3. Die Prüfung

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Cale hockte am Boden und schnitzte an einem Stück Holz herum. Heute versuchte er nicht irgendetwas zu erschaffen sondern schälte nur Schicht für Schicht die Lagen des Holzes ab. Er fröstelt etwas. Die Morgensonne war noch nicht besonders warm und deshalb zog der Junge sein Umhang etwas fester um seine Schultern.
Eigentlich hatte er den Marktplatz vor der Stadtfestung von Gil ead viel zu früh aufgesucht. Zwar wiesen schon diverse Vorbereitungen auf die Drachenreiter-Prüfung hin doch sie sollte erst in den Mittagsstunden beginnen. Cales frühes Erscheinen würde jedoch sicherstellen, dass er einer der Ersten war die die Eier berühren durften. Über den Großteil des Marktes hatte man Seile gespannt und somit einen Weg abgesteckt in dem sich Interessenten anstellen konnten. Der Weg beschrieb eine Schlangenlinie und so konnte die maximale Anzahl von Leuten sich in die Reihe der Wartenden begeben ohne dass ein Chaos entstand oder der zur Verfügung stehende Platz verschwendet wurde. Hinter der Tribüne, zwischen der Mauer der Stadtfestung und dem Gerüst des Podiums, standen noch vier Zelte deren Sinn Cale nicht ganz verstand.
Direkt vor Cale erhob sich ein hölzernes Podium auf das zwei Treppen hinauf führten. Die eine Treppe war dem wartenden Volk zugewandt, die andere dem breiten Tor welches Einlass in die Stadtfestung gab. In der Festung sollten sich angeblich schon die Drachenreiterin Narie und die Eier befinden.
Cale hatte eigentlich gehofft die Ankunft der Reiterin mitverfolgen zu können. In der Herberge, wo er in den Abendstunden des gestrigen Tages Unterkunft gefunden hatte, war ihm mitgeteilt worden, dass zwei Drachen, von denen nur ein großer Roter einen Reiter trug, am frühen Morgen in der Stadtfestung gelandet waren und hatten sich seitdem nicht mehr sehen lassen. Der zweite Drache musste ein wildes Exemplar seines Volkes sein. Die Gäste der Herberge hatten erzählt, dass dieser zweite Drache ausgesehen hatte wie ein lebendig gewordener Blitz.
Etwas enttäuscht hatte der Junge sich sein Zimmer gemietet und sich zum Abendessen an die Bürgertafeln gesetzt. Wie in jedem Gasthaus des Königreichs war der Schankraum zweigeteilt. Leicht erhöht waren die Tische, die reichen Gästen und dem Adel vorbehalten waren. Ein hölzernes Geländer trennte diese Tische von den tiefer gelegenen Tafeln für das Volk. Cale vermutete, dass die Bauweise sicherstellen sollte, das alle respektvoll zum Adel aufsahen. Über das Essen in der Herberge konnte der junge Bauer sich nicht beschweren. Es hatte einen durchaus essbaren Eintopf mit einer kräftigen Fleischeinlage gegeben sowie frischgebackenes Brot. Offenbar waren auch die Gastwirte bemüht auf die Besucher aus allen Teilen des Reiches, die der Dracheneier-Prüfung beiwohnen wollten, einen guten Eindruck zu machen.
Im Grunde war der Abend ohne weiterer Ereignuissen verlaufen, nur eine Begebenheit ging Cale nicht aus dem Kopf. Während er sich den Eintopf schmecken ließ hatte eine junge Frau in Begleitung einer älteren Dame, die ihre Dienerin zu sein schien, an den Tischen des Adels Platz genommen. Ihr Aussehen hatte ihr mehr als nur einige bewundernde Blicke eingebracht. Ein Kleid aus grüner schillernder Seide schmiegte sich an ihren schlanken Körper und ein Umhang aus blauem wärmenden Stoff hing um ihre Schultern. Ihre Haare waren ein kupferfarbenener, seidiger Wasserfall und Freundlichkeit und Klugheit lagen in ihrem Blick. Cale hatte sich dabei ertappt, wie er die junge Frau anstarrte. Als diese dann ihre Augen durch die Schankstube schweifen ließ hatten sich ihre Blicke kurz getroffen. Ungewöhnlicherweise hatte die junge Frau dem Bauernjungen ein Lächeln geschenkt. Eine ungewöhnliche Reaktion für eine Frau ihres Standes. Normalerweise reagierten Adelige eher überheblich auf Aufmerksamkeit aus den Reihen des Volkes.
Cale schüttelte den Kopf und widmete sich wieder seiner Schmitzarbeit. Von so einer Frau konnte jemand wie er nur träumen. Vermutlich war sie eine Gräfin oder Baronin. In keinem Fall aber jemand der sich für den Sohn eines Buchbinders und Neffen eines Bauern interessierte.
Gedankenverloren ließ er die Klinge des Messers, das ihm sein Großvater mitgegeben hatte, durch das Holz gleiten. Die Qualität der Klinge war außergewöhnlich. Noch nie hatte Cale es erlebt, dass ein Messer so mühelos durch frisches Holz gilt.
"Ein interessantes Messer." Eine freundliche Frauenstimme ließ den jungen Mann aufblicken. Ihm wurde heiß und kalt gleichzeitig als er die junge Frau aus der Gaststube wieder erkannte. Ihr Äußeres hatte sich allerdings verändert. Ihre Haare trug sie nun zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, dazu eine Hose aus festem, schwarzen Stoff, ein Hemd aus weißem Leinen und darüber eine Weste aus braunem, weichem Leder. An ihrem Gürtel hing ein Jagdmesser und um die Schultern hatte sie einen wärmenden Umhang geschlungen. Die Veränderungen machten sie nicht hässlicher, eher im Gegenteil.
Die junge Frau setzte sich gegenüber von Cale ebenfalls auf den Boden. Offenbar war sie auch hier um die Dracheneier zu berühren.
"Ich danke euch." Antwortete der Junge mit einer Stimme, von der er befürchtete, sie könne ihm jeden Moment versagen. "Es ist ein Erbstück von meinem Großvater. Mein Name ist übrigens Cale Burkatsohn."
"Ich bin Ismira Katrinatochter."
Auf schmerzhafte Weise stellte Cale fest, dass das Messer nicht nur gut durch Holz schnitt. Vor Überraschung säbelte er sich beinahe den Finger ab. Eilig schob er seinen blutenden Zeigefinger in den Mund und brachte gerade noch hervor: "Seid Ihr etwa die junge Gräfin des Palancartals? Die Tochter von Roran Hammerfaust und Nichte von Eragon dem Schattentöter?!"
Sein gegenüber unterdrückte mühsam ein Lachen ob der Wirkung ihrer Worte. Schließlich nickte die junge Frau.
"Aber wehe du versinkt jetzt in stillschweigender Bewunderung. Mein Vater hat sich um das Reich verdient gemacht und auch mein Onkel. Ich selbst habe nichts besonderes geleistet und ich bin niemand, der sich im Glanz anderer sonnt."
"Wie ihr wünscht gnädiges Fräulein." Stammelte Cale. "Ich hoffe ihr fühlt euch durch meine Gegenwart nicht belästigt."
"Wieso sollte ich mich belästigt fühlen?" Wunderte sich die junge Adelige.
"Naja, Ihr seid eine Gräfin und ich....."
"Vor den Dracheneiern gibt es kein Adel!" Erklärte Ismira entschlossen. "Und bitte nenn mich nicht gnädiges Fräulein. Ich komme mir dann immer furchtbar alt vor. Es schlimm genug, dass meine Magd es die ganze Zeit sagt. Die meinte auch, ich müsse nicht so früh hierher kommen. Ich könnte mich einfach auf meinen Titel berufen und direkt zur Tribüne gehen."
"Das stimmt auch." Bestätigte Cale. "Dort drüben hat man eine Tribüne errichtet auf der sich der Adel versammeln darf. Die sind vor dem einfachen Volk dran. Die Reihenfolge wird durch den Titel bestimmt.
"So so!" Gräfin Ismira rümpfte die Nase. "Ich finde das ungerecht. Einem Drachen es ist egal ob man ein Prinz, Baron oder Gräfin ist. Ich warte deshalb lieber hier. Du scheinst ein ganz angenehmer Gesprächspartner zu sein. Das ist mehr als man von den meisten Adligen behaupten kann. "
Wieder lächelte die junge Adelige Cale an und mit viel Mühe überzeugte der Junge sein Gesicht das Lächeln zu erwidern. Schnell jedoch färbte die unkonventionelle und offene Art der jungen Frau auf ihr gegenüber ab. Schon bald entspann sich in der Tat eine interessante Unterhaltung für beide Seiten. Cale erzählte einige Heldensagen die er von seinem Vater gehört hatte und wagte es sogar einige Fragen über Ismiras Onkel zu stellen. Diese beantwortete selbige nur zu gern.
So schmolzen die Stunden dahin und mehr und mehr begann sich der Marktplatz zu füllen. Dies nahm Cale allerdings nur noch am Rand seines Bewusstseins war. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der junge Frau, die ihm gegenüber saß. Bereits jetzt hatte der junge Mann das Gefühl, dass sich das Geld, welches er seinem Onkel überlassen hatte, ausgezahlt hatte. Einen Verwandten des Drachenreiters Eragon zutreffen war mehr als er vom heutigen Tag erhofft hatte. Außerdem war Ismira eine mehr als angenehme Gesellschaft.
Die Mittagszeit rückte bereits näher als eine herablassende Stimme die Unterhaltung der beiden jungen Leute unterbrach.
"Na wen haben wir denn da? Kaum zu glauben! Die junge Gräfin des Palancartals. Eine Perle inmitten des Pöbels."
Ismira und Cale blickten auf und sahen einen jungen Mann, der sie vom Rücken seines Rappen hochmütig musterte. Beide erhoben sich während der junge Mann auf dem Pferd erneut das Wort an Ismira richtete.
"Zu meinem Bedauern muss ich sehen, dass ihr offenbar immer noch nicht einen eurem Stand und eurem Geschlecht angemessenes Verhalten an den Tag legt. Anstatt mit euresgleichen auf der Tribüne zu sitzen, suhlt Ihr euch hier mit dem gemeinen Volk im Dreck. Von eurer Aufmachung will ich gar nicht sprechen. Den Anstand euch wie eine Frau zu kleiden hatte ihr ja schon bei unserem letzten Treffen nicht."
"Herzog Tjurin." Grüßte Ismira den jungen Mann mit eisiger Höflichkeit und vollführte einen Knicks. "Ich mag seit unserem letzten Treffen in der Tat nichts gelernt haben. Doch wie ich sehe hat der junge Sohn des Statthalters von Gil' ead endlich gelernt sich auf dem Rücken eines Pferdes zu halten."
Cale beobachtete, wie der junge Herzog auf seinem Pferde erbleichte.
"Scheint ja ein denkwürdiges Treffen gewesen zu sein, dass ihr da hattet gnädiges Fräulein. Was ist denn passiert?"
"Das geht dich gar nichts an Du Straßenköter." Herrschte Tjurin Cale wütend an. "Und ihr Gräfin Ismira verhaltet euch am besten wie es sich für eine Frau gehört und hütet eure Zunge."
Erneut knickste Ismira und fuhr dann mit einem hinterhältigen Lächeln auf dem Gesicht unbeirrt fort.
"Ich befürchte ich kann euren Wunsch nicht entsprechen Tjurin. Seht ihr, bevor wir unterbrochen wurden war Cale bereits mein Gesprächspartner. Mein Anstand gebietet mir geradezu seine Frage zu beantworten. Seht ihre, Herzog Tjurin war vor einem halben Jahr Gast auf dem Gut meines Vaters. Auf Geheiß seines Vaters, des Statthalters von Gil' ead, sollte er um mich werben. Aus Höflichkeit lud ich ihn zu einem Austritt ein und als wir, nur wenig später, zum Gut zurückkehrten hatte der gute Herzog einen verstaubten Knöchel. Er war nämlich bereits nach wenigen Minuten im Sattel vom Pferd gefallen."
Allgemeines Gelächter erhob sich im umstehenden Volk.
"Das lag nur an den verdammten Gaul den ihr mir gegeben habt." Verteidigte sich Tjurin.
"Das kann ich allerdings nur bestätigen." Fuhr Ismira fort. "In dem Bestreben unseren geehrten Gast nicht zu überfordern, gab ich ihm eines der älteren Pferde aus den Ställen meines Vaters. Ein besonders sanftmütiges und friedliches Tier. Aber wie gesagt leider etwas älter. Euer Gewicht hätte es sicher noch tragen können aber ich vergaß die Last eures Egos einzukalkulieren. Unter diesem Gewicht konnte das arme Geschöpf nur zusammenbrechen. Es war also ganz allein mein Fehler. Doch was erwartet ihr, ich bin nur eine Frau. Darf ich euch aber ein Kompliment machen. Heute sitzt ihr auf dem Rücken eures Pferdes mit der vollendeten Eleganz eines Flohs wenn es donnert."
Alle Umstehenden brachen nun in schallendes Gelächter aus und Cale vermutete das der junge Herzog bei seinen Untertanen nicht eben hoch angesehen war. Durch seine nächsten Worte bestätigte Tjurin dieser Meinung.
"Ich hatte eigentlich vor euch als meinen Gast auf die Tribüne zu bitten Gräfin Ismira, doch nun, nach unserem Gespräch, bin ich der Auffassung der sie hier beim Pöbel ganz gut aufgehoben seit."
Unter Pfiffen und wütenden Rufen entfernte sich der junge Herzog, stieg mit einiger Mühe von seinem Pferd und gesellte sich zu den andern Adligen auf der Tribüne.
"Mögen alle Götter verhüten, dass bei diesem Kerl ein Drachen schlüpft." Murmelte Cale und schüttelte den Kopf.
"Ich glaube nicht, dass Drachen eingebildete Affen als Reiter bevorzugen." Antwortete Ismira.
Zu weiteren Meinungsäußerungen kam es nicht den mit einem Mal erklang der dumpfe Schlag einer Trommel aus der Stadtfestung und das Haupttor wurde geöffnet. An der Spitze einer zweireihigen Formation trat eine Elfe mit weißblonden Haaren. Sie trug einen Brustpanzer über einem roten Wams und hielt einen elegant geformten Speer in der Hand.
"Die Drachenreiterin Narie. Sie ist die Cousine meiner Tante Arya." Flüsterte Ismira Cale zu.
Hinter der Elfe schritt eine Formation, die aus Vertretern aller Völker bestand. Vier Zwerge bildeten die Spitze. Sie alle waren in weiße Gewänder gehüllt und trugen eine Art Sänfte in ihrer Mitte. Auf der Sänfte ruhte eine mit goldenen Beschlägen verzierte Kiste. Den vier Zwergen folgten vier Menschen und anschließend vier Elfen. Jede der Gruppen trug eine ähnliche Sänfte auf der eine gleich aussehende Kiste ruhte. Als Letztes erschien vier hoch gewachsene Kull. Auch sie trugen eine Sänfte.
Bis auf die Gehörnten trug jeder Abordnung weiße Kleider. Zu den Urgals passten wohl derartige Gewänder nicht aber die Krieger hatten sich ihre Hörner mit weißer Farbe bestrichen und auch ihre stählernen Brustpanzer waren mit weißen Runen verziert.
Cale vermutete, dass es sich bei diesen Abordnungen um Eiwächter handelte. Speziell ausgebildete Krieger, die gemeinsam mit den Reitern, auf der Suche nach neuen Auserwählten für den Orden der Drachenreiter waren.
Inzwischen hatte die Formation das Podium erklommen und unter den wachsamen Augen der Drachenreiterin klappten sie die Tragestangen ihrer Sänften so um, dass kleine Tische entstanden. Diese stellten sie in einer Reihe auf und traten dann einige Schritte zurück. Die Elfe Narie murmelte einige Worte und die Kisten öffneten sich. Nicht nur die Deckel hoben sich sondern auch die Seitenwände der Behälter klappten weg und gaben den Blick auf vier Dracheneier frei. Mit staunendem Gemurmel bewunderten alle Anwesenden die Kostbarkeiten. Eines der Eier war grün wie die ersten Blätter im Frühling, das Zweite glänzte wie reines Silber und das Dritte hatte in etwa dasselbe violett wie die Blüten von Flieder. Es war jedoch das vierte Ei, dessen Anblick Cale förmlich fesselte. Es war rot wie ein lupenreiner Rubin und durchzogen von schwarzen Adern. Wenn das Licht jedoch in einem bestimmten Winkel auf das schwarze in der Eierschale traf bildete sich ein goldener Lichtreflex. Wieso oder warum konnte der Junge nicht sagen aber dieses Ei fand er besonders schön.
Erst als sich aufgeregtes Gemurmel unter der umstehenden Menge ausbreitete konnte sich Cale vom Anblick des Dracheneis lösen. Ihm blieb fast die Luft weg als er sah was die Menge in Aufregung versetzte. Rechts und links des Stadttores hatten sich zwei Drachen auf der Verteidigungsmauer der Stadtfestung niedergelassen. Der eine Drache leuchtete rot wie die aufgehenden Sonne und hatte gelbgoldenen Hörner und Klauen. Offenbar gehörte dieser Drache zu der Elfe Narie. Der zweite Drache musste das wilde Mitglied seiner Art sein und funkelte in der Tat in einer Mischung aus Blau und Silber wie ein Blitz.
Wieder beugte sich Ismira zu Cale hinüber und flüsterte ihm zu: "Onkel Eragon hat mir erzählt, dass der blaue Drachen der erstgeborene Sohn von seiner Saphira ist. Der rote Drache ist ein Weibchen und heißt Kira. Zwei der Eier gehören zu diesen beiden Drachen. Es ist ihr erstes Gelege. Sie haben beide Eier den Reitern übergeben. Mein Onkel meinte, dass seine Drachendame Saphira sehr gespannt sei ob eines oder beide sich bereits jetzt ein Reiter wählen würden. Es ist das erste Mal, dass sie Großmutter werden könnte."
Cale brachte nicht mehr als ein Nicken zu Stande. Glücklicherweise fiel es nicht weiter auf, denn die Elfe Narie erhob ihre Stimme.
"Angehörige der Völker Alagaesias ich grüße euch. Es freut mich zu sehen wie viele zu dieser Drachenreiter-Prüfung erschienen sind. Bevor wir beginnen möchte ich einige Worte sagen und euch bewusst machen welche hohe Verantwortung jedem auferlegt wird, der von einem Drachen erwählt wird. Sollte ein Drache bei einem von euch schlüpfen wird es von diesem Zeitpunkt an euer Schicksal sein, unabhängig von eurer eigenen Rasse oder Religion für die Gerechtigkeit und das Überleben aller Völker Alagaesias einzutreten. Ein Reiter kann Diplomat sein, Heiler, Ratgeber, Helfer bei Katastrophen aber auch Krieger. Zu allen Zeiten jedoch gilt sein Dienst nur dem Frieden und der Gerechtigkeit. Jeder der diese Eier hier berühren will muss bereit sein sich diesen hohen Idealen zu verpflichten und von Stund an ausschließlich den Titel Drachenreiter zu führen. Jede andere Position, jeder andere Titel muss aufgegeben werden wenn der Orden der Reiter euch akzeptieren soll und nur wenn der Orden euch akzeptiert wird euch eine Ausbildung zuteil werden und das Wissen der Reiter enthüllt werden. Tut den Schritt diese Eier zu berühren also nicht leichtfertig."
Die Elfe legte eine Pause ein und ihre Worte wirken zu lassen. Als sie fortfuhr schlich sich mehr und mehr ein anklagender Unterton in ihre Stimme.
" Bisher war es immer so, dass bei den Kandidaten kein Unterschied zwischen Adel und dem Volk gemacht wurde. Der Statthalter, Herzog Aurast , sowie die übrigen Vertreter des Adels waren bereit auch hier auf ihre Vorrechte zu verzichten. Lediglich der junge Herzog Tjurin bestand auf seinem Vorrecht."
Wieder erhoben sich aus der Menge wütende Rufe und Pfiffe. Cale ließ seinen Blick zur Tribüne wandern. Der Mann mittleren Alters, der neben Tjurin saß, schien peinlich berührt. Cale vermutete, dass es sich um den Vater des arroganten jungen Herzogs handelte. Falls dem so war, schien er nicht begeistert vom Verhalten seines Sohnes. Tjurin selbst schien völlig unberührt. Er erhob sich und begann vor dem Dracheneiern auf und ab zu gehen. Er betrachtete sie wie ein Pferdehändler, der die Vorzüge der ihm angebotenen Waren gegeneinander abwog. Er schien die Schale zu studieren, machte Gesten die darauf schließen ließen, dass er die Größe der Eier und ihre Form miteinander verglich und näherte sich schließlich dem violetten Ei.
Cale fiel auf, dass Ismira sich neben ihm verspannte.
"Dieser Gockel." Knurrte die junge Gräfin wütend. "Als könnte man an der Schale mehr erkennen als die voraussichtliche Farbe des Drachen."
Inzwischen hatte Tjurin seine Hand auf die Schale des violetten Eis gelegt und einen überheblichen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Es war deutlich, dass er fest damit rechnete, dass der Drache bei ihm schlüpfen würde. Offenbar freute er sich schon auf die Bewunderung im dann zuteil werden würde. Als sich nach einigen Sekunden jedoch nichts rührte verblasste die Selbstsicherheit auf dem Gesicht des Adeligen und er presste seine Hand fester gegen die Eierschale. Weiterhin machte der Drache jedoch keine Anstalten zu schlüpfen. Schließlich schüttelte Tjurin das Ei leicht als müsste er den Drachen aufwecken. Ein wütendes Knurren der beiden Drachen die über ihm auf der Mauer thronten ließ ihn schließlich zurückschrecken.
Wütend starrte er die Dracheneier an als könnte er nicht begreifen, dass diese Wesen ihn ablehnten. Erst ein leiser Zuruf seines Vaters veranlasste den jungen Herzog widerwillig zu seinem Platz zurückzukehren.
Nun wurde von einem der Stadtwächter der Teil der gespannten Seile entfernt, der Cale Ismira und die übrigen Wartenden daran gehindert hatte zur Tribüne vorzutreten. Während Cale Ismira folgte und die Tribüne immer näher kam hatte der Junge das Gefühl, als hätte eine unbekannte Kraft jeden Knochen aus seinen Beinen entfernt. So unsicher fühlte er sich auf ihnen und als er die Treppe erklommen hatte und kaum 2 m von den Eiern entfernt stand, hatte er die Sorge sein Brustkorb würde unter seinen rasenden Herzschlägen zerplatzen.
Aus Respekt ließ er Ismira den Vortritt. Diese ging mit großer Zielstrebigkeit auf das violette Ei zu. Kurz fragte Cale sich ob sie sich zu diesem Drachenei auf dieselbe Art hingezogen fühlte wie er zu dem Roten. Hoffnungsvoll beobachtete er wie die junge Frau andächtig über die glatte Schale strich. Er hoffte sehr für sie, dass der Drache schlüpfen würde. Während ihres Gespräches war klar geworden, wie tief ihr Wunsch war Reiterin zu werden.
Plötzlich trat einer der Eiwächter vor und machte der Drachenreiterin Narie ein Zeichen. Diese lächelte verstehend und trat zu Ismira. Auf die geflüsterten Worte der Elfe reagierte die junge Frau mit einer Mischung aus Freude und Erstaunen. Dann nahm sie das Dracheneie von seinem Podest und wurde von dem Eiwächter in eines der Zelte geführt welches hinter dem Podium aufgestellt war. Cale erkannte, dass sich die beiden Drachen auf der Mauer hoffnungsvolle Blicke zu warfen.
"Du bist dran mein Junge."
Obwohl die Stimme der Reiterin freundlich und sanft klang zuckte Cale zusammen. Nervös trat er auf das rote Ei zu. Es war seltsam. Die übrigen beiden Eier waren ebenfalls wunderschön und eine Seltenheit. Doch sie interessierten ihn nicht wirklich. Dieses rote Ei zog ihn magisch an. Nur mit einem Finger fuhr er eine der dunklen Adern nach. Plötzlich spürte er wie die Elfe Narie neben ihm trat. Dass auch bei ihm einer der Eiwächter ein Zeichen gemacht hatte war ihm völlig entgangen.
"Nimm bitte das Ei und folgt dem Wächter in eines der Zelte mein Junge." Flüsterte die elfische Reiterin.
Cale war zu verblüfft um zu widersprechen. Erst als er gemeinsam mit einem der weiß gekleideten Elfen im innern des Zeltes angekommen war und sich auf dessen Aufforderung hin gemeinsam mit dem Drachenei auf eine bereitstehende Pritsche gesetzt hatte fand er seine Sprache wieder.
"Habe ich etwas falsch gemacht Herr Elf?"
"Im Gegenteil junger Mensch." Erklärte der Eiwächter freundlich. "Wir haben nur gespürt, dass sich das Bewusstsein des jungen Drachens in dem Ei gerührt hat als du es angefasst hast. Das Küken interessiert sich für dich. Wenn wir das spüren geben wir dem Anwärter und dem Drachenkücken etwas Zeit allein. Manchmal studiert ein Drache stundenlang die Seele eines möglichen Reiters bevor er schlüpft. Deshalb bist du hir. Dieser junge Sculblaka möchte dich kennen lernen."
Cale konnte kaum glauben was er da gerade gehört hatte. Ein Drache interessierte sich für ihn? Bei Ismira konnte er es verstehen Sie war die Nichte eines Reiters, eine Gräfin und obendrein....... den folgenden Gedanken verbot sich Cale. Was sollte an ihm interessant sein?
Gedankenverloren strich er über das Ei.
"Es muss sicherlich ein hübscher Drache dort drin sein." Vermutete der weißgekleidete Elfenkrieger.
"Hübsch ist denke ich das falsche Wort Herr Elf." Widersprach Cale zögernd. "Prächtig, eindrucksvoll oder Ehrfurchtgebietend passt denke ich besser. Das kräftige Rot und das Schwarz. Wenn dieser Drache einmal erwachsen ist wird niemand daran zweifeln dass er eines der mächtigsten Wesen der Welt ist."
Bevor der Elf Antworten konnte, knackte es laut. Erschrocken starrte Cale das Ei an. An einem Punkt war die Schale kreisförmig gebrochen. Es sah aus als hätte von ihnen jemand mit dem Hammer dagegen geschlagen. Wieder knackte es und weitere Risse bildeten sich.
"Offenbar hat dem jungen Sculblaka gefallen was Du da gesagt hast." Schmunzelte der Elf.
Cale war völlig außer Stande noch irgend etwas zu sagen. Fassungslos beobachtete er die Spitze des roten Eis die schließlich völlig auseinander brach und ein rubinroter Drachenschwanz samt dem dazugehörigen Hinterleib zum Vorschein kam. Schritt für Schritt schälte sich der junge Drache aus seinem Ei. Als es schließlich geschafft hatte saß er mit dem Rücken zu Cale. Ungehalten betrachtete das kleine Wesen die klebrige Eihülle die an ihn herab tropfte. Wie die Schale des Eis war der junge Drache Rubinrot und hatte schwarze Krallen, Rückenzacken und Hörner. Auch die Ränder einige der größeren Schuppen waren dunkler als der Mittelteil. Große Kraft und Wildheit schien von dem kleinen Wesen auszugehen, dass nun voll auf damit beschäftigt zu sein schien sich von der Eihülle zu befreien. Während der Drache seinen Hals verdrehte um auch die letzten Stellen seines Körpers zu erreichen fiel sein Blick plötzlich auf Cale. Sofort trat der Junge ins Zentrum der Aufmerksamkeit des jungen Wesens. Freudig Fiepend und auf tapsigen Beinen stolperte der junge Drache auf den Menschen zu der neben ihm saß. Ohne darüber nachzudenken streckte Cale seine Hand nach dem kleinen Drachen aus. Ein Stoß reiner, eiskalter Energie schoss durch den Arm des Buchbindersohns und ließ seine Welt in Dunkelheit versinken.

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt