Kapitel 7 - 13. Juni 2006

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Felix

Felix hatte keine rechte Lust aufzustehen.
Samstag!
Eigentlich sollte ein Mann in seinem Alter heute durch die Clubs der Stadt ziehen, sich mit Freunden treffen, flirten, sich verlieben, die Nacht mit einer heißen Biene verbringen.
Und was wartete auf ihn?
Ein wahrscheinlich hässliches Mäuschen, das mit ihm reden wollte, aber nichts sagte.

Er hatte es wirklich langsam satt. Noch heute würde er sich bei der Agentur abmelden, nicht dass sich er noch einmal breitschlagen ließ.
Seine Stammdamen musste er auch auf die sanfte Art und Weise loswerden.
Er hatte in dieser Woche drei von ihnen marathonmäßig zufriedenstellen müssen, sie waren schließlich verwöhnt.

Dass ihn aber auch alle drei in einer Woche sehen wollten! Scheinbar weckte der Frühsommer Frühlingsgefühle in ihnen. Er fühlte sich relativ ausgelaugt. Hoffentlich wollte das Mäuschen heute wirklich nur reden. Er würde sie auf keinen Fall zu mehr ermuntern.

Vielleicht konnte er danach noch losziehen, oder er schlief einfach 24 Stunden durch.
Um sechs wälzte er sich aus dem Bett, wärmte sich in der Mikrowelle irgendetwas auf, kochte sich eine Kanne Kaffee, rauchte ein paar Zigaretten, während er die schwarze Brühe in sich hineinschüttete. 

Manche seiner Kollegen koksten oder nahmen irgendwelches Zeug zum Aufputschen, um lange durchhalten zu können. Aber er lehnte das strikt ab. Bisher hatte Kaffee noch immer ausgereicht.

Um sieben Uhr duschte er ausgiebig, cremte sich ein, rasierte sich, versuchte aus seinem wilden Haarschopf eine Frisur zu föhnen, zog irgendeine frischgewaschene Jeans und ein T-Shirt an.

Zum Glück musste er keinen Anzug mit Hemd und Krawatte tragen! Er rauchte noch eine Zigarette, trank die letzte Tasse Kaffee, spülte mit Mundwasser und fuhr los.

Er fand die Adresse schnell, wartete noch zehn Minuten im Auto. Verblüfft betrachtete er das Haus. Ein riesiger moderner Bungalow mit mindestens 400 Quadratmetern Wohnfläche auf einem parkähnlich angelegten Grundstück.
Hier wohnte das sprachlose Mäuschen? Er verglich die Daten des Navi mit seinen Aufzeichnungen, alles korrekt. Wahrscheinlich hatte sie ihn reingelegt!

Fast hätte er wieder umgedreht, doch dann wollte er das Namensschild an der Türe sicherheitshalber kontrollieren. Maja Brenner stand da. Gut, das musste jetzt auch nichts beweisen! Er drückte auf den Klingelknopf.

„Ja, bitte?" hörte er ein Stimmchen aus der Sprechanlage.
„Hallo, Maja! Ich bin's, Felix!"
Der Türöffner summte. Die Türe öffnete sich, und Felix stand vor der schönsten Frau, die er je gesehen hatte!

Maja

 Maja war den ganzen Tag kurz vor einemNervenzusammenbruch!
Sie glaubte, den Tag nicht zu überleben!
Ich fahre weg!

Ich bin einfach nicht da!
Ich mache nicht auf!
Ich bin verrückt!
Ich war verrückt!
Ich sperre mich in den Keller ein!
Ich setze Kopfhörer auf!
Ich lasse ihn auf keinen Fall rein!
Ich betrinke mich!

Doch je später es wurde, desto neugieriger wurde sie auf diesen hübschen Kerl. Desto mehr wollte sie mutig sein, wollte sie etwas erleben, wollte leben!

Sie duschte sich, cremte sich ein, föhnte ihre blonde Mähne, zog die rote Wäsche an, darüber eine hübsche Bluse und einen kurzen weiten Rock aus einem weich fließenden Stoff.
Zum Reden? fragte sie sich.

Ja, auch beim Reden darf man hübsch aussehen, und man darf auch das teure Parfüm benutzen! antwortete sie sich und streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus.
Sie rauchte noch eine Zigarette, trank einen Cappuccino dazu, den die sündteure Maschine perfekt aufgebrüht hatte, spülte noch einmal mit Mundwasser.
Dann hörte sie ein Auto vorfahren.

Sie wohnte am Ende einer Stichstraße, es war wahrscheinlich er. Es war wahrscheinlich Felix, der hübsche Call-Boy, den sie für heute gebucht hatte, zum Reden gebucht hatte.

Sie sah zur Uhr. Zehn Minuten zu früh! Sie mochte das! Sie hasste Unpünktlichkeit. Zwei Minuten vor acht hörte sie eine Autotüre, mit dem Schlag der Kirchturmuhr läutete es.
Sie atmete tief durch.

„Ja, bitte?" fragte sie sicherheitshalber.
„Hallo, Maja! Ich bin's, Felix!" hörte sie. Sie drückte auf den Türöffner.
Kurz darauf blickte sie in die unglaublichsten Augen, die im Licht der Außenbeleuchtung knallgrün leuchteten. Und täuschte sie sich? Sahen diese Augen sie ungläubig an?
„Komm bitte rein!" sagte sie.


Der Hass wird nicht siegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt