133. Von Angst und Nähe

1.2K 59 2
                                    


Im letzten Licht des scheidenden Tages klaubte Cale einige trockene Zweige vom Boden auf. In den frühen Morgenstunden des vergangenen Tages hatte sich die Gruppe der reisenden Drachenreiter getrennt.
Eragon, Arya und der Elf Aylon setzten ihren Flug in Richtung der Hauptstadt Ilirea fort während Cale und Ismira mit ihren Drachen dem Außenposten zu strebten wo bis vor kurzem noch der Schatten-Ra zac gefangen gehalten worden war. Obwohl die Lage ernst war empfand Cale doch einen gewissen Stolz. Ihm und Ismira wurde die Möglichkeit gegeben etwas zur Lösung der gegenwärtigen Krise beizutragen. Auch empfand es der junge Reiter durchaus als einen Vertrauensbeweis seiner Lehrer, dass diese ihn und seine Gefährtin erneut allein mit einem Auftrag betrauten.
Natürlich hatten die älteren Reiter und ihre Drachen die jüngeren nicht ohne einen Berg an guten Ratschlägen auf ihre Mission entlassen.
Auch Umaroth und Glaedr hatten es sich nicht nehmen lassen den jüngsten Sprösslingen des neuen Ordens ein kleines Geschenk mit auf den Weg zu geben. Die beiden Eldunari hatten soviel Kraft wie möglich in den Edelsteinen der Schwerter von Cale und Ismira gespeichert.
Trotz der notwendigen Eile war sich die nun geschrumpfte Reisegruppe jedoch einig, über Nacht zu rasten. Anarie und Tailon hatten zwar protestiert und behauptet sie könnten ohne weiteres die Nacht durch fliegen aber ihre Reiter hatten sich nicht überreden lassen. Es war nur zu verständlich, dass die beiden Jungdrachen sich in den Augen ihrer älteren Artgenossen bewähren wollten aber ihren Seelenpartner war die Erschöpfung der Geschwister nicht verborgen geblieben. Bereits der Flug nach Vroengard, der in aller Eile stattfinden musste, war eine Strapaze für die beiden jüngeren Drachen gewesen und lange hatten sie nicht neue Kraft schöpfen können. Zwar hatten auch hier die Eldunari der alten Meister des Ordens Lebenskraft gespendet doch auf die Dauer gab es keinen Ersatz für eine vollwertige Mahlzeit und einige Stunden Schlaf. Man war schließlich über ein gekommen im ersten Licht des Morgens wieder aufzubrechen.
Cale glaubte nun genug Feuerholz beisammen zu haben und lenkte seine Schritte wieder in Richtung des Lagers dass er und seine Gefährtin aufgeschlagen hatten.
Während Cale auf der Holzsuche gewesen war hatte Ismira ein Feuerloch gegraben und war, so glaubte der junge Reiter zunächst, gerade dabei einen schützenden Wall aus Steinen um die zukünftige Feuerstelle zu errichten. Im näher kommen jedoch erkannte Cale, das Ismira offenbar völlig in Gedanken war. Sie saß am Rande eines kleinen Wäldchen auf einem Baumstamm und starrte auf den letzten Stein in ihren Händen der an der Begrenzung der Feuerstelle noch fehlte.
Irgendetwas störte Cale an diesem Bild. Er konnte nicht genau sagen was. Die Aura die Ismira um gab war ihm irgendwie fremd.
Erst als der junge Reiter noch einige Schritte näher gekommen war er kannte er, das Ismira leise weinte. Deutlich zeichneten sich im letzten Licht der Sonne Tränenspuren auf ihren Wangen ab.
Cale trat leise näher und erst als er den Stapel Feuerholz in seinen Armen ablegte und sich neben Ismira ins Gras hockte schien ihm die junge Frau zu bemerken. Hastig begann sie sich die Augen zu reiben und versuchte ihre Trauer zu verbergen.
"Sagt mir jetzt bitte nicht, dass du nur was im Auge hast." Legte Cale entschieden fest.
"Ist aber so." Nuschelt Ismira und versuchte sich wieder der halb fertigen Feuerstelle zu wittmen. Hastig drückte sie den letzten Begrenzungsstein an seinem Platz und wollte sich am Kochgeschirr zu schaffen machen.
Cale jedoch hatte nicht vor seiner Gefährtin so einfach zu machen. Kurzerhand legte er einen Arm um ihren Rücken, hakte den anderen in ihre Kniekehlen ein und hob die junge Drachenreiterin einfach auf seine Arme. Danach lenkte er seine Schritte zu dem kleinen aber schon Ort welchen er auf seiner Holzsuche in dem Wäldchen entdeckt hatte. Dabei ignorierte er konsequent Ismiras Zappeln und ihren Protest.
Nachdem sie den halben Weg zurückgelegt hatten erstarb Ismiras Widerstand, sie verschränkte stattdessen wütend die Arme von vor der Brust und weigerte sich Cale auch nur anzusehen. Daran änderte sich auch nichts als der junge Mann sie schließlich am Ufer eines kleinen Teiches absetzte indem sich, aus einem Quellstein am Ufer, plätschernd ein kleiner Wasserfall entleerte.
"Hübsch hier!" knurrte Ismira schließlich nach einigen Minuten eisigen Schweigens. "Hast du mich nur entführt um mir das zu zeigen?"
"Auch." bestätigte Cale die Vermutung seiner Gefährtin. "Aber vor allem habe ich gehofft, dass sich diese Anbieter zubringen könnte mir zu sagen warum du wirklich geweint hast."
"Pah!" schnappte die junge Frau. "Einem gemeinen Entführer sag ich überhaupt nichts."
Ismira unterbrach den Augenkontakt und versuchte eisern in eine andere Richtung zu blicken. Cale jedoch wollte nicht so schnell aufgeben. Zunächst versuchte er Ismira damit zu bestechen, dass er ihr einen Kuss in den Haarschopf hauchte. Als diese jedoch standhaft blieb versuchte der junge Drachenreiter es schlicht mit Ehrlichkeit:
"Ich mache mir einfach sorgen und sich Ismira. Normalerweise bist du doch die Draufgängerin von uns beiden. Stets bereit für ein neues Abenteuer. Ich möchte wissen was du hast. Bitte."
Inzwischen hatte Cale den Arm um die junge Frau gelegt und sie, trotz halbherzigen Widerstand, etwas näher an sich gezogen.
Ismira weigerte sich noch einen Augenblick und kaut auf ihrer Unterlippe herum doch schließlich gab sie auf.
"Es ist eigentlich dumm." begann sie und legte ihren Kopf auf Cales Schulter ab. Keine weiteren Worte folgten ihrer Eröffnung. Eine Weile saßen die beiden jungen Leute einfach schweigend beieinander. Cale fiel jedoch auf Widerstand Ismira war und ihm entging auch nicht das leise Zittern das durch ihren Körper lief.
"Was ist dumm?" fragte er schließlich sanft.
"Ich habe ein etwas denken müssen was einer mir bei meinem letzten Besuch in Carvahall gesagt hat."
"Anna ist doch die Magd eurer Familie oder?" erkundigte sich Cale. "Mit ihr bis zu damals gereist als wir beide zu Drachenreiter Prüfung gegangen sind oder?"
Ismira bestätigte dies indem sie einfach nur nickte. Wieder vergingen einige Augenblicke bis die junge Reiterin weiter sprach: "Ja, genau das ist sie. Schon bevor wir aufgebrochen sind da sie der Meinung, dass bei mir nie einen Drachen schlüpfen würde. Weil ich es schließlich nichts besonderes sei wie zum Beispiel meine Tante Arya. Unter unserem letzten Besuch hatte gesagt, dass es jedoch ganz gut wäre das ich zur Reiterin geworden wäre war ich sowieso kein anständiges Mitglied irgendeiner Frauenschaft abgegeben hätte."
"Das hat sie doch sicher nur im Spaß gesagt." vermutete Cale.
"Natürlich war das nur ein Scherz von ihr." Im Ismiras Stimme schlich sich ein Hauch von Verzweiflung ein der sich durch ein leichtes Zittern ausdrückte. "Aber im Grunde hat sie doch recht! Was hat sich Anarie dabei gedacht als sie mich ihrer Reiterin erwählt hat? ich bin doch nichts weiter als eine wandelnde Katastrophe! Das haben sie schon zuhause immer gesagt. Wo ich hinkomme herrscht das Chaos."
"Das stimmt doch nicht....!"
"Doch es stimmt!" Ismira unterbrach Cale mit einer Stimme in der die Verzweiflung nun nicht mehr zu über hören war. "Denkt doch nur mal an die letzten Monate! Wer ist in völliger Selbstüberschätzung in den verbotenen Wald gegangen? Wer von uns beiden hätte sich fast dabei umgebracht? Wer wollte soviel Gepäck mit auf die Reise nehmen, dass es einen ganzen Donner von Drachen gebraucht hätte um es zu tragen?! Wer von uns beiden konnte nicht einmal in Gegenwart Königs der Elfen seine Zunge im Zaum halten? Alles was ich anfasse geht schief! Und diesmal haben wir einen wirklich wichtigen Auftrag! Was wenn ich alles verderbe? was wenn dir etwas passiert oder Anarie oder....."
Weiter kann die junge Frau nicht den Sanft drückte Cale seine Lippen gegen ihre. Nach einigen Augenblicken der Überraschung erwiderte Ismira den Kurs sehnsüchtig.
Cale hatte begriffen was vor sich ging. Auf eine Weise die er kaum nachvollziehen konnte erleichterte es ihm fast. Ismira, die mutige, die Draufgängerin hatte Angst. Angst vor der großen Aufgabe die vor ihnen lag und Angst an ihr zu scheitern. Cale konnte das gut verstehen. Ihm ging es doch auch nicht anders. Das Schicksal hatte beschlossen sie auf eine Bewährungsprobe zu stellen und es scherte sich nicht darum ob die beiden jungen Reiter sich bereit fühlten oder nicht.
Eigentlich hatte Cale Ismira mit seinem Kuss nur davon abhalten wollen weiter so abfällig über sich selbst zu sprechen. Nun spürte der junge Reiter aber, dass ihm durch die zarte Berührung ihrer Lippen genauso viel Kraft zufloß wie er an Ismira abgab. Inzwischen hatte die junge Gräfin die Arme um seinen Hals gelegt und Cale; seinen Händen über ihre Hüften. Langsam ließen sich die beiden ins Gras sinken.
Cale spürte wie der gegenseitige Kuss leidenschaftlicher wurde. Erlitten trafen sich nun mit einer Sehnsucht wie noch nie zuvor. Der junge Mann hatte das Gefühl, das tief in ihm etwas erwachte. Ein Instinkt,..... ein Wunsch den er nicht richtig beschreiben konnte. Er wusste nicht was er tat aber sein Körper schien es zu wissen.
Ein wenig scheute Cale von diesem mächtigen Impuls der ihm im Aufstieg zurück. Kurz lösten sich seine Lippen von Ismiras und die beiden blickten sich in die Augen. Im Blick der jungen Frau lagen dieselben Gefühle die Cale im Moment bewegten: Unsicherheit, ein wenig Angst aber auch der übermächtige Wunsch dem andern nahe zu sein. Es fiel kein Wort zwischen den beiden. Der Blick genügte. Beide kamen sie überein dem nachzugeben was das brennen ihres Blutes sich ersehnte. Während ihrer Lippen wieder verschmolzen Cale vorsichtig seine Hand unter Ismiras Wams und ließ seine Finger über die zarte Haut wandern die er dort fand.



::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::



Praktisch gleichzeitig hoben Anarie und Tailon die Köpfe. Die beiden Jungdrachen hatten inzwischen reichlich Jagdbeute gemacht und waren dabei diese zu verzehren.
- "Jetzt? Wieso denn ausgerechnet jetzt?" - wunderte sich Anarie als die sinnlichen Gefühle ihrer Reiterin heran rollten.
Ihr roter Bruder schüttelte den Kopf das seine Schuppen raschelten und brummte nur: - "Zweibeinern! Sind einfach etwas merkwürdig." -

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt