144. Licht gegen Dunkelheit Teil 4

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 Eragon ging unruhig auf dem Innenhof der Drachenreiterquartiere auf und ab. Arya hatte die Schatulle geöffnet und untersuchte das Bruchstück des Dauthdaert, mit dem sie einst Shruikan zur Strecke gebracht hatte.
Eragon musste sich beherrschen. Er verspürte den Drang sie zu fragen, wie es voranging. Er wollte wissen ob sie unter Umständen bereits etwas herausgefunden hatte, dass es unmöglich machte Cale und Ismira zu Hilfe zu eilen. Er unterdrückte diese unnützen Fragen aber eisern.
Er kannte Arya gut genug um zu wissen, dass sie keine Zeit vergeuden würde und er hatte inzwischen genug Erfahrung mit der Magie und zu wissen, dass gewisse Dinge eben ihre Zeit brauchten.
Die Elfe jetzt anzusprechen und nach dem Ergebnis ihrer Bemühungen zu fragen wäre lediglich eine unerwünschte Ablenkung.
Der einzige Vorteil den eine solche Frage mit sich gebracht hätte wäre es, dass er kurze Zeit von den Bildern abgelenkt werden würde die durch seinen Verstand zuckten wie die Blitze eines ausziehenden Gewitters.
So sehr er sich auch bemühte immer wieder stiegen Vorstellungen ihm auf in denen er die verstümmelten Leichen seiner jüngsten Schüler sah. Auch Roran und Katrina kam ihm in den Sinn. Wenn Ismira etwas geschehen würde, der erstgeborenen Tochter seiner Verwandten, wie sollte er vor sie treten und ihnen sagen, dass es ihm nicht gelungen war sie zu beschützen.
Unwillkürlich wünschte sich Eragon plötzlich, dass er nicht zugelassen hätte das Ismira an einer Reiterprüfung teilnahm.
- "Dann hätte dein Dickkopf von einer Nichte es eben ohne deine Zustimmung gemacht." - warf Saphira ein und nötigt ihrem Reiter damit ein Lächeln ab, das allerdings nur kurz über sein Gesicht huschte.
- "Da hast du wohl recht Saphira. Ich war und bin im Grunde ja sogar glücklich, dass sie zur Reiterin berufen wurde. Sie hatte sich so sehr gewünscht und ich komme auf diese Weise zu dem Vergnügen Zeit mit meiner Nichte zu verbringen. Du weißt wie wichtig wie die Familie ist." -
- "Ja, fast so wichtig als ob du ein Drache wärst. Doch was soll ich denn sagen? Schließlich sind auch meine erstgeborenen Enkel da draußen. Darüber hinaus fühle ich mich fast einen Drachen die heute die Welt bevölkern in irgendeiner Form verbunden. Die meisten habe ich schließlich selber aufgezogen. Ich verstehe also was du gerade fühlst. Manchmal wäre es mir auch lieber sie nie das Nest verlassen." -
- "Na na!" - Umaroths vertraute Stimme mischte sich in die Unterhaltung ein. - "Ihr könnt Küken die euch am Herzen liegen vor vielen Gefahren beschützen aber nicht vor dem Leben. Lasst es mich euch so deutlich machen: Einmal fehlen ein weiser Mann und ein dummer Mann über den Rand einer Klippe. Beide konnten sich gerade noch am Ast eines Busches festhalten. Doch lange würde das zarte Gewächs ihr Gewicht nicht tragen können. Beide erkannten, dass keiner ihnen rechtzeitig zu Hilfe kommen würde und es keine Möglichkeit gab den Sturz zu überleben. Der dumme Mann begann zu weinen und zu schreien, er zappelte und versuchte wieder hinauf zu klettern und am Ende stürzte er als erster ab gerade weil er sich so viel bewegte. Er starb schreiend und erfüllt von Angst und Zorn ob der Ungerechtigkeit der Welt Der weise Mann aber verhielt sich ruhig. Er blickte sich um und erkannte, dass die Landschaft in der er sich gerade befand schöner war als auf jedem Gemälde und er entdeckte eine Beere die an dem Zweig wuchs an dem er sich festhielt. Er aß sie und es war das köstlichste was er je probiert hatte. Schließlich riss auch sein Zweig und auch er fand den Tod. Doch sein Herz war voller Frieden und Freude. Die Moral dieser Geschichte meine jungen Freunde ist: Wir alle sterben eines Tages. Selbst die Wesen die sich unsterblich nennen können durch Krankheit oder Verletzung aus dem Leben scheiden und eines Tages wird es geschehen. Wichtig ist nur wie man die Zeit die einem gegeben wurde verbringt. Verschwendet man sie mit Lebensfurcht und Selbstzweifel? Vergeudet man kostbare Augenblicke in dem man sich über die allgegenwärtige Ungerechtigkeiten des Schicksals beklagt? Wesentlich sinnvoller ist es doch die einfache Tatsache zu akzeptieren, dass unsere Zeit begrenzt ist und stattdessen das beste aus den Augenblicken zu machen die uns gegeben sind. Dabei spielt es keine Rolle ob es sich um Jahrhunderte oder Augenblicke handelt. Wenige bewusst gelebte Sekunden können mehr bedeuten als eine endlose Zeitspanne die einfach nur an einem vorbeigeglitten ist. Ihr habt Cale und Ismira gut unterrichtet. Ebenso ihre Drachen. Ihre Zeit, sollte sie denn wirklich abgelaufen sein, war erfüllt und glücklich. Das ist es was zählt. Verband jetzt also Verzweiflung und Sorge und konzentriert euch auf die bevorstehende Schlacht. Und wie ich sagte es ist keinesfalls sicher das die Zeit unserer jüngsten Schützlinge schon abgelaufen ist." -
Eragon hatte gar nicht gemerkt, dass Umaroths Erzählung ihn zum Lächeln gebracht hatte. Noch immer war er in Sorge um Ismira aber das Gefühl erfüllte nicht mehr seinen ganzen Geist aus.
- "Danke Meister." - übermittelte er und auch Saphira drückte mit einer stummen Welle von Gefühlen ihrer Dankbarkeit aus.
- "Gut, euer Geist scheint jetzt ruhig genug zu sein, dass ich euch noch einen guten Rat mit auf den Weg geben kann was euren bevorstehenden Kampf betrifft. Hört also gut zu meine jungen Freunde!" - wies die Seele des weißen Drachens Eragon und Saphira an. - "Zweifellos verfügt euer Gegner über außergewöhnliche Fähigkeiten. Er ist vielleicht sogar noch mächtiger als Galbatorix es gewesen ist und möglicherweise steht euch nicht die gleiche Menge an Kraft zur Verfügung. Deshalb bedenkt bitte, dass Kraft nur einen Faktor ist der ihm kam und in der Magie entscheidend ist. Vor über 100 Jahren ist es meinem Reiter gelungen Galbatorix in einem Kampf Mann gegen Mann zu besiegen obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits über ein Erschrecken des Machtpotenzial verfügte. Wie ist Ihnen das gelungen? Eben dadurch, dass er sich bewusst war dass Kraft nicht alles ist. Besonders wenn man Magie anwendet ist auch der Einfallsreichtum und die geistige Flexibilität entscheidend. Alle Energie dieser Welt wird euch nichts nützen wenn ihr euch nicht eine sinnvolle Verwendung dafür ausdenken könnt. Zweifellos mangelte es damals Galbatorix nicht an Vorstellungskraft aber Vrael zwang ihn in den Schwertkampf und griff schnell und entschlossen an. Er änderte immer wieder seine Taktik und setzte Galbatorix zunehmend unter Druck. Dadurch verhinderte er, dass er seine teuflische Intelligenz zum Einsatz brachte. Deshalb konnte er Galbatorix an den Rand einer Niederlage bringen die dieser nur abwenden konnte indem er sich feige und unehrenhaft verhielt! Doch das ist eine andere Geschichte. Was zählt ist, dass man sich auch gegen einen Gegner durchsetzen kann der an Kraft überlegen ist wenn es einem gelingt die Initiative des Kampfes an sich zu bringen." -
- "Und unsere Chancen das zu schaffen stehen gar nicht so schlecht." - erwiderte Eragon der die Worte des alten Drachen aufmerksam verfolgt hatte. - "Wir werden unseren Gegner überraschen, das ist ein Faktor. Wir können hoffen dass er dem Bruchstück von Nieren keine Bedeutung beimisst. Folglich wird es in überraschen, dass wir möglicherweise in der Lage sind ihm einen Teil seiner Kraft zu stehen. Und nicht zuletzt haben wir ein Bündnis mit den Geistern die aus der Liebe entstanden sind. Auch das ist ein Faktor von dem unser Gegner noch nichts weiß und der in überraschen dürfte." -
- "Außerdem werden Arya, Murtagh und ihre Drachen uns begleiten." - fügte Saphira hinzu. - "Er muss sich also nicht nur auf einen Gegner konzentrieren sondern auf drei von denen jeder eine unterschiedliche Kampftechnik besitzt." -
- "Ich sehe meine jungen Freunde ihr habt verstanden was ich euch vermitteln möchte." - Umaroth Stimme wurde plötzlich sehr ernst und alte, tiefe Trauer mischte sich in die Worte des Drachen . - "Begeht nur nicht denselben Fehler wie mein Seelenbruder als er gegen Galbatorix kämpfte. Die Überraschung ist ein wertvoller verbündeter im Kampf aber kurzlebig! Wenn die Möglichkeit kommt zuzuschlagen zögerten nicht! Ihr habt am eigenen Leib erfahren wie viel Leid Galbatorix über die Welt gebracht hat. All das hätte vermieden werden können wenn Vrael im entscheidenden Augenblick kein Mitgefühl mit dem Verräter gehabt hätte." -
- "Ihr wollt uns aber nicht sagen, dass Mitgefühl eine Schwäche ist oder Meister?" -
Eragons Stimme war kräftig aber er hielt einen neutralem Klang bei. Er wusste, dass Umaroth ihm an Erfahrung weit überlegen war, doch inzwischen hatte Saphiras Reiter selbst genug erlebt um seinen eigenen Standpunkt zu verteidigen.
Ein Augenblick schwieg Umaroth.
- "Natürlich nicht." - erwiderte der Alte Drache gütig. - "Das hast du schließlich bewiesen Eragon Bromssohn mit der Art und Weise wie du Galbatorix besiegt hast. Letzten Endes war es dein Mitgefühl für alle fühlenden Wesen, dass dich dazu verleitet hat ihn zu zwingen die Schmerzen seiner Opfer zu ertragen. Damit hast du schließlich sein Untergang besiegelt. Ich denke aus mir hat ein wenig die Trauer um meinen Reiter gesprochen. Selbstverständlich sollte der Mitgefühl nicht aus euren Herzen verbannen aber ihr müsst euch bewusst sein, dass ich vielleicht nur eine Chance haben werdet diesen Kampf euch zu entscheiden. Euer Gegner ist böse, geboren aus Hass! Ihr könnt ihn nicht zum Guten bekehren, ihn nicht retten und Gnade könnt ihr auch nicht von ihm erwarten." -
- "Das wissen wir Meister." - Erwiderte Eragon und legte soviel Entschlossenheit wie möglich in seiner Antwort.
- "Wir werden tun was getan werden muss! -" versicherte Saphira und ließ ihre Wildheit mit in ihre Worte einfließen.
Zufrieden zog sich Umaroth aus dem Geist der beiden zurück.
- "Ich denke es wird auch langsam Zeit Kleiner." -
Eragon blickte in die Richtung die Saphira ihm wies und sah, dass nicht nur Murtagh und Aylon den Innenhof der Quartiere betreten hatten sondern dass auch Arya zu ihm herüberblickte und entschlossen nickte.

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt