Kapitel 75 - Geschwister und Freunde 1

29 9 0
                                    

Sie musste begreifen, wie falsch sie lebten, da in München!
„Hallo, Saskia! Wie läuft es?"
„Hey, Kilian! Die Stimmung ist ziemlich down, seit du weg bist! Mom ist echt crazy drauf! Und bei dir?"

„Toll! Alles bestens! Dad ist gut drauf, und Felix ist der volle Hammer! Seine Verlobte noch mehr." Dann erzählte er eine halbe Stunde lang von Fuerteventura und Regensburg, seinem Studienplatz, von Felix' Betrieb und der Stiftung auf der Insel, von den Plänen, die sie jetzt hier hatten, von den Freunden und ihren Frauen, wie normal hier alle waren und doch wie absolut außergewöhnlich.


Saskia hörte zu, musste lächeln über seine Begeisterung. Das klang gut, ja, das klang nach echtem Leben, nicht nach dem, was sie hier führte. Diesem Existieren in einer Scheinwelt ohne wahre Gefühle, in der Bussi-Bussi-Gesellschaft, die sie eigentlich auch nur noch ankotzte. 

Sie war 24, sah gut aus, flog von einem Arm zum anderen, machte auch mal Zwischenstation in einem der Betten am Weg, war aber noch nicht ein einziges Mal verliebt gewesen.

Am liebsten hätte sie einen Koffer gepackt und wäre zu ihrem Bruder gefahren, oder vielmehr, zu ihren Brüdern. Aber sie konnte Patty nicht alleine lassen. Nicht unbeschützt in diesem Moloch zurücklassen! Die 19jährige Schwester hatte einen gefährlichen Weg eingeschlagen, war voll auf Partydroge. Saskia gelang es immer weniger, genug Geld für sie auftreiben, aber wenn sie ging, würde Patrizia sich prostituieren, um an Stoff zu kommen, da war sie sicher.

Sie hatte oft versucht, die Kleine zu einem Entzug zu überreden, hatte aber auf Granit gebissen. Vielleicht musste sie erst ganz unten sein, damit sie freiwillig nach oben wollte. Saskias Gedanken drehten sich immer im Kreis, wenn sie über die Schwester nachdachte, und sie hatte niemanden, mit dem sie darüber sprechen konnte.
Aber sie war froh, dass Kilian raus war aus dem Milieu!

„Es freut mich, dass es dir gut geht, Kleiner!" sagte sie betont fröhlich. „Vielleicht besuche ich euch ja einmal!"
„Bitte, Saskia, mach das! Das sind echt tolle Menschen hier! Sie würden sich freuen, dich kennenzulernen!"

Sie hörte Patty randalieren, beendete schnell das Gespräch, damit Kilian nichts davon mitbekam. Die Schwester brauchte Nachschub, aber sie hatte kein Geld mehr. Sie musste wohl wieder bei ihrer Mutter betteln, etwas von Studiengebühren oder so erfinden. Scheißleben! Scheißdrogen! Sie hatte alles so satt!

Kilian ging zu seinem Vater, setzte sich neben ihn.
„Saskia geht es nicht gut! Sie muss da raus! Sie geht kaputt in dieser Clique, in diesem Leben! Ich glaube, Patty ist auf Droge, Saskia will sie nicht alleine lassen! Es ist so ein Gefühl!"

Tim war entsetzt. Er hatte vom Leben seiner Kinder kaum noch etwas mitbekommen in den letzten Jahren. Er hatte den Stab über sie gebrochen gehabt, hatte beschlossen, sie seien schlecht geraten und war abgehauen.
Doch schon Kilian hatte ihm ja bewiesen, dass die Dinge ganz anders lagen. Dass er ein verdammt toller Junge war.

„Wir fahren morgen nach München!" versprach er. Kilian war froh, dass er einen Vertrauten hatte.

Die Freunde zogen noch um die Häuser, um ihr Vorhaben ein wenig zu feiern. Erst mussten die Bäuche voll werden, dann gingen sie zum Tanzen. Die Stimmung im Club stieg immer, wenn die Gruppe einfiel. Die Szene liebte die fünf gutaussehenden Männer mit ihren schönen Mädchen.
Alle zehn wurden immer angeflirtet, was das Zeug hielt, aber es war mehr ein Sport, denn zwischen die Pärchen passte kein Blatt.

Felix hielt Maja im Arm, es war eine schnelle Runde, sie wirbelten über die Tanzfläche. Immer mehr junge Leute traten an den Rand, um ihnen Platz zu machen. Er war ein fantastischer Tänzer. Rechts herum, links herum drehte er sein Bienchen, ließ sie Pirouetten ausführen, unter seinen Armen hindurch schlüpfen, hob sie hoch, setzte sie ab. 

Der Hass wird nicht siegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt