133: Arschtritt

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Es war immer etwas besonders zu wissen, wenn die eigenen Eltern in der Halle waren. Wer weiß, vielleicht war Steffen deswegen heute extramotiviert oder es war die pure Freude endlich wieder nach seiner Verletzungspause von Anfang auf dem Spielfeld zu stehen. Letztendlich standen dem Franken nach sechzig Minuten beim 26:28 Auswärtssieg in der Hölle Süd bei FrischAuf Göppingen sieben Treffer zu Buche. Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen folgte Steffen seinen Teamkollegen in die Kabine. Nach einigen Spielen, in denen sie sich vor allem im Angriff schwer getan hatten, hatten sie heute endlich wieder ein überragendes Spiel zeigen können. Die Anspannung fiel langsam bei allen ab. So würde es eine angenehme Rückfahrt zurück in den Norden werden. Sie hatten zwei wichtige Punkte und Selbstvertrauen mit an Bord, für die kommenden Aufgaben.

Steffen beeilte sich heute mit dem Duschen, schließlich hatte er sich mit seinen Eltern vor der Halle verabredet, um in Ruhe etwas mit diesen sprechen zu können. Immerhin hatte er Neuigkeiten zu verkündigen. Allein bei dem Gedanke seine Tochter morgen zu treffen, spürte er sein Herz wieder vor Nervosität gegen seinen Brustkorb hämmern. Er wollte endlich wissen, was aus ihr geworden ist? Wo sie aufgewachsen war? Was ihre Interessen waren? Wie sie aussieht? Hatte sie Ähnlichkeiten mit ihm oder kam sie doch eher nach Katie? Wortlos verließ der Franke die Kabine, um die Halle durch den Spielerausgang zu verlassen. Er hatte gerade seine Tasche im Gepäckfach des Buses, der bereits vor der Halle wartete verstaut, als ihn die Stimme seines Vaters erschrocken zusammenzucken ließ.

"Schön, wenn man seinen Sohn auch mal wieder zu Gesicht bekommt", strahlte dieser, bevor er seinen Sohn in eine herzliche Umarmung zog. "Schön, dass ihr hier seid", bedankte sich Steffen dafür, dass sie extra den Weg von Franken ins Schwabenländle auf sich genommen hatten, um ihn heute hier spielen zu sehen, bevor er seine Mutter ebenfalls in eine Umarmung zog. Diese drückte ihrem Sohn einen liebevollen Kuss auf die Wange. "Siehst gut aus", meinte diese, nachdem sie ihren Sohn von oben bis unten gemustert hatte. "Der Schädel wieder in Ordnung?", scherzte sein Vater. "Alles bestens", lachte Steffen. "Und mit Filip?", fragte seine Mutter nach, wie es beziehungstechnisch gerade zwischen den beiden lief.

"Alles gut. Der Spielplan lässt uns jetzt nicht gerade viel Zweisamkeit, aber so ist das eben als Handballprofi", antwortete Steffen schmunzelnd und wie immer wenn er vom Tschechen sprach, war da dieses Leuchten in seinen Augen. Seine Mutter machte es jedes Mal glücklich zu sehen, dass ihr Sohn nun endlich sein Glück gefunden zu haben schien. "Hättest dir halt nicht deinen Trainer als Partner wählen sollen", scherzte sein Vater, der wie immer kein Blatt vor den Mund nahm.

"Ich muss euch übrigens was mitteilen", kündigte Steffen an und hatte nun die volle Aufmerksamkeit seiner Eltern, die gespannt die Ohren spitzten. Steffen wollte gerade ansetzen, als ihn jemand antippte. Verwirrt drehte er sich um. Vor ihm stand ein kleiner Junge. "Kannst du auf meinem Ball unterschreiben?", fragte dieser schüchtern. "Klar", schmunzelte Steffen und nahm den Ball und den Stift entgegen, um auf diesem zu unterschreiben. Die Mutter des Sohns fragte noch, ob sie ein Foto machen konnte. Nachdem das kleine Fanherz glücklich gemacht wurde, wand sich Steffen wieder seinen Eltern zu.

"Ich werde mich morgen mit meiner Tochter treffen", ließ er die Bombe platzen. Die Kinnlade seiner Mutter klappte nach unten. "Du hast sie gesucht?", fragte sein Vater ebenfalls gerührt. Steffen wusste auch, dass es für seine Eltern ebenfalls nicht einfach gewesen war, damals ihr Enkelkind wegzugeben. Steffen begann den beiden eine Kurzfassung zu geben. Er berichtete, dass er Filip die Sache anvertraut hatte und er ihn dazu ermutigt hatte, sich auf die Suche nach ihr zu machen. "Filip hat sein Herz wirklich am rechten Fleck. Wer weiß, wie lange du es sonst noch aufgeschoben hättest", meinte seine Mutter und umarmte vom Gefühlchaos angetrieben ihren Sohn. "Ja. Filip ist und bleibt mein Glückslos", gestand Steffen und er wusste, dass er den Tschechen nicht mehr gehen lassen wollte.

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