Als Narie die Offiziersmesse betrat war bereits alles für die anstehende Unterhaltung vorbereitet. Am Kopfende eines rechteckigen Tisches hatte man zwei Spiegel aufgestellt. Aus den schillernden Oberflächen blickten bereits Eragon, Arya und aus dem Zweiten Spiegel Nasuada. An der rechten Längsseite des Tisches hatten die Drachenreiter Platz genommen. Während auf der gegenüberliegenden Seite Trianna, General Miros, Naries Vater Efron und die Gelehrte Sera Platz gefunden hatten.
"Ach, Narie. Dann wären wir ja vollzählig." stellte Eragon mit sachlicher aber nicht unfreundlicher Stimme fest.
Die junge Elfe nickte ihrer Cousine und ihrem Gefährten kurz zu und nahm dann neben Marek am Konferenztisch platz. Schon nach wenigen Sekunden spürte sie, wie Mareks Hand nach ihrer tastete. Aus den Augenwinkeln fing Narie den Blick ihres Gefährten ein. Der Bergnomade versuchte ihr Kraft und Zuversicht für diese Unterhaltung zu spenden. Narie war mehr als dankbar für diese Unterstützung, denn ihre Cousine Arya und ihr Vater vermieden es konsequent sich anzublicken. Die Anspannung die von den Beiden ausging und wie ein unheilvoller Geruch in der Luft hing, ließ aber nichts Gutes für die Unterhaltung erahnen.
"Nun gut." hob Eragon an. "Zunächst einmal möchte ich dem Volk der Elfen ihre schnelle Unterstützung in dieser Sache danken und bitte um euren Bericht Sera-Älfa-koma und Efron-Elda."
Naries Blick huschte sofort zu den beiden Angehörigen ihres Volkes. Eragon war ausgesprochen höflich in seiner Anrede gewesen und die junge Elfe hoffte, dass ihr Vater gleiches mit gleichem vergelten würde.
"Es ist uns eine Ehre dem Orden der Reiter zu Diensten zu sein Eragon Schattentöter."
Seras Äußerung war freundlich und neutral und erweckte bei Narie den Eindruck, dass sich die Elfenfürstin in der Tat auf die Fakten beschränken würde und diese Gelegenheit nicht zum ausfechten einer privaten Fehde nutzen würde. Allerdings bestand von seiten dieser Gelehrten auch keine Notwendigkeit dazu. Soweit Narie es wusste gab es kein böses Blut zwischen der Fürstin, den Drachenreitern oder einem Angehörigen des Ordens im speziellen.
"Hoffentlich erkennt ihr den Nutzen unserer Empfehlungen."
Narie hätte am liebsten aufgestöhnt und ertappte sich dabei wie sie Mareks Hand etwas fester drückte.
Die Äußerung ihres Vaters war eine eindeutige Herausforderung an Arya gewesen. Zum ersten Mal blieb Naries Cousine und ihr Vater sich nun direkt an.
"Wenn Ihr mir etwas zu sagen habt Efron-Serakat, dann tut euch keinen Zwang an."
Narie lief ein Schauer über den Rücken bei den Worten ihrer Cousine. Zwar war die Anrede "Serakat" eine durchaus angemessene Bezeichnung, sie beschrieb einen Elfen, gleich welchen Geschlechts dessen Sachkenntnis man anerkannte, aber Narie verabscheute zutiefst den Tonfall in dem Arya nun sprach. Es war das einzige Elemente im Wesen ihrer Cousine mit dem sie keinen Frieden schließen konnte. Eine Stimme kalt wie Eis ohne jedes Gefühl.
"Ich bin nur in Sorge, ob ihr in der Lage seit Empfehlungen von meiner Seite unbeeinflusst von euren Gefühlen anzunehmen Argetlam Arya."
"Ich habe noch nie meine persönlichen Gefühle über das allgemeine Wohl gestellt Efron-Serakat."
"Ist das so?" erkundigte sich Fürst Efron. Ein Hauch von Amüsement lag in der Stimme des Elfen und die hochgezogene Augenbraue seines rechten Auges unterstrich den leichten Sport. "Dann frage ich mich aber, wieso ihr mich bis heute zu einem derartigen Feindbild erhebt, wie ihr es offenbar tut."
"Entspricht es etwa nicht der Wahrheit, dass ihr mich hintergangen habt während meiner Zeit als Königin?"
Narie erkannte nun in Aryas Stimme einen Hauch der Wut, die ihre Cousine empfunden hatte als sie sich vor Jahren an eben diesem Ort das erste Mal wiedersahen, nachdem Arya abgedankt hatte.
"Ich denke nur, dass ihr die Angelegenheit überdramatisiert. Glaubt ihr, ich bin der einzigegewesen, der eigennützige Ziele verfolgt hat während eurer Regentschaft? Ich weiß nicht, welche Vorstellung ihr von euren eigenen Fähigkeiten habt Argetlam aber bildet ihr euch in der Tat ein, dass man euch die Krone angeboten hat weil ihr so eine herausragende Persönlichkeit seit? Ihr hattet praktisch keine Erfahrung damit wie ein Staat zu führen ist! Zugegeben, ihr wart Botschafterin bei den Varden. Doch es besteht ein Unterschied zwischen der Führung einer Rebellenarmee und der eines Königreiches noch dazu in Friedenszeiten. Es zeugt geradezu von einer kindlichen Naivität, dass ihr die Krone überhaupt angenommen habt. Ihr habt doch unter den Menschen und den anderen Völkern gelebt! Ihr hättet am besten wissen müssen, dass man eure Doppelrolle nur sehr schwer akzeptieren würde. Außerdem ist es sehr einfältig zu glauben, dass sich die anspruchsvolle Aufgabe eines Drachenreiters und die des Oberhauptes eines ganzen Volkes gleichzeitig erfüllen lassen. Ihr wärt ständig auf Reisen gewesen. Eure Abwesenheit hätte politischen Intrigen Tür und Tor geöffnet. Gerade die Königin unseres Volkes muss sich durch Präsenz auszeichnen um schädliche politische Strömungen herauszufiltern. Wie wollt ihr das bitte tun wenn ihr durch die Weltgeschichte reist?"
Unsicher blickte Narie zu ihrer Cousine. Ein gewisser Wahrheitsgehalt war den Worten ihres Vaters nicht abzusprechen und sie fragte sich wie Arya auf die Vorwürfe reagieren würde.
"Ihr sprecht als ob ihr euch vehement gegen meine Krönung ausgesprochen hättet Fürst Efron." stellte Arya mit gefährlich ruhige Stimme fest. "Darf ich euch daran erinnern, dass das genaue Gegenteil der Fall war! Ihr habt angebliche Tagebuchseiten meines Vaters gefälscht. Diese Dokumente haben mich erst dazu veranlasst endgültig zuzustimmen den Thron zu besteigen. Ihr habt euch Vorteile davon versprochen wenn ich das Amt der Königin ausübe und deshalb die Kräfte unterstützt die mich als Nachfolgerin meiner Mutter sehen wollten."
"Ich bestreite nicht, dass die persönliche Interessen verfolgt habe." räumte Naries Vater mit bemerkenswerter Beiläufigkeit ein. "Doch ich frage euch nochmal, glaubt ihr, das ich der einzige bin der persönliche Interessen hatte? Die meisten, die mit Honigworten und Engelszungen auf euch eingeredet haben den Sitz der Majestät für euch zu beanspruchenden verfolgten eigene Interessen. Einige wollten mehr Kontrolle über den Orden der Reiter, anderem ging es um die Tradition und wieder andere verfolgten ähnliche Ziele wie ich. Ja, ich habe mich bemüht politischen Einfluss zu gewinnen indem ich euch zum Thron verhalf. Wollt Ihr mir das vorwerfen? Hätte ich meinen Einfluss verschwenden sollen um euch bei eurem Herumgestolpere in der politischen Welt zu unterstützen ohne selbst etwas davon zu haben? Es ist nun mal ein Faktum, dass die Politik ein schmutziges Geschäft ist. Es ist eine Welt der Kompromisse und ein ständiger Kampf um Vergünstigungen und Einfluss. Es ist offensichtlich, dass ihr das zu keinem Zeitpunkt wirklich begriffen habt. Ich habe euch als zukünftige Königin unterstützt, weil eure politischen Überzeugungen meinen am ehesten entsprachen und ich mir den größten Gewinn beim kleinsten Risiko versprochen habe. Die Art und Weise wie ihr auf meiner Handlungen reagiert habt zeigen deutlich, dass ihr vom alltäglichen Geschehen in der Politik keine Ahnung habt. eher scheint mir, dass ihr ein etwasverklärtes Bild habt. Nehmen wir euch als Beispiel, Königin Nasuada: Ihr habt den gefangenen Priestern des Helgrinds eine mildere Strafe angeboten als Gegenleistung für ihre Kooperation. Habt ihr das getan, weil die Männer Milde verdient haben? Sind sie in euren Augen dieser Gnade würdig? Ich denke eher nicht. Ich denke dass ihr das getan habt, was man von einer guten Politikerin und eine Anführerin erwarten kann. Die habt persönliche Sympathien oder Antipathien hinten angestellt und mit gesundem Pragmatismus das getan was notwendig war."
"Dem ist wohl so." räumte die Großkönigin von Alagaesia zögerlich ein.
"Was ich getan habe Arya" fuhr Efron fort. "Hatte keinen persönlichen Hintergrund. Ich wollte lediglich den Kurs unserer Politik in einer Richtung festlegen, der wie ich glaubte zum Besten unseres Volkes war."
"Du hast aber persönliche Dinge gegen mich benutzt Onkel." erwiderte Arya und gestattete, dass ihre verletzten Gefühle sich in ihrer Stimme schlichen. Narie kannte ihre Cousine gut genug um zu wissen, dass sie damit eine Absicht verfolgte. Nicht umsonst verwendete die Reiterin von Fírnen plötzlich eine familiäre Anrede für ihren Vater. Arya wollte zeigen, dass Efron es gewesen war der die "geschäftliche Seite" ihrer Beziehung mit der privaten vermischt hatte.
"Vielleicht hast du Recht, Onkel. Vielleicht hätte ich wirklich vorhersehen müssen, dass zwei so anspruchsvolle Pflichten wie die Rolle der Königin und der der Drachenreiterin nicht miteinander zu vereinbaren sind. Doch du hättest wissen müssen wie viel mir mein Vater bedeutet hat! Dazu hatte ich gerade meine Mutter verloren! Du hast mit diesen Gefühlen gespielt um deine Ziele zu erreichen. Dafür gibt es meiner Meinung nach keine Entschuldigung! Doch zumindest in einem Punkt sind wir uns einig, Onkel: Es ist gut, dass sich der Politik den Rücken gekehrt habe. Ich denke, dass ich nicht für dieses schmutzige Geschäft geschaffen bin."
"In der Tat."
Zunächst glaubte Narie, dass die Äußerung ihres Vaters ein weiterer Angriff gegen Arya war. Doch lag nun etwas weiches und bedauerndes in seinen Worten.
"Für die Politik bist du wirklich nicht geschaffen. Aber nicht weil es dir an Intelligenz fehlt. Dir fehlt nur eine wichtige Eigenschaft. Du bist keine Pragmatikerin Arya. Du bist ein Idealistin. Versteh mich nicht falsch, daran ist nichts verwerfliches. Die Welt braucht Idealisten, genauso wie sie Pragmatiker braucht. Nur so entsteht ein gewisses Gleichgewicht. Du hast recht, dass es keine Entschuldigung gibt für mein Handeln aber du sollst wissen, dass ich es bedaure. Ich hoffe einfach, dass Du meinen Rat in Bezug auf die Geisterbeschwörung in dieser Situation ernstnimmst und ihn nicht ablehnendst nur weil er von einer Person kommt die dein Vertrauen verloren hat."
Narie verfolgte wie sie Schweigen ausbreitete und Arya und ihr Vater sich gegenseitig musterten. Die junge Elfe wollte gern glauben, dass ein Teil von ihrem Vater wirklich bedauerte er Arya angetan hatte aber auch bei ihr war das Vertrauen in Fürst Efron zu zerrüttet um diesem Wunsch voll nachzugeben.
"Ich mag eine Idealisten sein Efron-Serakat aber ich habe noch nie meine persönlichen Gefühle über das Wohl des Ganzen gestellt." sagte Arya schließlich sachlich. "Was unseren weiteren Umgang miteinander betrifft kann ich mich heute noch nicht endgültig festlegen aber seid versichert, dass sich offen für Fakten bin die ihr zu präsentieren gedenkt."
"Und ich versichere euch, Argetlam, dass ich nur bemüht bin diese Situation durch meine Unterstützung zu klären und mir keine persönlichen Vorteile verschaffen will."
"Das ist gut zu wissen Fürst." ließ sich nun Eragon vernehmen. "Ich habe es toleriert, dass dieses persönliche Thema zunächst abgehandelt wurde, weil ich die Sorge hatte das unterdrückte persönliche Gefühle dieser Konferenz schaden könnten. Ich hoffe das wir nun sachlich zur anstehenden Lage miteinander debattieren können."
Erleichtert stellte Narie fest, dass sowohl Arya als auch ihr Vater dem zuzustimmen schienen. Die junge Elfe fragte sich, woher die Vielschichtigkeit von Eragons Charakter stammte. Er konnte warmherzig und ausgelassen sein wie der Bauernjunge, der er einmal gewesen war, berechnend wie ein Soldat aber auch Redegewandt wie ein Politiker. Möglicherweise lag der Grund dafür bei den Eldunari. Niemand hatte sich intensiver mit den Seelenhorten und ihren Erinnerungen beschäftigt. Eragon hatte sich dadurch Erfahrungen erworben, die weit über seine Jahre hinausgingen.
In jedem Fall hatte die junge Elfe den Eindruck, dass ein beträchtliches Maß an Spannung aus der Situation gewichen war.
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Eragon Band 6 - Die Wege der Reiter
FanfictionDas ist die Fortsetzung zu Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein Anfang. Wer Band 5 nicht kennt, sollte es erst lesen, um Band 6 zu verstehen. Ich sage es hier nochmal, dass mir die Geschichte nicht gehört. Ich habe sie nur auf...