Kapitel 26 - Larissa

48 13 3
                                    

Larissa Sanders begann ihr Betriebswirtschaftsstudium im Oktober 1997. Sie machte es, weil ihr Vater, der Besitzer eines Bankhauses, das erwartete. Sie war klug, sie war reich, sie war begabt - und sie war hässlich.
Eine verrückte Laune der Gene hatte ihrem um ein Jahr älteren Bruder die volle Schönheit zugedacht. Ein hübsches Gesicht, große braune Augen mit langen Wimpern, ein voller Mund, braune, dichte Haare.

Für sie war nichts mehr übrig geblieben. Nur blassblaue hervorquellende Augen, strähnige blonde Haare, ein fliehendes Kinn, kaum vorhandene Wangen, dünne Lippen, eine lange spitze Nase, ein kleiner Kopf auf einem 1,80 m langen knochigen Körper

Schon während ihrer Kindheit hatte sie die mitleidigen Blicke der Verwandten auf sich gespürt, hatte gemerkt, dass Oliver ständig fotografiert wurde. Dass die Apparate weggelegt wurden, wenn sie auftauchte.
Sie hatte während der Grundschulzeit den Spott ausgehalten, während der Gymnasialzeit, dass sie ignoriert wurde.

Den Abschlussball des Tanzkurses hatte sie geschwänzt, weil keiner sie aufgefordert hatte, mit ihm hinzugehen, auch der hässlichste Junge hatte sich nicht dazu aufraffen können.

Sie hatte versucht, ihr Aussehen mit Fleiß und Nettsein auszugleichen, aber nicht einmal die Lehrkräfte konnten sie ansehen ohne diesen mitleidigen Blick in den Augen.
Sie wurde zu keinem Geburtstag eingeladen, zu keiner Party.

Dann begann das Studium. Auf dem Campus traf sie Nicki wieder, die mit ihr Abitur gemacht hatte, die es gerade so geschafft hatte, ging ein paarmal essen mit ihr, sie bezahlte.
Die hübsche ehemalige Mitschülerin hatte auch bald einen Freund, einen jungen Mann, der so fantastisch aussah, dass es ihr, Larissa, oft den Atem nahm, wenn sie die beiden zusammen sah. Tränen der Wut und der Verzweiflung stiegen in ihr hoch. Sie schluckte sie weg, wurde wieder ein Stück härter.

Einmal sah sie die beiden mittags in der Pizzeria, sie setzte sich unaufgefordert dazu, konnte den Blick wieder nicht von Felix lösen, musste sein hübsches Gesicht, seine Wahnsinnsfigur immer ansehen.
„Was ist es dir wert, wenn ich ihn dir eine Stunde ausleihe?" zog Nicki sie auf, die ihre Blicke bemerkt hatte.
„200 Mark!" antwortete sie. Sie hätte auch 1000 Mark bezahlt. Dann stand sie auf und ging wortlos weg.

Und er rief tatsächlich bei ihr an, dieser wunderbare Mann! Und er liebte sie nach allen Regeln der Kunst. Von diesem Tag an war sie ihm verfallen, mit Haut und Haaren, lebte nur für die Stunde pro Woche, in der er zu ihr kam.
Die restlichen Tage der Woche träumte sie von seinen Händen und seinen Lippen.
Sie brachte ihn mit anderen Mädchen zusammen, aus irgendwelchen verqueren Gedanken heraus, damit er ihr dankbar sein würde und auch, damit er Nicki vernachlässigen und verlassen würde.

Später versuchte sie, ihn zu überzeugen, nur für sie da zu sein, wenn sie ihn entsprechend bezahlte. Aber er lehnte ab.

Sie schloss ihr Studium mit Bestnoten ab, stieg ins Bankhaus ihres Vaters ein. Ein Geschäftspartner brachte sie mit seinem Sohn zusammen, machte deutlich, dass er eine Verbindung der beiden sehr begrüßen würde.
Patrick zeigte sich nicht abgeneigt, was Larissa so gar nicht verstehen konnte. Er war ein sehr gutaussehender junger Mann. Bis er ihr gestand, dass er schwul war, einen festen Freund hatte.

Larissa überlegte. Das Arrangement wäre eigentlich perfekt. Da könnte sie Felix behalten! Ein halbes Jahr später wurde ein rauschendes Hochzeitsfest gefeiert. In der Stadt war die Verwunderung groß. dass die hässliche Larissa sich einen so tollen Mann geangelt hatte, noch dazu, da der Junge auch selbst sehr vermögend war.

Felix schien sich auch zu wundern, dass sie ihn weiterhin sehen wollte. Aber die Treffen mit ihm waren das einzige, was sie am Leben hielt. Sie verdoppelte den Preis, er baute gerade sein Unternehmen auf, konnte das Geld gut gebrauchen.

Als sein Geschäft Gewinn abwarf, schob er öfter Terminprobleme vor, mit subtilen Drohungen konnte sie ihn aber immer wieder überreden, zu ihr zu kommen. Seine Hingabe wurde weniger, er war immer lustloser bei der Sache, aber sie war froh, ihn wenigstens hin und wieder sehen zu können.

Schließlich kam dieser Anruf, dass er ins Ausland gehen würde. Die Verzweiflung brach über ihr zusammen.

Dann traf sie ihn bei diesem Italiener mit seiner Schwester. Sie war misstrauisch, hatte aber nichts gegen ihn in der Hand.
Aber auf dem Silvesterball wurde ihr klar, dass das nie und nimmer seine Halbschwester war.
Sie engagierte einen Privatdetektiv, der Erstaunliches herausfand.

Die kleine Schönheit war nicht nur seine Lebensgefährtin, sie war auch die Frau des Professors gewesen, der bei einer Nutte einen Herzanfall gehabt hatte, und, was noch viel besser war: sie war Anja Kalkov, die Bestsellerautorin!

Das müsste doch als Zündstoff reichen! Er wollte bestimmt nicht, dass die ganzen pikanten Geheimnisse ans Tageslicht kämen.
Der Detektiv half ihr noch ein paar Vorbereitungen zu treffen. Er wusste zwar, dass das illegal war, aber sie zahlte wirklich gut.


Der Hass wird nicht siegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt