67. Ein Schritt zu weit

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"Ich kann immer noch nicht glauben dass du mich dazu überredet hast." knurrte Anarie als sich ihre Krallen bei der Landung in den weichen Boden gruben. Vor der jungen Drachendame und ihrer Reiterin erstreckte sich das Gebiet, das Jeod als den verlorenen Wald beschrieben hatte. Obwohl es tiefe Nacht war konnte man gut Einzelheiten in der Landschaft erkennen. Ein heller Vollmond, der vom sternenklarem Himmel schien tauchte die Welt in sein silbernes Licht.
"Was soll schon passieren? Es ist nur ein Wald." versuchte Ismira ihre Drachendame zu beschwichtigen. "In Carvahall hatten stets alle Angst vor dem Gebirgszug den man den Buckel nennt. Ich bin fast jeden Tag dort auf die Jagd gegangen."
"Das mag ja alles sein Rotschopf aber dein Onkel hat uns, als wir gestern Abend zur Festung zurückgekehrt sind, ausdrücklich verboten uns diesen Wald anzusehen. Du hast es ihm versprochen und auch Cale und Tailon. Ich finde das einfach nicht richtig."
Kurz flammte Ismiras schlechtes Gewissen auf, doch ihre Neugier kämpfte den kurzen Impuls nieder wärend sie vom Rücken ihrer Drachendame glitt.
"Sie werden nie erfahren dass sie hier gewesen sind." Ein leises Knurren drang aus der Kehle der violetten Drachendame. "Das macht die Sache nicht besser." "Wir bleiben nur eine halbe Stunde."

Mit diesen Worten setzte Ismira ihren Versuch ihrer Drachendame zu beruhigen fort. "Und du bleibst in der Nähe des Waldrandes!" forderte Anarie nachdrücklich. "Das Gestrüpp und die Bäume da stehen zu eng. Ich komme da nie durch. Deshalb will ich das Du in der Nähe von offenem Gelände bleibst."

"Versprochen meine Süße."
"Dann hoffe ich mal dass dieses Versprechen mehr wert ist als das, dass du deinem Onkel gegeben hast. "-
Wieder blitzte Ismiras schlechtes Gewissen auf doch abermals hatte sie keine Schwierigkeiten den Impuls nieder zu kämpfen. Sie zog eine magische Laterne, die sie aus ihrem Quartier mitgenommen hatte, aus Anaries Satteltasche und entzündete sie. Ein kräftiges blaues Licht beschin die Umgebung. Die Hand am Griff ihres Swertes schritt die junge Reiterin auf den Waldrand zu. Von dort aus folgte sie dem Lauf eines kleinen Baches der aus dem Dickicht herausplätscherte.
Zunächst schien der jungen Frau alles normal. Sie war schon oft durch den Buckel gewandert und auf der Jagd gewesen. Dieser Wald schien sich zunächst nicht von anderen zu unterscheiden die sie bereits besucht hatte. Das Unwohlsein, welches sie empfand, schob sie auf Jeods warnende Worte. Vermutlich hatte er ihr einfach Geistergeschichten in den Kopf gepflanzt. Und der Wald schien den Chronisten des Ordens noch unterstützen zu wollen. Bodennebel und der silbrige Schein des Mondes verlieh in allem eine gespenstische Atmosphäre. Erst nachdem sie einige Minuten gewandert war, hatte die ehemalige Gräfin des Palancartals das Gefühl, dass an diesem Ort doch etwas merkwürdig war. Das ungute Gefühl, welches sie empfand, wurde und wurde nicht besser. Im Gegenteil. Es schien zu wachsen. Mehr und mehr wurde ihre Neugier in den Hintergrund gedrängt von der bohrenden Gewissheit, dass sie nicht an diesen Ort gehörte. Was hatte Jeod noch gesagt? Als ob ein stummer Schrei in der Luft hängt. Genauso konnte man die Stimmung in diesem Wald tatsächlich beschreiben.
Die Stille um Ismira herum war einfach bedrückend. Es war, als wäre das Leben zu Eis erstarrt. Die ehemalige Gräfin schloss kurz die Augen und versuchte mit einigen tiefen Atemzügen ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Ganz wollte ihr das aber einfach nicht gelingen denn inzwischen hatte sie das Gefühl ständig beobachtet zu werden. Von wem oder was konnte sie nicht sagen. Es war als hätte der Wald selbst Tausende von Augen. Inzwischen fiel ihrr auch auf, dass die Bäume und Pflanzen durchaus nicht normal waren. Seltsam verwinkelte reckten sich die Äste in die Höhe und unwillkürlich fühlte sich Ismira an Hände und Arme erinnert die sich um Rettung flehend ausstreckten. Als sie an einem Nadelbaum vorbeiging streifte sie einen Ast und ein scharfer Schmerz zuckte durch ihren Arm. Im Lichte ihrer Laterne erkannte die junge Reiterin, dass die Nadeln der Kiefer durch den Stoff ihres Wamses geschnitten hatten und ihr einige Kratzer am Oberarm beigebracht hatten.
Inzwischen beherrschte die junge Reiterin glücklicherweise genug Magie und die unbedeutenden Wunden zu schließen aber der Anblick der Kiefer hatte etwas überaus erschreckendes. Auch ihre Äste waren seltsam verformt und die Nadeln, welche an dieser Art Baum den Blattwuchs ersetzten, wirkten wie mit Widerhacken versehene Klauen die bereit waren jeden zu zerfetzten der es wagte sich dem Stamm der Kiefer zu nähern.
Trotzdem ging sie noch ein Stück weiter und als sie ein dichtes Gestrüpp durchquert hatte bot sich ihr ein in der Tat gespenstischer Anblick. Der kleine Bachlauf unternahm eine Biegung und dort wo das strömende Wasser gegen das Ufer prallte waren die Steine und das Gras von einer dicken Eisschicht überzogen. Ein etwa 4 m tiefer Bereich um die Flussbiegung herum war in eisigem Frost erstarrt. Zwar war die Nacht alles andere als warm aber gewiss nicht kalt genug für Eis. Außerdem war das Gebiet in dem sich der Frost ausbreitete so scharf begrenzt als hätte man ihn mit einer Rasierklinge in die Welt geschnitten.
Ismira ging vor dem seltsamen Phänomen in die Hocke und blies die Luft aus ihren Lungen. Sofort bildete sich eine Dampfwolke wie im tiefsten Winter.
Noch bevor die junge Drachenreiterin weiter über diese seltsame Begebenheit nachdenken konnte ließ ein leises rascheln Sie herumfahren.
Ein Tier huschte aus den Büschen auf die vom Mondlicht beschinene Lichtung. Ein eisiger Stein bildete sich in Ismiras Magen als sie erkannte, dass es sich um eine Art Ratte handelte. Das Nageltier an sich war für die junge Frau kein Grund sich zu erschrecken. In den Stallungen ihres Vaters hatte sie schon so manche Ratte gesehen und sie gehörte nicht zu den Frauen, die sich vom Anblick eines Nagers erschrecken ließen. Der Umstand aber, dass diese Ratte etwa die Größe eines Fuchses hatte war eindeutig ein Grund um besorgt zu sein.
Noch bevor die Drachenreiterin allerdings entscheiden konnte was sie tun wollte stieß ein weiterer Bewohner des merkwürdigen Waldes mit einem schrillen Schrei von einem Ast herab und landete auf dem Rücken der übergroßen Ratte. Auf den ersten Blick sah das Wesen wie ein Flughörnchen aus. Ein Vertreter jener Art von in den Bäumen lebenden Nagern die mithilfe von auf gespannten Hautlappen zwischen ihren Gliedmaßen von Baum zu Baum segelten. Dieses Wesen hatte jedoch wenig mit diesem putzigen Geschöpfen gemeinsam. Sein Fell glänzt in einem tiefen Schwarz und sein Schwanz war nicht buschig sondern bestand aus vier mit Hornplatten verstärkten Tentakeln die sich um den Körper der übergroßen Ratte wickelten. Atemlos vor Schreck stellte Ismira fest, dass das ungewöhnliche Flughörnchen am Kopf keinen Mund hatte. Gerade als sich die junge Frau wunderte wie das Tier ohne Kiefer und Zähne in der Lage wäre zu essen richtete sich das schwarze Wesen auf dem Rücken der Ratte, an der sich inzwischen mit seinem Schwanz untrennbar festgeklammert hatte, auf und entblößte eine Reihe von Dornen die sich in einer geraden Linie über seinen kompletten Leib zogen und normalerweise in einer Hautfalte versteckt waren. Diese rammte der Baumbewohner in den Körper seines Opfers. Die Ratte quietschte schmerzerfüllt auf aber seltsamerweise verebbten ihre Versuche das seltsame Tier auf seinem Rücken abzuschütteln mehr und mehr. Offenbar waren die Dornen des kleinen Jägers giftig. Schließlich fiel die Ratte auf die Seite und die Geräusche die nun von dem unheimlichen Flughörnchen ausgingen ließen darauf schließen, dass es seine gelähmte Beute aussaugte. Rhythmische bewegte sich der Körper des fremdartigen Wesens während es seinen Hunger stillte.
- "Ich glaube du hast genug gesehen Rotschopf!" - drängte Anarie in die Gedanken ihrer Reiterin. - "Komm jetzt bitte zurück. Jeod hatte recht dieser Ort ist einfach böse. Wer weiß was da sonst noch lauert. Lass uns lieber verschwinden bevor dir etwas wirklich gefährliches begegnet." -
Ismira schickte ihrer Drachendame eine Bestätigung. Sie hatte wirklich genug gesehen. Sie wollte nur noch weg von diesem Ort.
Eilig lenkte die junge Drachenreiterin ihre Schritte auf den Waldrand zu. Dabei hielt sie direkt auf den Punkt zu, wo Anarie sie erwartete und entfernte sich dabei etwas von dem Flusslauf, dem sie auf ihrem Hinweg gefolgt war. Sie überquerte einige umgestürzte Baumstämme und eilte über eine Lichtung immer weiter den Waldrand zu.
Gerade als sie die Mitte der Richtung überquert hatte, zuckte ein scharfer Schmerz durch ihr rechtes Bein. Ismira schrie auf und fiel der Länge nach ins Gras. Panisch sah sie sich um und erkannte, dass sich eine armdicke Ranke um ihr Bein geschlungen hatte und mehrere Zoll langer Dornen sich durch ihre Hose in ihr Fleisch bohrten. So plötzlich wieder Schmerz gekommen war laute er aber auch wieder ab und wurde ersetzt durch ein unangenehmes kaltes Gefühl begleitet von einem kribbeln.
Gift! Die Erkenntnis traf Ismira wie ein Blitz. Sofort wollte die junge Reiterin ihr Schwert greifen und die Ranke, welche sie festhielt, mit der elfischen Meisterklinge durchtrennen. Doch mit der Geschwindigkeit eines herabstürzenden Falken schossen weitere Ranken heran und wickelten sich um Arme und Körper der jungen Frau. Auch sie pumpten ihr lähmendes Gift in Ismiras Körper. Die Welt verschwammen vor den Augen der jungen Frau und eine eisige Kälte breitete sich in ihrem Körper aus. Über sich hörte Ismira das verzweifelte Brüllen ihrer Drachendame. Anarie versuchte sich zu ihrer Reiterin durch zu kämpfen doch die Bäume räckten ihre Äste empor und versperrten der violetten Drachendame den Weg. Wo immer sie mit Klauen oder Schwanz Holz aus dem Weg schlug wuchs es sofort wieder nach. Der ganze Wald schien beschlossen zu haben das Leben, welches an diesem Ort nicht suchen hatte zu vernichten.
Das Geräusch von bröckelnder Erde zog Ismiras schwindende Aufmerksamkeit auf die Quelle des Übels. In der Mitte der Lichtung erhob sich ein Wesen aus dem Boden, welches wie eine Kreuzung zwischen einem Tausendfüßler und einem Blutegel wirkte. Die Kreatur war so dick wie ein Baumstamm und etwa 4 m lang. Speicheltriefende Kieferzangen schnappten gierig nach Ismira. Die seltsamen Ranken, die die junge Frau am Boden hielten entsprangen den Körper des monströsen Geschöpfes. Wie ein Spinnennetz musste das Wesen die Ranken auf der Lichtung ausgelegt haben und sich selbst in die Erde gewühlt haben. So verborgen hatte es auf seine Beute gewartet. Einige der Ranken waren mit den Umstehendenbäumen verbunden. Offenbar beherrschte das Wesen die Pflanzen um sich herum und verhinderte so, dass ihm jemand seine Beute streitig machte.
Während die geifernden Kiefer der Kreatur immer näher kamen begann Ismira den Kampf gegen die Bewusstlosigkeit zu verlieren. War es nicht vielleicht sogar besser sich in die Arme einer Ohnmacht zu flüchten? Tun konnte sie ohnehin nichts mehr. Was würde aus Anarie werden? Schmerzhaft wurde Ismira bewusst, dass sie als ihre Seelengefährtin versagt hatte. Tränen rannen der jungen Frau über ihr inzwischen taubes Gesicht. Ihre Arme und Beine spürte sie längst nicht mehr.
Gerade als sie endgültig aufgeben wollte hörte Ismira noch einmal das donnernde Brüllen eines Drachen. Lauter als alles was Anarie hätte ausstoßen können. Der Himmel über ihr war plötzlich in ein blaugoldenes Licht getaucht. Das insektenhafte Monster welches sie Angriff stieß ein panisches Zischen aus.
Dies waren Ismiras letzte Eindrücke bevor sie endgültig das Bewusstsein verlor.





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Wenn das der Tod war, war das Sterben gar nicht so schlimm. Warm, ja warm fühlte es sich an.
Ismiras Gedanken kochen nur langsam dahin. War sie wirklich tot?
- "Nein Rotschopf. Tot bist du nicht aber Du bist nur knapp mit dem Leben davon gekommen." -
- "Anarie?" -
- "Wer wohl sonst?" - brummte die violette Drachendame.
Ismira war unglaublich erleichtert. Sie wusste nicht wo Sie war oder was mit ihr passiert war aber wenn Anarie in der Nähe war konnte es nicht so schlimm sein.
- "Da wäre ich nicht so sicher." - Kicherte die violette Drachendame in die Gedanken ihrer Reiterin. - "Wenn du wissen willst wo du bist dann mach doch einfach mal die Augen auf." -
Ismira brauchte einen Moment um der Bitte ihrer Drachendame nachzukommen. Es war als hätte ihr Körper vergessen wie man die einfachsten Bewegungen ausführte. Schließlich gelang es ihr aber doch die Augenlider zu heben. Vorsichtig blickte sich die junge Reiterin um. Die Bewegungen ihres Kopfes verursachten zwar einen unangenehm dumpfen Schmerz in ihrem Schädel doch sie erkannte, dass sie sich in einem sonnendurfluteten Zimmer befand und in einem weichen, warmen Bett lag.
Plötzlich schob sich Anaries suppiger Kopf in ihr Sichtfeld. Sie spürte den warmen Atem ihrer Drachendame als diese sie zärtlich mit der Schnauze anstieß. Die junge Drachendame hatte den Kopf durch das Fenster des Raums geschoben indem ihrer Reiterin lag.
"Das war viel zu knapp." Summte die Violette als Ismira ihr müde über die Nase streichelte. "Glaub nicht dass du mich noch einmal zu so einer Dummheit überreden wirst."
"Das werde ich bestimmt nicht versuchen." erwiderte die junge Reiterin.
"Das sagst du jetzt Rotschopf! Weil dir dein Schädel brummt. Sobald sich dieser wütende Hornissenschwarm aus deinem Oberstübchen verzogen hat wirst Du wieder nur Flausen im Kopf haben." -
"Nicht böse sein meine Süße."
"Ich bin nicht diejenige über die Du dir Sorgen machen musst Rotschopf."
"Allerdings, Sorgen solltest du die eher wegen mir machen."
Die Stimme, die diese Worte gesprochen hatte, war Ismira durchaus bekannt aber noch nie zuvor hatte soviel kalte Wut in dieser Stimme gelegen.
Erschrocken zog Anarie den Kopf aus dem Fenster und duckte sich zusammen. Nur ihre wie Edelsteine funkelnden Augen späten noch ins Zimmer.
Ismira erkannte nun, dass tatsächlich ihr Onkel Eragon im Türrahmen stand und nun die Schiebetür, welche Einlass in den Raum gewährte hinter sich schloss.
Wären ihre Glieder nicht so schwer gewesen wie Blei, Ismira wäre wohl aus dem Fenster gesprungen und mit ihrer Drachendame davon geflogen. Zum ersten Mal seit sie ihren Onkel kannte schien der Schattentöter wirklich wütend zu sein.
Die junge Frau öffnet den Mund um etwas zu sagen doch der Anführer der Drachenreiter kam ihr zuvor.
"Was habe ich dir gestern gesagt? Und was hast du mir versprochen, was Du nicht tun würdest?"
"Onkel ich....."
"Beantworte meine Frage Ismira!"
Eragons Stimme war so kalt und hart, dass seine Nichte unwillkürlich zusammenzuckte.
"Du hast gesagt, dass es jedem Drachenreiter verboten ist ohne Erlaubnis des Rats den verlorenen Wald aufzusuchen und ich hatte versprochen das nicht zu tun."
"Also hat mir meine Erinnerung doch keinen Streich gespielt." Erwiderte Eragon sarkastisch.
"Es tut mir leid ich......"
"Es tut dir leid?!" einmal mehr unterbrach Eragon jeden Erklärungsversuch. "Das ist nicht einmal im Ansatz genug. Du hättest dich fast umgebracht Ismira und warum? Weil Du neugierig warst und nicht abwarten konntest bis deine Ausbildung die Geheimnisse dieses Waldes enthüllt hätte. Du bist hier nicht in der Sommerfrische meine liebe Nichte. Als du dich entschlossen hast vor die Dracheneier zu treten hast Du dich damit nicht nur um Privilegien beworben sondern auch Pflichten! Und nachdem was Du dir heute geleistet hast verdienst du es gar nicht mehr Drachenreiterin genannt zu werden. Trägst du eigentlich einen Verstand in deinem Kopf mit dir herum oder nur einen Stein? Glaubst Du ich verbiete den Reitern diesen Wald aufzusuchen weil ich gerne ein Spielverderber bin? Glaubst du, du kannst dir die Regeln aussuchen an die du dich zu halten hast weil du meine Nichte bist? Du hast hier keine Sonderrechte! Du bist eine Novizin des Ordens und hast dich den Anweisungen des Rates zu fügen! Verflucht noch mal du wärst tot gewesen wenn ich auch nur eine Minute später gekommen wäre. Glücklicherweise hatte ich Schutzzaubern um den Wald gelegt, die mich auf deine Spur gebracht haben. Hätte ich das nicht getan wärst du jetzt tot. Was hätte ich deinen Eltern sagen sollen? Ich habe ihnen versprochen auf dich zu achten! Hätte ich vor sie treten sollen und ihm sagen sollen, dass ihre erstgeborene Tochter umgekommen ist, weil ich ihr vertraut habe und sie mein Vertrauen missbraucht hat?!"
"Es tut mir leid" wimmerte Ismira und konnte nun ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Wie Sturzbäche brachen sie nun aus ihr hervor. Ihr Onkel hatte recht. Sie hatte ihn angelogen und sich selbst völlig unnötig in Gefahr gebracht. Besonders der Gedanke an ihrer Eltern schmerzte sie sehr. Auch ihnen hatte sie versprochen auf sich aufzupassen und ihrem Oheim zu gehorchen. Nun hatte sie alle enttäuscht. Vielleicht hatte Anna doch recht. Vielleicht war sie ein verwöhntes, verzogenes Gör.
Zu ihrer Überraschung spürte sie Eragon plötzlich die Arme um sie legte. Ismira war unglaublich erleichtert als sie sah, dass viel der Wut aus dem Blick ihres Oheims gewichen war und er versuchte sie zu trösten. Dankbar schlang sie die Arme um ihn und drückte sich fest an seine Brust.
"Es tut mir leid Onkel." flüsterte sie erneut. "Du hast recht. Ich habe nicht nachgedacht. Es wird nicht wieder passieren. Ich verspreche es."
"Leider ist es mit einer Entschuldigung diesmal nicht getan Ismira." erklärte Eragon sanft und schob Ismiras so weit von sich, dass sie sich gegenseitig ins Gesicht sehen konnten. "Wie gesagt, du bist hier nicht in der Sommerfrische. Du bist eine Novizin des Drachenreiterordens und unterliegt deshalb gewissen Regeln. Brichst du sie verhängt der Rat eine Strafe. So ist es auch in diesem Fall."
"Das habe ich wohl verdient." erwiderte Ismira tapfer und wischte sich die Tränen vom Gesicht. "Aber was passiert ist, ist meine Schuld. Ich habe Anarie überredete. Sie trägt keine Schuld."
" Doch das tue ich." warf die junge Drachendame von draußen ein und hob den Kopf, so dass man ihr Haupt wieder deutlich sehen konnte. "Ich habe mich schließlich überreden lassen."
Ismira schenkte er Seelenschwester ein dankbares Lächeln für die Unterstützung und blickte dann abwartend ihren Onkel an.
"Nun" hob dieser an. "Der Rates ist der Meinung, dass der Schrecken hier ein weit besserer Lehrmeister war als jede Strafe sein könnte. Deshalb legen wir dir nur folgende Beschränkungen auf: Erstens ist es dir und Anarie verboten die Ostmark ohne Erlaubnis eines anderen Reiters zu verlassen. Zweitens dürft ihr euch bis auf weiteres nur noch in dem Gebiet zwischen der Festung und Esterni aufhalten. Abstecher zu den wilden Drachen sind euch nur in Begleitung eines anderen Reiters erlaubt. Auch zur Jagd darfst du Anarie das eben beschriebene Gebiet nicht verlassen. Das gilt so lange bis der Rat überzeugt ist, dass sie die Verantwortung die es mit sich bringt Drache und Reiter zu sein begriffen habt. Der Fehler, den ihr letzter Nacht gemacht habt, deutet nämlich stark darauf hin dass es euch noch nicht wirklich klar ist welche Verantwortung ihr tragt. Habt ihr das verstanden und nehmt ihr die Strafe an?"
"Ja Onkel." antwortete Ismira und auch Anarie übermittelte ihre Zustimmung.
"Auch ich war nicht älter als du als Saphira bei mir schlüpfte. Und auch ich habe einige Fehler gemacht. Einen Teil der Predigt, die ich dir gerade gehalten habe stammt von meinem Vater. Auch ihm musste ich einmal davon überzeugen, dass ich meinen Verstand benutzen kann. Ich hoffe dir gelingt das auch Ismira."
"Ich werde mich bemühen wir in diesem Punkt nachzueifern Onkel."
"Gut, aber bitte nur in diesem Punkt liebe Nichte. Einen anderen Teil deines Wesens, den Du offenbar von mir geerbt hast solltest du vielleicht lieber etwas zügeln. Saphira hat schon vor einigen Jahren festgestellt, dass sich nämlich die Gabe besitze meine Nase dorthin zu stecken wo sie nichts zu suchen hat und des weiteren stellte sie mein Talent heraus an diesen Orten wo meine Nase nichts zu suchen hat etwas zu finden was seine Zähne in mein Fleisch versenkt."
Zum ersten Mal seit ihrer Rettung musste Ismira nun wirklich lachen. Etwas schüchtern blickte sie ihren Onkel an weil sie nicht sicher war und das angemessen war. Als dieser jedoch lächelte und in eine weitere Umrahmung zog bereitete sich ein großes Gefühl der Erleichterung in der jungen Drachenreiterin aus.


Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt