ihre Hände entgegenstreckten. Das Siegerlächeln war allen ins Gesicht geschrieben. "Derbysieger", quiekte Jessi. Mein Herz begann heftiger zu schlagen, als ich Magnus sah, der immer näher kam. "Hör auf", versuchte mein Kopf mein Herz zu ermahnen. Jedoch vergeblich. Als Magnus dann auch noch so süß lächelte, als sich unsere Blicke trafen, war es vollkommen hoffnungslos, dass sich mein Herz in meiner Brust beruhigen würde. Ich hoffte nur, dass Jessi und Yara es neben mir nicht gegen mein Brustkorb pochen hörten. Als Magnus dann auch noch direkt auf mich zu kam und mich grinsend in den Arm nahm, durchfuhr ein ungewohntes, aber wunderschönes Kribbeln meinen Bauch. Für einen Moment hatte alles was um mich herum geschah keine Relevanz. Ich saugte das Gefühl von Magnus Nähe in mir auf. Auch wenn er widerlich nach Schweiß roch und sein nasses Trikot mein Shirt ebenfalls nass werden ließ. Es war so ein unfassbar schöner Moment, der jedoch viel zu schnell endete, weil Magnus sich von mir löste. Noch mit Yara und Jessi einschlug und dann klatschend Richtung Publikum Richtung Kabinen verschwand.
"Jap dich hat es erwischt?", holte mich die Stimme von Jessi zurück in die Realität. Verwirrt schaute ich zwischen meinen Freundinnen hin und her, die sich diese frechgrinsenden Blicke zu warfen. "Was?", fragte ich planlos. "Nichts", kicherte Yara nur. Blitzschnell versuchte ich diesen Gefühlsrausch wieder loszuwerden. Zum Glück dauerte es nicht lange, bis sich auch mein Herz wieder beruhigt hatte. Papa kam kurz darauf wieder raus und verschwand Richtung Interview. Die Fans sammelten sich mittlerweile unten und warteten ungeduldig darauf, dass die Spieler wieder nach draußen kommen würden. Die kurze Phase der Ruhe reichte, dass ich so langsam begriff, was das für ein wunderbares Spiel gewesen war. Weltklasse Handball! Eine Achterbahnfahrt der Gefühle! Wie sehr hatte ich das vermisst. Es war einfach was anderes live in der Halle zu sein, als zuhause vor den TV Geräten mitzufiebern. In diesem Moment wusste ich wieder, wieso ich diesen Sport genauso sehr liebte wie meinen Vater.
Moin! Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen. Leider wird dies das vorerst letzte Kapitel sein für die nächsten Wochen, weil ich mich nun wieder auf die Prüfungsphase zu bewege und parallel wir auch noch die Seminararbeit haben (die wieder mehr Zeit beansprucht als mir lieb ist). Ich hoffe ihr könnt das Verstehen, dass meine Prüfungen jetzt erst wieder Vorrang haben. Weitergehen wird es dann am 04.02, wenn meine Prüfungen vorbei sind. Bis dahin wünsche ich allen viel Spaß dabei, die die Zeit haben die Handball WM zu verfolgen.... Ich muss mich auf die deutschen Spiele beschränken (wenn ich es überhaupt schaffe, je nachdem wie gut ich vorankomme) so ich muss jetzt bei der Vorlesung wieder aufpassen.
Ich muss schon sagen, dass es im Wintersemester schwierig ist zu lernen. Mir fehlt es draußen lernen zu können und das frühe dunkel werden macht das Ganze nochmal etwas schwerer. Aber irgendwie schaffe ich das schon. Bis bald!
DU LIEST GERADE
Everything I didn't say
Hayran KurguFortsetzung Hidden Kisses ~ "I am too afraid Everything will change But it will break my heart If things will stay the same How does it feel to fall in love? Will it hurt or last forever?"~ How to fall in love - Linda Elsener Im letzten Jahr hatte s...