Kapitel 18 - Juni 2006 / 2

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Irgendwann gegen Mittag am nächsten Tag fanden sie aus dem Bett. Felix machte Frühstück von dem wenigen, das sich in seinem Kühlschrank fand.
„Da siehst du, dass ich auf Damenbesuch gar nicht eingestellt war!" zog er sie auf.
„Unverhofft kommt oft!" meinte sie nur, und wieder einmal erstickte er fast an einem Lachanfall.

Doch nun brannte ihr doch eine Frage auf der Seele. Sie kannte die Antwort im Grunde schon, aber sie wollte sie gerne hören.

„Warum bist du nicht mehr auf der Seite im Internet? Warum ist dein Handy tot?"

Er hielt ihrem Blick stand. „Ich habe gleich am nächsten Tag Schluss gemacht mit dem allen! Ich wollte das schon lange tun, aber ich musste ja noch warten, bis ein kleines Maja-Bienchen mich angerufen hatte!"

„Und, und gibt es noch....?" Sie wusste nicht recht, wie sie die Damen aus seiner Vergangenheit nennen sollte.
„Altlasten?" kam er ihr zu Hilfe. „Nein, von denen habe ich mich auch verabschiedet!"

„Wie?" kieckste sie. Die Eifersucht nahm ihr fast den Atem.
War er noch einmal bei ihnen gewesen in dieser Woche?
Er streichelte beruhigend ihre Hand. „Am Telefon, Süße! Ich habe gesagt, ich muss ein Jahr ins Ausland. Ich werde nie wieder mit einer anderen Frau schlafen, Maja! Ich könnte es gar nicht mehr!"

„Gut!" brachte sie gerade noch heraus.
Dann wollte sie aber noch mehr wissen, musste ihn besser verstehen lernen.
„Warum hast du eigentlich damit angefangen?"

Und er erzählte ihr vollkommen offen und schonungslos die ganze Wahrheit.
Vom chronischen Geldmangel zu Hause, weil seine Mutter so ein Gutmensch war, von den Jobs während seiner Schulzeit, wegen denen er kaum zum Lernen gekommen war, von Larissas Angebot, vom guten Leben, an das er sich schnell gewohnt hatte.

Von seinem Hauptjob, der anfangs große Investitionen nötig gemacht hatte, davon, dass er dann einfach den Absprung verpasst hatte, von den vier Frauen, die irgendwie abhängig von ihm geworden waren, die er nicht vor den Kopf stoßen wollte.
„Da hast du wohl das Gutmenschsein von deiner Mutter geerbt!" zog sie ihn auf.
Sie war froh, ihn gefragt zu haben, verstand jetzt einiges besser.

Er lächelte sie an, dankbar, dass sie nicht den Stab über ihm gebrochen hatte.
„Ich habe mir, ehrlich gesagt, auch nicht viel dabei gedacht! Ich habe niemandem geschadet, niemanden betrogen oder abgezockt." Er wurde nachdenklich. „Aber seltsam ist das schon, wie man mit zweierlei Maß misst! Wenn Frauen für Geld mit Männern schlafen, sind sie Nutten oder Huren und man sieht auf sie herunter. Bei Männern ist man da irgendwie großzügiger, findest du nicht?"

„Schon, ja! Ich meine, wenn ich jetzt eine Escort-Lady wäre, säße ich wohl nicht hier, oder?" Irgendwie hatte er schon recht. Wie abwertend hatte sie über die Frauen gesprochen, mit denen Georg sich vergnügt hatte. Und was hatte sie getan? Hatte sich das männliche Pendant nach Hause geholt, in sein Haus.
Er ahnte ihre Gedanken. „Du vergleichst dich aber jetzt nicht mit Georg, oder? Oder mich mit seinen Damen?"

Und ehe sie sich versahen, steckten sie mitten in einer Grundsatzdiskussion. Argumente flogen hin und her, Ansichten prallten aufeinander. Aber es war kein Streit, es war der offene Gedankenaustausch zweier gleichberechtigter Personen.

Und seltsamer Weise genossen beide das Wortgefecht unendlich. Sie merkten, sie mussten sich nicht nach dem Mund reden, sie konnten durchaus unterschiedlicher Meinung sein, denn sie waren freie Menschen. Und sie wussten auch, dass sie über alles offen reden konnten.

„Ich werde diese Mischa aufsuchen!" verkündete Maja schließlich.
„Mischa? Die Nutte, entschuldige, die Dame, bei der dein Mann gestorben ist?" fragte er fassungslos.
„Ja! Ich muss mit ihr sprechen! Und ich werde ihr Geld geben von seinem Erbe! Ich will es nicht, ich brauche es nicht, und ihr tut es vielleicht gut!

Der Hass wird nicht siegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt