2. Prolog Teil 2 Cale Burkatssohn

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Cale Burkatsohn lag in seiner Dachkammer auf seinem Bett und zählte seine Ersparnisse. Er würde einiges an Geld opfern müssen wenn er die Erlaubnis von seinem Onkel erhalten wollte. Dies war leider ein notwendiges Übel.
Seufzend betrachtete er die Sammlung der von ihm geschnitzten Figuren. Er war geschickt mit dem Messer und auf den wöchentlichen Märkten in Gil'ead verkauften sie sich nicht schlecht. Durch sie hatte er das notwendige Geld anhäufen können.
Die meisten seiner Figuren stellten entweder Helden des Krieges gegen Galbatorix dar oder andere berühmte Persönlichkeiten der Geschichte. Immer wenn er eine Person aus längst vergangener Zeit im Holz verewigte musste der junge Mann an seinen Vater denken. Burkat war offiziell ein Buchbinder gewesen. Inoffiziell hatte sich sein Vater der Aufgabe verschrieben gehabt Wissen zu bewahren. Besonders das Wissen, welches Galbatorix als Ketzerei eingestuft hatte. Viele bedeutende Wahrheiten waren dem Wahnsinn und der Paranoia des Tyrannen zum Opfer gefallen. Für Cale hatte es nichts Schöneres gegeben als seinem Vater zuzuhören der Geschichten über die Drachenreiter und die goldene Vergangenheit erzählte. Diese glücklichen Zeiten hatten unglücklicherweise vor zwei Jahren ihr Ende gefunden. Ein Gelehrter namens Jeod hatte mit Segen der Königin einen Aufruf gestartet. Gelehrte aus dem ganzen Reich sollten alte Texte und verbotene Schriften zusammentragen um etwas von dem zu retten was unter Galbatorix Herrschaft in Vergessenheit geraten war. Auch Burkat war diesem Aufruf gefolgt. Leider hatte daraufhin das Schicksal zugeschlagen. Immer noch gab es Anhänger der alten Ordnung, die versuchten Galbatorix Tod durch die Hand des Schattentöters Eragon zu rächen. Die Versammlung der Gelehrten hatte solche Elemente angezogen. Eine Gruppe ehemaliger Soldaten in Begleitung eines Magiers, von Galbatorix so genannter schwarzer Hand, hatte ihren Versammlungsort gestürmt und ein Blutbad angerichtet. 10 Gelehrte waren getötet worden darunter leider auch Cales Vater. Daraufhin war die Mutter des damals 14 jährigen gemeinsam mit ihrem Vater zu Cales Onkel gezogen. Hanbar hieß der Mann und war leider das völlige Gegenteil vom Vater des Jungen. Er war kein schlechter Mensch und hatte auch keine Laster wie das Trinken oder Glückspiel aber leider gab es für ihn auf der Welt nichts anderes als seine zwei Felder die er in jedem Jahr mit Steckrüben und Mais bepflanzt. Einmal ein anderes Saatgut zu wählen war undenkbar und für Bildung oder die Geschichte hatte er überhaupt keinen Sinn. Es gab nur die Arbeit.
Dieser Umstand war schuld daran, dass Cale nie wirklich warm mit seinem Onkel geworden war. Sie waren zu verschieden. Wissen über die Kultur anderer Rassen, wie zum Beispiel der Elfen, lag völlig jenseits von Hanbars Horizont. Er hatte auch absolut kein Verständnis dafür, dass sein Neffe sich für solche Dinge interessierte.
Glücklicherweise hatte Cale noch sein Großvater. Dieser war aus demselben Holz geschnitzt wie sein verstorbener Sohn. Die Liebe das verschollene Wissen zu sammeln war in der Familie von Cales Vater über Generation weitergegeben worden. Ebenso wie das Wissen über die alte Sprache und die Magie. Sowohl sein Vater als auch sein Großvater hatten den Jungen eingeschärft niemandem von seinem Talent zu erzählen. Von der Magiergilde der Königin hielten sie nicht viel. Bisher hatte Cale ihre Wünsche in diesem Punkt immer geehrt. Schließlich war das was sein Vater ihm beigebracht hatte, das einzige was ihm an Erbe geblieben war.
Noch einmal ließ Cale seinen Blick über die illustre Sammlung von Helden schweifen die, natürlich nur als geschnitzte Figuren, in seinem Zimmer versammelt waren. Unter ihnen war beispielsweise Imstrad. Der Drachenreiter der alten Zeit, der zu den wenigen gehörte die einen Schatten besiegt hatte. Dann war da noch Vrael und sein Drache Umaroth sowie Oromis und Glaedr. Die letzten Beiden sollten angeblich im großen Krieg gegen Galbatorix über Gil' ead gefallen sein. Natürlich hatte Cale sich auch an den Helden des großen Krieges versucht. Königin Nasuada, der heutige Graf des Palancartals Roran Hammerfaust sowie die Elfe und spätere Drachenreiterin Arya. Letztere war, wenn die Gerüchte stimmten, die Frau von Eragon Schattentöter. Einige sagten zwar, dass Elfen nicht heiraten würden aber Details über ihre Kultur waren auch in der heutigen Zeit eine Seltenheit. Nur einmal hatte Cale sich getraut den Reiter der blauen Drachendame Saphira im Holz zu verewigen. Die beiden großen Helden im Kampf gegen Galbatorix hatten einen Ehrenplatz in seiner Sammlung. Nie wäre er darauf gekommen eine Figur der beiden zu verkaufen. Damit hätte sich zwar sicher viel Geld verdienen lassen aber es wäre ihm falsch vorgekommen. Die beiden waren seine größten Helden und so zollte er ihnen Respekt.
Laute Stimmen aus dem Esszimmer des kleinen Bauernhauses verrieten, dass offenbar eine neue Runde im ewigen Kampf zwischen Cales Großvater und seinem Onkel ausgebrochen war. Der Junge seufzte. Nicht eben die besten Voraussetzungen für das Gespräch das er führen wollte. Leider hatte er keine Wahl.
Zwar lag ihr Dorf Isencroft in der Nähe von Gil' ead doch zu Fuß brauchte man etwa zwei Tage um die ehemalige Garnisonsstadt zu erreichen. Über den See ging es natürlich schneller. Isencroft lag am Ufer des Isenstar direkt an der Stelle wo der Nimor in den See mündete. Doch eine Überfahrt mit der Fähre würde Geld kosten, welches Cale nicht hatte.
Während er die Treppe zum Esszimmer hinabstieg kam leichter Ärger bei ihm auf. Im Grunde hätte er genug Geld um eine Überfahrt zu bezahlen aber um überhaupt die Reise antreten zu können welche er sich vorgenommen hatte würde er bereits ein für ihn stattliches Sümmchen opfern müssen.
Als der 16 jährige schließlich das Esszimmer betrat hatten sich die Wogen zwischen seinem Großvater und seinem Onkel glücklicherweise bereits wieder geglättet. Inzwischen waren sie in der Phase des eisigen Schweigens angekommen. Die einzige Wärme in dem Raum ging von Cales Mutter aus die ihren Sohn freundlich anlächelte.
Dieser Gesichtsausdruck bildete einen scharfen Kontrast zu Hanbars Miene.
"Versucht erst gar nicht mich zu überreden." Brummte der Bauer. "Es stehen in den nächsten Tagen wichtiger Arbeiten auf dem Feld an. Ich kann es mir nicht leisten dich durch die Weltgeschichte ziehen zu lassen damit du Dracheneier berühren kannst. Gib es zu, danach willst Du noch fragen. "
"Und du hast nicht das Recht es meinem Enkel zu verbieten!" Begehrte Cales Großvater wütend auf. "Jeder der will hat das Recht die Eier zu berühren und niemand darf es ihm verbieten."
"Großartig! Bestärkt den Bengel noch in seinen Träumereien. Als hättet Ihr ihn nicht schon genug Flausen in den Kopf gesetzt."
"Bildung nennst du also Flausen Du alter Ackergaul!"
"Füllt Bildung dir vielleicht den Magen?" Nun geriet auch Hanbar in Rage. "Ich habe meine Schwester und euch zwei Traumtänzer in mein Haus aufgenommen und das ist der Dank? Ich muss mich von dir Tag ein Tag aus beschimpfen lassen! Solange ihr nichts beisteuert für unser Überleben muss der Junge es eben auf dem Hof abarbeiten euer tägliches Brot."
Cales Großvater Tebund wollte gerade etwas erwidern als Cale dazwischen ging. Wenn sich der Streit noch weiter hochschaukelte, so wusste der Junge, konnte er sein Vorhaben endgültig vergessen.
"Ich verstehe das dir meine Arbeitskraft fehlen würde Onkel. Deshalb will ich dich auch nicht bitten mich einfach gehen zu lassen sondern dir ein Geschäft vorschlagen."
Hanbar blickte seinen Neffen an als wüsste er nicht recht was er davon halten sollte.
"Hör dir wenigstens an, was dir der Junge vorschlagen will."Ergriff Tena, Cales Mutter, Partei für ihren Sohn. "Vielleicht hat es ja Hand und Fuß."
"Nun, anhören kann ich es mir ja." Lenkte der Onkel schließlich ein. "Wenn es wirklich was handfestes ist können wir darüber reden."
Cale setzte sich zu seiner Familie an den Tisch und öffnete seinen Geldbeutel. Vor seinem staunenden Onkel schichtete er jeweils drei Bronzestücke übereinander und legte, nachdem er fünf solche Türme aufgeschichtet hatte, noch eine Silbermünze dazu.
"Ich brauche zwei Tage bis Gil' ead, einen Tag dort und nochmal zwei zurück. Das sollte reichen damit du einen Tagelöhner anheuern kannst der meine Arbeit macht. So entsteht dir also kein Verlust und ich kann gehen. Das Silberstück ist für die Mühe, die du dir machen musst um den Arbeiter anzulernen. Schlafen kann er in meinem Zimmer und da ich nicht da bin kann er meine Portion von den Mahlzeiten haben."
"Wie bist du bitte an soviel Geld gekommen? "Wollte sein Onkel verdutzt wissen als er die Münzen vor sich auf dem Tisch betrachtete.
"Jedes Mal wenn Du zum Markt nach Gil' ead gefahren bist hab ich dort meine Schnitzfiguren verkauft. Du hast es für Zeitverschwendung gehalten. Aber wie Du siehst habe ich genug damit verdient um dir eine Entschädigung zu zahlen und mir für eine Nacht in einer Herberge Unterkunft zu mieten. Die übrige Zeit schlafe ich eben unter freiem Himmel. Zurzeit ist es warm und ich glaube nicht, dass es in den nächsten Tagen regnet. Also, wie sieht es aus?"
"Willst du nicht noch etwas zusätzliches Geld aus meinem Enkel heraus pressen?" Fragte Tebund gereizt. " Gib wenigstens zu, dass das Hand und Fuß hat."
Abwehrend hob Hanbar die Hände.
"Natürlich will ich nicht noch mehr Geld aus meinem Neffen heraus pressen." Erwiderte Cales Onkel und betonte das Wort Neffe dabei besonders. "Glaubst Du ich habe Freude daran dem Jungen einen Spaß zu verderben? Es ist nun mal so, dass man im Leben nichts geschenkt bekommt. Aber Cale hat einen vernünftigen Vorschlag gemacht. Also gut Junge! Die Sache gillt. Unter den Umständen darfst du morgen zur Drachenreiterprüfung aufbrechen. So hoch wie dein Kopf ständig in den Wolken schwebt schlüpft vielleicht wirklich ein Drache bei dir."
Zufrieden mit dem Ergebnis seiner Verhandlungen frühstückte Cale und erledigte dann seine Tagesarbeit. Abends zog er sich schnell in sein Zimmer zurück um seine Sachen zu packen. Weder fiel sein Blick auf seine Sammlung. Er glaubte nicht wirklich daran, dass ein Drache bei ihm schlüpfen würde. Er war nichts besonderes. Er war kein Held wie Eragon, die Königin oder die anderen legendären Figuren die er in Holz gebannt hatte. Die Eier zu berühren war im Grunde nur eine Art seine Helden zu ehren bevor er seine eigentlichen Ziele verfolgte.
"Du hast nicht wirklich vor zurückzukommen oder?"
Cale drehte sich um und erblickte sein Großvater der in der Tür stand. Hatte der alte Mann seine Gedanken gelesen? In der Tat hatte Cale nicht vor auf dem Hof seines Onkels zurückzukehren.
"Wenn es mit den Dracheneier nicht klappt will ich in die Magiergilde eintreten. Ich weiß, du hält nicht viel von ihnen und das hat Vater auch nicht getan aber....."
"Wir wollten nur nicht, dass du zu früh von uns weg musst Junge. Die Königin ist eine gute Fraue und du hast ein Talent, das den Menschen sicher helfen kann. Auf diesem Rübenacker hier ist es auf jeden Fall vergeudet."
Tebund zog einen kleinen, in Stoff gewickelten Gegenstand hinter seinem Rücken hervor und reichte ihn seinem Enkel. Nachdem Cale die Stoffbahnen entfernt hatte bestaunte er ein fein gearbeitetes Messer. Der Griff und die Scheide bestanden aus dunkelbraunen poliertem Holz und waren beide mit goldenen Ornamenten verziert. Als der 16 jährige staunend die Klinge blank zog glänzte diese wie reines Silber und hatte eine elegante geschwungene Form die sich schon durch die Scheide hatte erahnen lassen.
"Ein altes Erbstück unserer Familie. Ich hab sie von meinem Vater erhalten und er von seinem. Angeblich haben die Elfen dieses Messer hergestellt. Ob das wahr ist kann ich nicht sagen. Sie soll jedenfalls mal einen Drachenreiter gehört haben der angeblich mit uns verwandt gewesen sein soll. "
Diese Enthüllung traf Cale mit der Wucht eines Pferdehufs. In seiner Familie sollte es einen Drachenreiter gegeben haben?!
"Ob das stimmt kann ich nicht sagen." Fuhr Tebund fort. "Vielleicht wirst du es ja herausfinden. Ich an deiner Stelle würde nicht ganz so hoffnungslos an die Drachenreiter- Prüfung gehen."

Als Cale früh am nächsten Morgen aufbrach hatte sich der Morgennebel noch nicht aufgelöst. Fest umarmte der junge Mann seine Mutter und sein Großvater. Auch seinem Onkel reichte er kameradtschaftlich die Hand. Er wollte kein böses Blut mit dem Bruder seiner Mutter. Wenn er Aufnahme in die Magiergilde finden würde, würde er seiner Familie Geld schicken. Magier im Dienste des Reiches wurden schließlich bezahlt. Viel geschlafen hatte der 16 jährige nicht in der zurückliegenden Nacht. Die Enthüllung seines Großvaters hatte seine ohnehin lebendige Fantasie weiter angestachelt.
Trotzdem konnte Cale sich nicht vorstellen, dass ein Drache bei ihm schlüpfen würde. Er hatte also vielleicht einen berühmten Vorfahren. Das konnten viele Leute von sich behaupten. Es änderte nichts an der Tatsache das an ihm nicht viel besonderes war das ein Drache anziehend finden würde.

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt