Kapitel 41 - Ab Weihnachten 2007 / 2

1 1 0
                                    


Um zwölf Uhr wollten sie eine Zigarette rauchen, hatten die Hoffnung, das Nikotin würde sie vielleicht etwas runterbringen.
Doch keiner von beiden hatte eine Packung. Sie zogen sich warm an, liefen durch die Straßen, auf der Suche nach einem Automaten. Sie tanzten, lachten leise, küssten sich, sangen ein Weihnachtslied, lachten, fanden einen Automaten, zogen eine Schachtel, erwischten die falsche Marke, weil sie so abgelenkt waren, lachten, zogen eine neue Packung, wollten rauchen, hatten das Feuerzeug vergessen, lachten, küssten sich.
Sie waren vollkommen durch den Wind!

Da sahen sie eine kleine Bar, die seltsamer Weise geöffnet hatte. Ein paar einsame Herzen, deutlich über dem Nüchternheits-Pegel und eine alternde Barfrau unterhielten sich leicht lallend, aber intensiv. Irgendetwas zog Maja und Felix nach innen.

War es die Traurigkeit, die sie vertreiben wollten, die Einsamkeit, die fast greifbar war?
Sie bestellten sich zwei Cocktails, lächelten die Gäste an, stießen mit ihnen an und hatten das Gefühl, etwas von ihrer übergroßen Liebe weitergeben zu können.

Die beschwipsten einsamen Seelen freuten sich über die jungen Leute, freuten sich an den verliebten jungen Leuten, erinnerten sich an die Zeit, als ihnen selbst die Welt zu Füßen zu liegen schien.
Einer fing an, seine Geschichte zu erzählen, die anderen machten es ihm nach.
Maja trank diese Geschichten wie Champagner.

Als sie zu Hause waren, setzte sie sich wortlos an ihr Laptop und schrieb weit in den nächsten Vormittag hinein.
Felix saß mit Tränen in den Augen auf einem Stuhl neben ihr und beobachtete sie, voller Stolz, Liebe und Glück.

Seine Schöne! Wieder hatte er das Gefühl, sie hatte sich verändert.
Vor der Trennung war sie sein schönes Mädchen, sein Schmetterling gewesen, der gemeinsam mit ihm die Liebe und das Leben genossen hatte, der sorglos in der Sonne des Glückes geflattert war.

Jetzt war sie seine schöne Frau, die erwachsener schien, die intensiver zu fühlen schien, für ihn und für andere. Die noch tiefer zu empfinden schien für ihn, weil sie das Schöne im Leben nicht mehr als selbstverständlich nahm.

Die ihn noch mehr liebte als damals, auch, ja auch, weil sie einen Vergleich mehr hatte! Er wunderte sich über diesen Gedanken, aber er glaubte, dass er richtig war.

Sie war mit einem anderen Mann zusammen gewesen, der nicht diese Liebe in ihr erweckt hatte wie er. Bei Georg war sie ein unreifes Mädchen gewesen, das von der Liebe keine Ahnung gehabt hatte, das Träume mit dem Leben verwechselt hatte.

Bei Stefano – und er konnte diesen Namen jetzt durchaus denken – war sie erwachsen gewesen, hatte die Liebe und den Schmerz, den sie mit sich brachte, erlebt gehabt, hatte aber nicht gefühlt wie bei ihm.
Das hatte sie sicher werden lassen, dass das Gefühl für ihn, Felix, etwas Besonderes war. Er würde diesem Italiener wohl auch noch dankbar sein müssen!

Sie drückte ein letztes Mal die Speichertaste, zog den Stick heraus. Ein kleines Büchlein war fertig mit dem Titel „Bargeflüster"
Sie druckte die Texte aus, packte sie für Felix ein. Das war ihr Geschenk für ihn! Eine Erinnerung an ihr zweites Weihnachtsfest, das ganz anders war als das erste, aber mindestens genauso schön! Er konnte das lesen, wenn er wieder im Gefängnis war und an sie und diese Tage denken.

Sie überreichte ihm das Päckchen, dann fielen ihr fast die Augen zu.
Engumschlungen verschliefen sie fast den ganzen ersten Feiertag.

Sie frühstückten abends um sechs, versuchten ihr Glück noch einmal bei den verschiedenen Lieferservices, hatten bei einem Erfolg, bestellten sich sicherheitshalber ein paar Gerichte, mussten sich aber dann wieder ins Bett legen, weil der Anruf sie so viel Kraft gekostet hatte.

Der Hass wird nicht siegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt