Kapitel 53 - Larissa

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Manchmal war der Zufall ein Engel, in Larissas Fall war er ein Teufel!

Ihr Glück war perfekt. Tonis Familie mochte sie, Toni schien sie wirklich zu lieben. Irgendwann einmal würde sie ihm erzählen, wer sie war, dass sie Geld hatte, mehr als er vielleicht vermutete. Dann würden sie ein Haus bauen, obwohl es sie nicht mehr störte, bei seinen Eltern in so einfachen Verhältnissen zu wohnen. Oft schlief sie ja auch bei ihm in seiner Wohnung, half in seinem Geschäft aus.

Die Dorfgemeinschaft schien sie als seine Partnerin zu akzeptieren. Sie spendete für den Kindergarten, die neue Glocke, den Landfrauenverein. Toni brauchte kein Geld mehr von ihr, seine Pechsträhne schien zu Ende zu sein. Er lud sie jetzt auch immer ein, wenn sie ausgingen, aber sie sprachen praktisch nie mehr über Geld.

Heute war Silvester, es gab ein original schweizerisches Raclette. Sie lachten alle viel und laut, Larissa verstand mittlerweile die Sprache sehr gut, erwischte sich selber oft, wie sie Dialekt sprach. Sie fühlte sich unheimlich wohl, aufgehoben, angenommen!

Nach dem Essen verzogen sich die vier halbwüchsigen Kinder seiner Schwestern ins Nachbarzimmer, um fern zu sehen.

„Larissa? Kennst du eine Maja von Calsow? Die kommt auch aus Regensburg!" rief Maria, die Jüngste.

Larissa wurde kreidebleich, doch niemand schien es zu bemerken.
„Nein, mein Schatz! Regensburg ist groß!"
Es war eine Weile still. Dann kam wieder die aufgeregte Stimme. „Komm mal schnell! Das bist doch du!"
Toni sprang auf. Das wollte er jetzt schon sehen, was die Kleine da verzapfte und glaubte zu sehen.
Larissa wollte ihn festhalten, doch das war natürlich nicht möglich bei dem starken Kerl.
Fassungslos stand er vor dem Apparat. Das war natürlich Larissa, wenn sie auch ganz anders aussah.
Dann wurden Bilder von der Frau, die er liebte, aus jüngerer Vergangenheit gezeigt.

Danach erklärte der Talkmeister, was es mit den Aufnahmen auf sich hatte, und anschließend berichtete eine sehr schöne junge Frau, offensichtlich eine Prominente, was Larissa von Haunstein ihr und ihrem Partner angetan hatte.

In Tonis Ohren klingelte es. So böse, so boshaft konnte sie doch nicht gewesen sein! Das konnte sie doch nicht wirklich gemacht haben, nur weil sie diesen Mann, dessen Bild immer wieder eingeblendet wurde, glaubte zu lieben!
So hatte er sich doch nicht in ihr täuschen können!
Mittlerweile war Larissa neben ihn getreten. Er sah den vor Wut verzerrten Ausdruck in ihrem Gesicht.
„Diese verdammte Bitch!" stieß sie unbeherrscht hervor, und Toni wusste, dass jedes Wort stimmte. „Ich hätte sie umbringen sollen!"
Larissa wusste nicht mehr, was sie sagte.

Die Kinder verließen angsterfüllt das Zimmer. Dann kam der Abspann. „Das, liebe Zuschauer, war der Jahresrückblick mit den Highlights aus den Sendungen des Jahres. Das Beste hatten wir uns bis zum Schluss aufgehoben: Die Antwort der bekannten Schriftstellerin Maja von Calsow auf die wiederholten Angriffe von Seiten Larissa von Haunsteins. Wir hoffen, Sie hatten so viel Spaß wie wir!"

Toni sah sie wütend an. Das, was er da erfahren hatte, war hart, aber er hätte mit ihr darüber reden können, hätte vielleicht sogar verstanden.
Aber die Worte, die sie ausgestoßen hatte, der Hass in ihren Augen! Damit konnte und wollte er nicht leben! Damit wollte er nichts zu tun haben!
„Pack deine Sachen und verschwinde!" fuhr er sie an. Der Ring in seiner Jackentasche brannte beinahe ein Loch in den Stoff.
Sie startete noch einen letzten Versuch. „Toni, bitte! Sie lügt! Sie erzählt überall Lügen über mich! Immer!" Sie wimmerte fast nur noch.

„Du hast zweimal versucht, ihr Leben zu zerstören! Warum?" Er war fassungslos vor Wut und Enttäuschung.

„Sieh sie doch an!" schrie Larissa. Sie wusste, sie hatte wieder alles verloren wegen der Anderen.
„Sie hat alles! Sie ist schön! Sie ist erfolgreich! Und sie hat auch noch Felix bekommen!"

Er schob sie wortlos zur Türe hinaus. „Pack und geh!" flüsterte er nur noch und ließ sie stehen.
Larissa warf blind vor Tränen ihre Sachen in den Koffer, schleppte ihn zu ihrem Auto und fuhr in die Neujahrsnacht. Im nächsten Hotel bekam sie noch ein Zimmer. Sie nahm sich eine Flasche Wein mit nach oben, trank sie und die Minibar leer. Während sie immer betrunkener wurde, schmiedete sie Rachepläne.

Als sie ihren Kater ausgeschlafen hatte, fuhr sie los. Sie zog in ein Hotel in einem Dorf in der Nähe ihrer Heimatstadt. Zum Glück erkannte sie niemand. Dann begann sie, eine Wohnung außerhalb Regensburgs zu suchen. Niemand sollte wissen, dass sie wieder zurück war, auch ihre Eltern und ihr Bruder nicht.

Vier Wochen später zog sie ein. Noch immer war sie vollkommen wahnsinnig vor Zorn auf Maja von Calsow.
Sie fuhr zu Felix' Wohnung, ein paar Tage hintereinander, läutete Sturm, stand stundenlang vor dem Haus. Dann, in einem klaren Augenblick, merkte sie, dass nie ein Licht oben brannte.
Entweder waren sie weggezogen oder in Urlaub. Sie rief in seiner Firma an, fragte nach Dr. Steiner, gab sich als Kundin aus.

Bob hatte von Felix die Anweisung bekommen, immer auf seine Handynummer zu verweisen und keine Auskünfte über seinen Aufenthaltsort zu geben.
„Bedaure, Herr Dr. Steiner ist nicht im Hause. Aber er ist auf seinem Handy jederzeit zu erreichen!" sagte er der Anruferin.
„Wann kommt er denn zurück?" So schnell gab sie noch nicht auf.
„Rufen Sie ihn doch an und fragen ihn!" Bob blieb höflich, aber bestimmt abweisend.

Sie legte entnervt auf.

Bob wollte beim nächsten Routineanruf von Felix von dem Anruf erzählen, vergaß aber in der Hektik des Alltags darauf.

Majas Eltern fielen ihr ein. Vielleicht konnte sie die älteren Herrschaften überrumpeln.
Sie suchte im Telefonverzeichnis die Nummer heraus und wählte sofort.

„Hallo, Frau von Calsow, her ist Anna, ein Schulfreundin von Maja. Ich organisiere ein Klassentreffen, kann aber ihre Tochter nicht erreichen."
Majas Mutter wunderte sich. Die Tochter war erst kurz bevor sie weggeflogen war, auf einem Klassentreffen gewesen.

„Ach, waren Sie mit ihr in der zehnten Klasse?" fragte sie die Anruferin.
„Ja, genau, in der Zehn A!" bestätigte Larissa schnell.
Da wusste die Mutter, dass die Anruferin log. Maja hatte die zehnte Klasse übersprungen. „Versuchen Sie es auf ihrem Handy! Ich weiß auch nicht immer, wo sie sich gerade aufhält! Sie ist ja so viel unterwegs!" bat sie.
Larissa legte auf.

Marga wollte gleich ihre Tochter anrufen, um ihr von dem Anruf zu erzählen, doch bevor sie die Nummer drücken konnte, meldete sich eine Freundin bei ihr. Als sie nach einer Stunde das Gespräch beendete, musste sie kochen, dann begann die Quizsendung, dann war es zu spät, und am nächsten Tag hatte sie das Telefonat vergessen.

Larissa grübelte. Ihr Verlag! Sie suchte im Internet die Nummer, stellte sich als Vorsitzende irgendeines Phantasie-Kultur-Vereines vor, wollte Frau von Calsow für eine Lesung buchen.
„Frau von Calsow hält zurzeit keine Lesungen!" erfuhr sie. „Tut mir Leid!"
Larissa bohrte noch ein wenig weiter, stieß aber gegen eine geschulte Granit-Dame.
Ingrid wollte Pascal, dem Lektor und Vertrauten Frau von Calsows von dem komischen Anruf erzählen. Doch dann stand das Telefon nicht mehr still und sie vergaß es.

Blieb nur noch als letzte Möglichkeit seine Mutter. Doch Sonja hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis für Stimmen. Als Larissa nach Felix fragte, erkannte sie sie sofort.
„Lassen Sie meinen Sohn in Ruhe!" fauchte sie und unterbrach das Gespräch. Sie wollte sofort die beiden auf der Insel anrufen und warnen, dass Larissa wieder auf der Fährte von Felix war. Aber es kam ein dringender Notruf von der Sozialstation, und danach ging es Schlag auf Schlag.
Abends sank sie müde ins Bett, am nächsten Tag hatte sie den Vorfall vergessen.

Larissa kontaktierte den Privatdetektiv, obwohl sie auf den stinksauer war. Aber vielleicht wollte er etwas gut machen bei ihr, vielleicht braucht er auch Kohle.
Er legte gleich auf, als sie sich vorstellte. Vielleicht sollte ich die beiden warnen? überlegte er kurz. Doch er hatte gleich einen Termin und danach war der Gedanke aus seinem Kopf verschwunden.

Larissa tigerte durch die Straßen, zermarterte sich das Gehirn.

Wo steckten die beiden?
Wie konnte sie sie finden?
Dann akzeptierte sie, dass sie einfach Geduld haben musste. Sie konnten praktisch nur in Urlaub sein!
Wie lange war man in Urlaub? Im Höchstfall vier Wochen! Schließlich hatte Felix ein Unternehmen zu führen.
Also, eine Woche suchte sie schon, sie würde noch drei abwarten! Dann tauchten sie sicher wieder in der Wohnung auf. Sie notierte sich den Termin auf ihrem Kalender, strich jeden Tag einen ab.


Der Hass wird nicht siegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt