Vollkommen überraschend erhielten sie am nächsten Tag eine Einladung zur Gala „Menschen der Stadt".
„Was sollen wir denn da?" fragte Maja perplex. Sie erinnerte sich daran, dass Georg seine Seele verkauft hätte, um einmal teilzunehmen. Aber an Karten war nur unter der Hand zu kommen, und da fehlten ihm doch die richtigen Beziehungen, und die meisten Gäste kamen über Einladungen.„Keinen Schimmer!" antwortete Felix. Sie zogen dann eben los, kauften ein Kleid für sie. Er hatte einen fast neuen schwarzen Anzug, den er für die spanische Taufe gekauft hatte, suchte sich nur ein neues weißes Hemd und eine Fliege aus.
Mit dem Taxi fuhren sie zwei Wochen später zur Halle am Stadtrand. Der Oberbürgermeister begrüßte sie persönlich, sie schüttelten viele Hände von Menschen, die sie nicht kannten.
Mit Schrecken stellte Maja fest, dass auch einige „Freunde" aus der Zeit mit Georg anwesend waren, die sie seltsamer Weise herzlich begrüßten und so taten, als hätten sie schon im Sandkasten zusammen gespielt, obwohl sie altermäßig gut eine Generation trennte. Sie gratulierten ihnen zur Vermählung, zu ihrem Erfolg, musterten Felix neugierig.
Der lächelte charmant in die Runde, bedankte sich artig, war ganz der nette Gentleman. Doch in ihm brodelte es. Er wusste, wie diese Menschen Maja nach Georgs Tod und eigentlich auch schon vorher behandelt hatten.
Warum schleimten sie ihr denn jetzt so her? dachte er und nahm sie noch fester in den Arm.Nach einiger Zeit lotste er sie weg. „Falsches Pack!" zischte er durch die Zähne. Maja lächelte ihn dankbar an.
Sie gingen langsam durch die Halle, fühlten sich ein wenig fehl am Platz. Und um das Maß voll zu machen, fiel Felix' Blick auch noch auf Larissas Eltern. Die erstarrten kurz, gingen aber dann direkt auf ihn zu.
Maja spürte, wie sich seine Hand in ihrer Taille verkrampfte, sah ihn fragend an.
Doch da stand das Ehepaar schon vor ihnen.
„Hallo, Felix!" sagte Herr Sanders ernst, und sein Blick schien irgendwie bittend zu sein.
Sie hatten den jungen Mann ein paar Mal getroffen, als Larissa in der Anfangszeit noch in der Einliegerwohnung bei ihren Eltern lebte, und gehofft, er wäre der feste Freund ihrer Tochter. Sie hatten sich zwar etwas gewundert, dass der hübsche Kerl an Larissa interessiert war, doch sie hatten ja damals auch noch liebenswerte Züge an ihr gesehen.
Doch bald war ihnen schon ein Licht aufgegangen, was Felix Steiner in ihr Haus führte. Sie hatten ihn nicht verurteilt, die jungen Leute lebten eben anders als sie früher. Er war immer höflich gewesen, hatte auch ein paar Worte mit ihnen gewechselt, und ihre Tochter war nach seinen Besuchen immer besonders gut drauf.„Hallo, Herr Sanders, Frau Sanders!" Er gab ihnen widerwillig die Hand. „Meine Frau, Maja Steiner!" stellte er vor. Das Ehepaar gab auch ihr die Hand. Um sie herum verstummten die Gespräche, alle sahen neugierig zu, wie sich das Aufeinandertreffen entwickelte.
Majas Magen hatte sich verkrampft, als sie die Namen gehört hatte.
Flucht! war ihr erster Gedanke.„Wie geht es?" fragte der Vater der Teufelin doch tatsächlich.
„Den Umständen entsprechend gut, danke!" stieß Maja hervor, bevor Felix die richtigen Worte finden konnte.
Die Mutter legte eine Hand auf Majas Arm, die zurückzuckte, als ob ein giftiges Tier sie gebissen hatte.
Frau Sanders hatte Tränen in den Augen. Wie viel Schmerz hatte ihre kranke Tochter dieser schönen jungen Frau zugefügt!„Es tut uns sehr Leid, was geschehen ist!" sagte sie leise. „Aber das konnten wir nicht vorhersehen! Das konnte niemand!"
Majas Augen wurden auch feucht.
Die Frau hatte ja Recht!
Sie waren unschuldig daran, was Larissa ihnen angetan hatte.
Sie griff nach ihrer Hand, drückte sie. „Das ist richtig!" antwortete sie kaum hörbar. „Es war sicher auch für Sie nicht leicht!"
Felix sah seine Frau bewundernd an.
Sie tröstete die Eltern der Mörderin ihrer eigenen Eltern.
Herr Sanders nahm Maja in den Arm. „Danke! Es wäre uns sehr wichtig, dass Sie unserer Familie verzeihen!"Die umstehenden Gäste sahen die Szene mit großer Verwunderung.
Sie hatten auf Streit, einen Skandal, laute Worte, Beschimpfungen gehofft und erlebten ein ruhiges Gespräch unter Erwachsenen, die unter Larissa Sanders gelitten hatten.„Wir haben von ihrem Erbe ein Stiftung gegründet, die Ihre Sozialstation unterstützt!" wagte Frau Sanders zu berichten.
Felix sah sie erstaunt an.
Sein Vater hatte ihn schon informiert, dass immer wieder anonym Gelder auf dem Konto eintrafen, aber er hatte gedacht, Majas Spendenaufruf bei der Preisverleihung in Hamburg hätte das initiiert.
„Danke, das ist gut zu hören!" stieß er schließlich hervor.„Wir würden uns auch gerne weiter engagieren an Ihren Projekten!" erklärte Herr Sanders „Und unser Sohn auch."
„Man kann nichts mehr ungeschehen machen!" fügte seine Frau hinzu. „Aber, falls wir doch schuld sind, können wir versuchen, ein bisschen davon abzutragen!"
Felix konnte nun nicht anders, als den Arm um die Frau zu legen.
Wie konnten solche Menschen ein Monster wie Larissa aufziehen!
„Es ist gut! Wir machen Sie wirklich für nichts verantwortlich, was geschehen ist! Aber wir freuen uns über jede Unterstützung, die von Herzen kommt!" versicherte er.Dann ertönte der Gong, das Programm der Gala begann. Alle setzten sich auf die vorgesehenen Plätze. Maja und Felix teilten sich einen Tisch mit zwei Stadträten und zwei Wirtschaftsbossen nebst Gemahlinnen.
Alle lächelten dem hübschen Paar freundlich zu.
Es folgte eine Reihe von Reden, hochrangige Gäste wurden namentlich begrüßt, Vereine wurden ausgezeichnet für Jugend- oder Integrationsarbeit, Einzelpersonen für langjährige Betätigung im Ehrenamt, Betriebe für soziale Fürsorge für ihre Beschäftigten.
Dazwischen gab es mehrere Gänge eines vorzüglichen Menüs, ein bisschen Smalltalk am Tisch.
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Der Hass wird nicht siegen
RomanceMaja, eine sehr junge schöne Witwe, schreibt zwar sehr erfolgreich Geschichten unter einem Pseudonym, ist aber grenzenlos einsam in dem riesigen Haus, in das sie ihr Ehemann mehr oder weniger eingesperrt hatte. Als sie einen Artikel über Callboys li...