Kapitel 42 - Ab Weihnachten 2007 / 3

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Es wurde ein lustiger Abend. Eine Zeit lang schalteten sie Felix über Skype zu.
„Das ist praktisch!" scherzte er. „Ich mach eine Strichliste, wer sie wie lange anguckt. Vor allem bei unserem Italian-Boy werde ich sehr aufmerksam sein!" drohte er auf Italienisch.
Maja wunderte und freute sich, wie gut drauf ihr Hübscher immer war, ganz so, als hätte die Trennung oder vielmehr, dass sie sich wieder gefunden haben, eine neue Leichtigkeit in ihm ausgelöst.

Damit lag sie gar nicht so falsch.

Felix merkte selbst, dass er sich verändert hatte. In der Zeit vor Maja war er eher ein Einzelgänger, eben ein Computerfreak gewesen. Seine Freizeit hatte er lange Zeit meistens mit Frauen verbracht, die ihm nichts bedeuteten, er hatte die Rolle gespielt, die gerade gewünscht wurde: die des heißen Liebhabers, des kultivierten Reisebegleiters, des Opernfans, der Dinnergastes, des Kunstverständigen.

Dann hatte er Maja kennengelernt, sich verliebt bis über beide Ohren. Da hatte er anfangs viel Angst gehabt, etwas falsch zu machen, etwas falsches zu sagen. Als er langsam sicherer wurde, wollte er alles für sie tun, damit sie sich gut fühlte, wollte ihr die Welt zu Füßen legen, aber er wurde langsam lockerer, auch extrovertierter, hatte Spaß an den Treffen mit Freunden.

Als sie weg war, interessierte ihn sowieso nichts mehr. Dann kam der Knast, und er musste bei geistiger Gesundheit überleben. Er legte sich eine Art Galgenhumor zu, wurde schlagfertiger, um nicht unterzugehen bei all den schweren Jungs.
Als sie begonnen hatten, ihn zu respektieren, blieb er bei dieser Lässigkeit, um ihnen zu zeigen, dass er einer von ihnen war, dass sie ihm vertrauen konnten.
Und als er gemerkt hatte, dass Maja auch den lustigen Felix mochte, war er dabei geblieben.

Kurz bevor Felix sich ausklinkte, sprach Stefano sein Problem an.
Verwundert sah Felix in die Kamera. „Heißt das jetzt im Klartext, dass du die Kleine heiraten willst, obwohl sie dich so böse linken wollte? So ein Kind hast du aber eine Weile an der Backe, Junge!"
Seine Worte gaben Stefano auch wieder zu denken.

Benedikt war ganz Felix' Meinung. „Überleg dir das gut! Geheiratet ist schnell, geschieden nicht! Und dann ist da das Kind, auch in deinem Herzen, mit Sicherheit, wie ich dich einschätze!"

Kai überlegte ein bisschen länger. „Bist du jetzt verliebt in Sarah oder verknallt oder findest du sie süß oder macht sie dich im Moment nur an?" fragte er.

Chris verstand wie Felix die Gedankengänge von Stefano gar nicht. Eine Frau, die einen so reinlegen wollte, konnte man doch nie und nimmer heiraten! Da konnte sie so süß und heiß sein, wie sie wollte! Nico war voll seiner Meinung.

„Aber italienische Männer ticken ein wenig anders als deutsche!" wandte Stefano ein. „Bei uns sind die Familie und die Ehre einer Frau wichtig!"

„Das ist ja gut und schön!" meldete sich Felix wieder zu Wort. „Bei uns zählt die Ehre einer Frau übrigens auch viel, so ist es ja nicht, mein Junge! Aber es zählen auch Ehrlichkeit und Vertrauen! Und wenn es daran schon im Vorfeld fehlt, weiß ich nicht, was das für eine Ehe werden soll, sorry!"

Maja übersetzte, hörte zu, machte sich so ihre Gedanken. Sie kannte Stefano am besten. Was sollte sie ihm raten?
„Hättest du daran gedacht, sie zu heiraten, wenn sie nicht schwanger wäre?" fragte sie schließlich, und die Jungs wussten, dass das die einzige Frage war, die Stefano vor sich selbst mit ja beantworten musste!

Der Italiener lachte. „Nein, natürlich nicht! Ich beschließe normaler Weise nicht zweimal innerhalb von ein paar Monaten zu heiraten!"
„Und könntest du dir vorstellen, mit ihr zusammenzubleiben und auszutesten, ob du den Wunsch verspürst, sie zu heiraten?"

Stefano überlegte eine Weile. „Zusammen bleiben ja, heiraten, ich weiß nicht! Ich bin eigentlich nicht so verrückt aufs heiraten. Das war nur bei dir, weil ich das Gefühl hatte, ich müsste dich festhalten! Was dann ja auch prima geklappt hat!" sagte er ironisch und grinste Felix auf dem Bildschirm an.

Der zeigte ihm den Stinkefinger, etwas, was er auch noch nie gemacht hatte.
Maja kicherte. „Frecher Lümmel! Böser Junge!" flüsterte sie.
„O ja! Sehr böser Junge!" Sie hatte das Telefon am Ohr, die anderen hörten ihn nicht. „Also Süße, diskutiert das aus, ich leg mich hin, um sechs ist die Nacht zu Ende. Ich liebe dich! Und pass auf, dass das Ganze nicht aus Versehen die Wendung nimmt, dass du ihn heiratest!"

„Kasper! Ich liebe dich! Schlaf gut!" antwortete sie.
„Ohne dich? Never!" brummte er und schaltete sich ab.

Er lag dann auch noch eine Weile wach. Die Unterhaltung übers heiraten hatte ihn ein wenig verstört. Maja und er hatten noch nie auch nur ansatzweise darüber gesprochen. Wollte sie? Warum wollte sie den anderen nach ein paar Monaten heiraten? Wartete sie darauf, dass er sie fragte?

Aber in seiner jetzigen Situation konnte er das unmöglich.
Wenn sie nicht weggelaufen wäre, hätten sie dann darüber gesprochen, über die Zukunft, womöglich über Kinder?

Wollte er heiraten? Wollte er Kinder? Erwartete sie eine klare Ansage von ihm? War das ein Thema, das sie beschäftigte, oder dachte sie, wie er glaubte zu denken, nämlich, dass es wichtig war, zusammen zu sein, aber dass so ein Zeremoniell unnötig war, um glücklich zu sein.
Oder wollte er doch heiraten, hatte Angst vor ihrer Antwort? Hatte er Angst, dass sie ihm weniger vertraute als dem anderen?

Hätte sie ihn damals geheiratet, wenn er sie gefragt hätte? Seine Gedanken drehten sich wie im Karussell, und wenn er so weiter machte, würden wieder ein paar Teile an die Wand krachen!
Er hasste es wie die Pest, dauernd von ihr getrennt zu sein, wenn er Probleme mit ihr besprechen wollte! Er brauchte sie hier bei sich! Sie sollte seine Probleme lösen, nicht Stefanos!

In der Wohnung ging die Diskussion munter weiter.
„Jetzt sag einfach du, kluges, deutsches Mädchen, was ich machen soll!" bat Stefano schließlich.

„Was dein Herz dir sagt!" erklärte Maja. „Und wenn ich das richtig einschätze, sagt dein Herz, dass du nicht heiraten möchtest, aber dass du mit ihr im Moment gerne zusammenwärst! Ganz egal, was daraus wird. Deshalb solltest du mit Sarah, mit ihren Eltern, mit deinen und auch mit dir vereinbaren, dass ihr eben ohne Trauschein zusammenlebt, was auch in Sizilien kein Weltuntergang sein dürfte."

Ja, dachte Stefano, so würde er es machen! Er verabschiedete sich, wollte Sarah diesen Vorschlag machen. Sie würde enttäuscht sein, bei seinem letzten Anruf hatte er ein wenig anders geklungen. Aber Maja hatte Recht, er konnte sich auf dieses Abenteuer nicht einlassen. Dafür war eine Ehe zu ernst, das musste auch die Kleine verstehen.

Als sie alleine war, begann Maja zu grübeln. Dieses ganze Gerede übers heiraten hatte sie etwas durcheinander gebracht.
Sie verstand mit keinem einzigen Gedanken in ihrem Kopf mehr, warum sie Stefano hatte heiraten wollen!

Wie war sie denn bloß auf diese Schnapsidee gekommen?
Weil sie einen Schussstrich unter ihre Gefühle mit Felix ziehen wollte!
Weil sie dann nicht mehr auf ein Wiedersehen mit der Liebe ihres Lebens hoffen durfte, wenn sie die Frau eines anderen Mannes war.
Weil sie frei sein wollte von dieser immer wieder kehrenden Sehnsucht!
Weil sie Felix nicht mehr lieben wollte!

Mit ihm war das Thema heiraten nie eines gewesen. Sie wäre gar nicht auf die Idee gekommen, noch einmal eine Hochzeit über sich ergehen zu lassen, und er schien auch nicht daran zu denken!
Sie waren glücklich zusammen, mehr brauchten sie doch beide nicht!
Und jetzt, nach dieser schlimmen Trennung?
Sie horchte in sich hinein. Nein, sie wollte auch jetzt nicht heiraten, es bedeutete ihr nicht das Geringste!

Und wenn er wollte, wenn er sie fragte? Später? Nach der Entlassung?
Scheinbar gehörte es für ein Paar irgendwie dazu, einmal die Ehe zu schließen.
Aber wofür sollte das gut sein? Warum waren Frauen noch immer so erpicht darauf, einen Ring am Finger zu tragen?

Sie sah auf die Uhr. Halb Zwölf! Sie wollte ihn unbedingt anrufen!
Ob er schon schlief? Dann weckte sie ihn eben auf!
Er würde schon nicht sterben daran!


Der Hass wird nicht siegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt