Kapitel 22 - 2006 - Fortsetzung

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Zur Feier ihres Coups, der ihr eine solche Befriedigung verschaffte, lud Felix sie zum Essen in einen Nobelschuppen ein.
Er war hier schon oft gewesen, mit wechselnder weiblicher Begleitung, der Ober kannte ihn, wusste auch über seinen ehemaligen Job Bescheid, eine Tatsache, die Felix dummerweise vergessen hatte.

Maja wunderte sich über die Blicke, die der Mann ihr zuwarf: Erstaunt traf es am ehesten.
Plötzlich machte es Klick in ihrem Kopf!
Das war jetzt nicht wahr!
Er hatte sie nicht wirklich in dieses Lokal gebracht, in das er sich von seinen Kundinnen hatte ausführen lassen!
Zuerst wollte sie wütend werden, doch dann begann sie zu lachen. Das war ja wohl dann ein Zeichen, dass er seine Vergangenheit vergessen hatte, sonst hätte er ihr das nie angetan.

Er sah sie an, als sie lachte, er wusste genau, was in ihrem hübschen Köpfchen vorging.
Er war ein solcher Idiot!
Aber sie lachte! Sie hatte wieder einmal verstanden. Zur Sicherheit setzte er seinen unschuldigsten Dackelblick auf, was sie noch mehr zum Lachen brachte.
Doch so ganz ungeschoren ließ sie ihn nicht davon kommen!
Als der Ober mit dem Aperitif zurückkam, sagte sie so laut, dass es im ganzen Lokal zu hören war.

„Also, Bruderherz, trinken wir auf unseren gemeinsamen Vater und unsere beiden Mütter!"
Karl war zufrieden! Ah, seine Halbschwester war das, keine Kundin! Aber er war schon lange nicht mehr dagewesen, der gutaussehende junge Mann, der alle Frauen immer wie Königinnen behandelt hatte, egal, wie alt sie waren oder wie hässlich!

Felix konnte vor Lachen kaum einen Schluck trinken. Das kleine durchtriebene Biest!
Das hieß also für heute: Keine Zärtlichkeiten, keine vorsichtigen Berührungen oder Küsse, nicht einmal verliebte Blicke.
Bruder und Schwester!
Aber er hatte es ja nicht anders verdient!
„Komm du mir heute nach Hause!" flüsterte er ihr zu und grinste sie an.
„Ich glaube, dass ich das Nudelholz schneller finde als du!" flüsterte sie zurück.

Es wurde trotzdem ein lustiger, wundervoller Abend.

Vor der Türe nahm er sie erst einmal in den Arm und küsste sie leidenschaftlich.
„Das, das, das ist Inzucht!" stöhnte sie danach.
„Du bist ein freches Biest!" gab er zurück. „Du kannst nie und nimmer meine Schwester sein!"

„Na, heute hatte ich nur die Wahl, deine Kundin oder deine Schwester zu sein!" gab sie zu bedenken, und sie konnte schon fast so unschuldig und herzerweichend dreinschauen wie er.

„Ich fresse dich jetzt auf! Ich schwör's dir! Wenn du nicht aufhörst, so zuckersüß zu sein, fresse ich dich an Ort und Stelle auf!" hauchte er verrückt vor Sehnsucht nach diesem goldigen Kobold in ihr Ohr.

Das war ihr dann doch zu gefährlich! Sie ließ sich in den Arm nehmen und zu seiner Wohnung bringen, froh darüber, dass er sie so festhielt.
Eigentlich hatten sie ja zu ihr gewollt, aber Autofahren konnte im Augenblick keiner von ihnen.

Im Oktober hatte er einen fetten Auftrag an Land gezogen. Längst war es ihm klar, dass sie seine Muse war. Die Ideen für Spiele und Apps, für Buchhaltungs- und Graphikprogramme sprudelten nur so aus seinem Kopf. Die Fachpresse hatte ihn entdeckt und begeistert besprochen, Verlage und Firmen bestellten blind von seiner Homepage.

An diesem Tag meldete sich zum ersten Mal ein Dax-orientiertes Unternehmen bei ihm, bestellte eine modifizierte Version eines seiner Programme mit einem Vertrag auf Updates für fünf Jahre. Das kam einer Lizenz zum Gelddrucken gleich. Er hatte es geschafft!

Er holte sie ab, verriet aber nichts von seinem Erfolg, auch nichts von seinen Plänen. Sie sah zwar das Dauergrinsen in seinem Gesicht, aber sehr unglücklich sah er ja eigentlich nie aus. Sie wunderte sich nur, dass er gleich zu einem Ausflug aufbrechen wollte – ganz ohne Zwischenstopp im Schlafzimmer, was eher die Ausnahme war.
Aber sein Dackelblick siegte über ihre Einwände. Wenn diese grünen Augen sie so bittend ansahen, schmolz jeder Widerstand.
„Was soll ich anziehen, wandern oder schick?" fragte sie in Kurzfassung.
„Bequem!"
„Okay!"

Sie fuhren auf die Autobahn, sie freute sich über seine verliebten Blicke, seine gerade noch im Straßenverkehr zugelassenen kleinen Zärtlichkeiten, sein mehr als glückliches Lächeln, freute sich über ihn, aber auch an ihm. Der lange Lulatsch neben ihr, im knappen T-Shirt, die engen Jeans spannten sich um seine Oberschenkel, die Haare, wie immer etwas zu lang und leicht verstrubbelt, ein leichter Bartschatten, oh, oh! Er war schon echt ein Hingucker! Sie schloss lieber die Augen oder sah zum Fenster hinaus.
Er verstand ihre Blicke, freute sich wie immer darüber, dass er ihr gefiel.

Sie fuhren und fuhren, sie wusste gar nicht, wie sie bis München gekommen waren. Es war auch egal! Sie war so glücklich neben dem hübschen Kerl, atmete sein Aftershave ein, das ihr die Sinne vernebelte, gab ihm hin und wieder einen Klaps auf die Finger, wenn er unter ihren Rock und noch weiter wollte, trank sein übermütiges Lachen, wollte eigentlich heulen vor lauter Liebe, konnte es aber nicht, weil sie so lachen musste vor Glück.

Felix bekam langsam Konzentrationsschwierigkeiten. Er hatte nicht so recht bedacht, wie ihre Nähe auf ihn wirkte, wenn sie so lange so dicht neben ihm saß! Wenn ihre schönen Beine nicht aus seinem Blickwinkel gingen, wenn sie ihn so süß von der Seite ansah, wenn sie so gut duftete, wenn sie mit einer Strähne ihres wunderbaren Haares spielte! Aber da musste er durch!

In Rosenheim wurde sie dann doch neugierig.
„Das wird aber ein weiter Ausflug!" wandte sie ein.
„Hm!" sagte er nur und grinste.
Am Brenner wurde es langsam dunkel.
„Das wird aber ein sehr weiter Ausflug!" wandte sie ein.
„Hmm!" sagte er nur und grinste noch breiter.
Nach Bozen wandte sie nichts mehr ein, weil sie eingeschlafen war.
Als sie aufwachte, war es tiefste Nacht, und sie hatte keinen Schimmer, wo sie waren.

Aber das war sowieso nicht wichtig, denn Felix saß neben ihr.
„So, Bienchen, jetzt sind wir gleich am Ziel!" versprach er. Kurz danach bog er in einen Hotelparkplatz ein und stellte sein Auto vor dem Haupteingang ab. Sofort kamen zwei Pagen öffneten ihr die Türe, nahmen das Gepäck entgegen, ihres hatte er heimlich bei sich gepackt, führten sie ins Foyer.
Für Maja war der Luxus, der sie hier erwartete, nichts Neues, sie war auch mit ihren Eltern immer in sehr guten Häusern abgestiegen, und auch Georg hatte bei ihren Urlauben immer geprotzt.

Aber an der Seite von Felix, in seinem Arm, konnte sie das alles besonders genießen.
Am Empfang überraschten sie sich beide.
Er wurde von dem sehr zuvorkommenden Portier als Dr. Steiner begrüßt, mit Begleiterin Maja von Calsow, sie dankte für den netten Empfang in fließendem Italienisch und fragte süß lächelnd, wo sie denn hier wären.
Michele war natürlich hin und weg von dem schönen deutschen Mädchen mit dem klingenden Namen, das seine Sprache perfekt sprach.
„Sie sind in Malcesine am Gardasee und für immer in meinem Herzen, Signora!" antwortete er und legte seine Hand auf sein Herz.


Der Hass wird nicht siegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt