Kapitel 78 - Joe

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Als Joe auf die beiden zukam, hielt er vor Angst den Atem an. Doch der Brocken schlug seinem Bruder nur kameradschaftlich auf die Schulter und dröhnte los: „Hallo, Doc! Wieder einmal Sehnsucht nach deinen besten Freunden?"

Felix grinste schief. „Heute schon jemanden vermöbelt?" fragte er.

„Nee! Ich bin ganz brav geworden! Nächste Woche habe ich Bewährungsverhandlung!" Er grinste zurück. „Nur deine Larissa ärgere ich hin und wieder ein bisschen!"

„Lass sie in Ruhe!" fuhr Felix ihn an. „Bring sie nicht noch mehr in Rage! Weiß Gott, was ihr sonst noch einfällt!" Und sie ist immer noch ein Mensch! wollte er sagen, doch er brachte es nicht über die Lippen. Denn er zweifelte sehr daran!
Joe sah den Doc überrascht an. Ja, verdammt, er hatte Recht! Er sah eben über den Tellerrand hinaus, und das war auch der Grund, warum er der Doc und er selbst nur ein tumber Schläger war!

„Es könnte sein, dass sie dich als Leumundszeugen für mich laden! Würdest du das machen?" fragte er etwas kleinlauter geworden.

„Klar! Ich habe ja eine Menge zu erzählen! Über Schutzgelderpressung und so!" Felix hatte die Anfänge seiner Haft noch nicht vergessen.

„Das ist vorbei! Echt, Mann! Ich tobe mich am Computer aus! Ich habe sogar die erste Prüfung geschafft!" versicherte der Bär von einem Mann.

„Wow!" Felix war echt beeindruckt. Das hätte er nicht für möglich gehalten, dass Joe so bei der Stange bleiben würde. „Okay, wenn du die zweite auch noch machst, bekommst du einen Job bei mir!" versprach er. Irgendetwas würde er schon finden. Vielleicht bei der Wartung der Geräte in der Sozialstation?

„Und das wirst du dann auch aussagen?" Joe klang ziemlich unterwürfig, aber es machte ihm nichts aus. Er wollte wirklich noch einmal neu anfangen. Mit Hilfe des Docs könnte er es schaffen.

„Ja! Das werde ich!" Damit nahm er seinen Bruder am Arm, der das Ganze ziemlich fassungslos beobachtet hatte, und ging mit ihm weiter zum Computerraum.
Er sah sich die Ausrüstung an, beschloss, ein paar neue Geräte anzuschaffen. Da entdeckte er das gerahmte Foto von ihm an der Wand.

„Der Spender des Computerraumes Dr. Felix Steiner" stand in goldenen Lettern auf dem Rahmen.
„O mein Gott!" stöhnte Felix auf. „Das ist aber jetzt schon zu viel!"
Kilian grinste ihn an. Er war schon verdammt stolz auf seinen Bruder!
„Eine Gedenktafel im Knast! Das hätte ich mir vor ein paar Jahren nicht träumen lassen!" witzelte Felix. Dann schauten sie noch beim Direktor vorbei, der sich über den Besuch freute. Felix informierte ihn über die neuen Geräte, die er bestellen würde.
„Jack kann sie dann anschließen!"

„Wie macht er sich denn?" fragte der Leiter nach.
„Sehr gut! Den kennen Sie nicht wieder! Ich glaube, seit ein paar Tagen hat er auch eine Freundin." informierte ihn Felix.
„Und das ist Ihr Bruder?" Die Ähnlichkeit war unverkennbar.
Felix lachte. „Ja, neben einem Vater und zwei Schwestern habe ich mir den da eingefangen!"

„Ich hoffe nicht, Sie hier mal begrüßen zu müssen!" versicherte der Direktor.
„Nein! Habe ich nicht vor!" erklärte Kilian lächelnd. „Obwohl ich ja verstehen kann, was er da getan hatte!"
„Ja, gut, das kann eigentlich jeder. Vor allem, wenn man jetzt erleben musste, was in dieser Frau so vorgeht!" stimmte der Ältere zu.

Dann fuhren die Brüder zur Firma zurück. „Was hältst du eigentlich von einem eigenen Auto?" fragte Felix wie nebenbei.
„Viel!" antwortete Kilian grinsend.
„Und die Mädchen?"
„Auch, könnte ich mir vorstellen!" Eigene Autos waren nie drin gewesen bei ihnen.
„Dann zieht doch mal los, sucht euch was aus!" schlug der ältere Bruder vor.

„Okay!" Manchmal konnte Kilian sein Glück kaum fassen.

Eine Woche später fand die Bewährungsverhandlung von Joe statt. Der Riesenbrocken war nervös, vollkommen uncool, hatte die totale Panik. Sein Leben war vollkommen aus dem Ruder gelaufen, Alkohol und Gewalt hatten seinen Alltag bestimmt.
Dann war der Doc in seinem Leben aufgetaucht, und irgendetwas hatte sich verändert. Jetzt wollte er ein neues Leben, wollte noch eine einzige Chance! Sah einen anderen Sinn als zuschlagen und Angst verbreiten, wollte einen Rest von Zukunft!

Der Hass wird nicht siegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt