140. Feuer im ersten Licht

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Die Sonne hatte sich noch nicht völlig über den Horizont erhoben als sich Cale und Ismira bereits auf den weiteren Flug nach Ilirea vorbereiteten.
Im Anschluss an die Besprechung war man über ein gekommen, dass Anarie und Tailon sich eine Nacht ungestörten Schlaf verdient hatten. Die beiden Jungdrachen hatten in den vergangenen Tagen extreme Entfernungen bewältigen müssen. Die schnelle Reise nach Vroengard und der Weiterflug zum alten Außenposten hatten von den Kraftreserven der Geschwister ihren Tribut gefordert.
Außerdem hielt es die Drachenreiterin Narie sowieso für zu gefährlich, ihre ehemaligen Schützlinge bei Nacht reisen zu lassen. Schatten waren Kreaturen der Dunkelheit und fühlten sich in ihr wohl. Dasselbe galt auch für den Letherblaka der, so war die Elfe sich sicher, durch den in ihn eingedrungenen Geist längst zu einem Wesen geworden war, wie es Alagaesia noch nie gesehen hatte. Die beiden jüngsten Reiter des Ordens hatten schließlich ihrer ehemaligen Lehrerin zugestimmt und beschlossen die nach dem Außenposten zu verbringen. Zimmer standen ausreichend zur Verfügung, da das Bataillon der Nachtfalken abgezogen war.
Obwohl das Licht geführt Cale und Ismira einen kleinen Stich versetzte freuten sich beide doch über die Möglichkeit die Nacht in einem richtigen Bett zu verbringen und nicht zuletzt bot sich die Gelegenheit ein gründliches Bad zu nehmen.
Ismira war nicht müde geworden zu betonen, dass sie sich erst als sie wieder aus dem Wasser stieg wieder als richtiger Mensch fühlte. Mehr als eine sprichwörtliche Katzenwäsche hatten die Umstände ihrer Reise nicht zugelassen.
Als Tailon und Anarie gemeinsam mit ihrer Mutter Kira auf dem aufsetzten, was vom Innenhof der Befestigungsanlage übrig war, konnte Cale deutlich spüren, dass die Ruhepause den beiden Jungdrachen gut getan hatte.
Der Geist seines roten Seelenbruders wirkte wacher und konzentrierter. Irgend etwas schien allerdings die beiden Geschwister in Aufregung zu versetzen. Cale zögerte daher Tailon seinen Sattel aufzulegen und fragte stattdessen vorsichtig ob etwas geschehen sei.
- "Das könnte man so sagen." - Schmunzelte die rote Drachendame Kira während ihr Sohn nur ein versonnen des Brummen ausstieß und seine Schwester nervös mit ihren Krallen im Sand scharrte. - "Nun zeigte es euren Reitern schon meine Schätze." -
Liebevolle Aufforderung der Drachenmutter schien ihre Sprösslinge noch etwas mehr in Verlegenheit zu versetzen. Schließlich war es Tailon der sich als erster davon befreite, den Kopf weit in den Nacken legte und zur allgemeinen Überraschung eine gewaltige Flammenzunge in den Himmel aufsteigen ließ.
Noch während die Drachenreiter atemlos staunten schloss sich nun auch Anarie ihrem Bruder an. Ganz offensichtlich wollte sie nicht hinter ihm zurückbleiben. Für einige fantastische Sekunden war der morgendliche Himmel erfüllt vom prächtigen Farbenspiel des Drachenfeuers.
Cale wusste nicht was er sagen sollte und starrte seinen roten Seelengefährten einfach nur mit offener Mund an.
Ismira war ein wenig direkter. Sie sprintet auf Anarie zu, ihre Arme um ihren Hals und drückte sie so fest sie konnte.
- "Bist du nicht auch ein bisschen stolz auf mich?" - Erkundigte sich Tailon unsicher als ein Reiter noch immer nicht sagte.
Cale hatte das Gefühl als wären die Worte seines Drachen eine dringend benötigte Eimer kaltes Wasser der ihm über den Kopf gegossen wurde. Auch der Buchbindersohn umarmte jetzt so gut er konnte seinen treuen Begleiter.
- "Natürlich bin ich stolz auf dich! Warum habt ihr uns das nicht erzählt? Ich meine,.... wie lange klappt es schon mit dem Feuer." -
- "Eigentlich schon seit Vroengard. Großmutter hat uns ein paar Lektionen gegeben was die richtige Art und Weise des Atmens angeben wenn man sein Feuer entfesseln will. Ihr Zweibeiner stellt euch das nicht immer so einfach vor! Aber man muss seinen Atem dabei genau kontrollieren sonst verliert die Flamme Kraft oder kommt gleichzeitig aus Maul und Nüstern was auch nicht gut ist. Jedenfalls ging es dann plötzlich einfach."-
- "Und warum hatte es uns erst jetzt erzählt?" - erkundigte sich Cale überrascht. Ein kurzer Blick zu Ismira, die ihrer Drachendame entsetzt musterte, verriet Cale, dass sich eine eheliche Unterhaltung gerade bei seiner Gefährtin und der Schwester seines Drachen abspielte.
- "Es ist immer etwas dazwischen gekommen." - rechtfertigte sich Tailon. - "Wir wollten gerade zu euch und euch erzählen, dass unsere Flamme erwacht ist als ihr euren mentalen Hilferufe gehört haben. Diese Hüter haben sich in genau diesem Moment dem Lager genähert. Das hat sich zwar alles recht schnell zu unserem Vorteil entwickelt aber danach stand im Vordergrund, eine Allianz mit ihnen und den Geistern zu schmieden. Außerdem hat uns die Tatsache, dass Meisterin Arya plötzlich einen Bruder hatte auch etwas aus der Bahn geworfen. Schließlich ist sie sehr eng mit Großvater verbunden und ihre Aufregung hat auf ihn abgefärbt und damit auch auf uns. Wir wollten es euch auf dem Rückweg nach Ilirea erzählen aber dann haben wir von dem Angriff gehört auf den Außenposten." -
- "Und da habt Ihr euch natürlich Sorg en um eure Mutter gemacht und um ihrer Reiterin." - lenkte Cale verstehend ein.
- "Genau! Als wir uns dann von Meister Eragon und Meisterin Arya sowie unseren Eltern getrennt haben um zu diesem Außenposten zu gelangen haben wir beschlossen es euch vor unserer Ankunft hier im Nachtlager zu erzählen. Wir hatten es so geplant, dass wir das Lagerfeuer entzünden wollten als Überraschung für euch." -
Tailon senkte jetzt seinen Kopf bis er mit seinem Reiter auf Augenhöhe war und ein schelmischer Unterton schlich sich in seine Stimme.
- "Aber das Feuerholz ist an diesem Abend ja nie im Lager angekommen. Mein Reiter hat lieber seine Gefährtin entführt und ein Paarungsritual begonnen." -
Cale lief rot an und bemühte sich das vor der Elfe Narie zu verbergen. Er schnappte sich den Sattel seines Drachen und legte ihn auf dessen Rücken.
- "Hast du das deiner Mutter auch erzählt?" -
- "Was?" - Fragte Tailon mit einem unschuldigen Ton in der Stimme und vermied es konsequent sein Reiter anzublicken der nun an Gurten und Schnallen herum hantierte.
- "Das Ismira und ich.... Du weißt schon!" -
Tailon ließ sein Reiter noch einige Augenblicke zappeln bevor er zu ihm herüberblickte.
- "Natürlich nicht!" - versicherte er und setzte dann schelmisch hinzu: "- wir haben ihr erzählt, dass ihr zwei und im Wald verlaufen hättet und wir stundenlang nach euch suchen mussten." -
Cale warf seinem Wegbegleiter einen finsteren Blick zu den dieser damit quittierte, dass er ihm schelmisch zu zwinkerte.
Inzwischen hatte auch Ismira Anarie zum Abflug bereit gemacht und verstaute die Schatulle mit dem Bruchstück der Lanze in einer ihrer Satteltaschen. Der Flug nach Ilirea, so schätzten die jungen Reiter, würde etwa zwei Tage dauern. Cale und seine Gefährtin hatten abgesprochen, das Ismira die Lanze am ersten Tag und er sie am zweiten in Verwahrung nehmen würde.
Als schließlich alles bereit war bestiegen die beiden jüngsten des Ordens ihre Drachen und gemeinsam mit ihren Seelengefährten abwartend zu ihrer ehemaligen Lehrmeisterin und ihrer Drachendame.
Die junge Elfe nahm sich die Zeit um jedem ihrer Schüler einige Sekunden direkt in die Augen zu blicken bevor sie mit ernster und dennoch melodiöser Stimme sagte: "viel Glück auf euren Weg möget ihr sicher euer Ziel erreichen."
Auch Kira blickte erst die beiden Reiter und dann ihren Kindern in die Augen und stieß jeden ihrer Sprösslinge zärtlich mit der Schnauze an.
- "Möget ihr schnell wieder Nordwind sein meine Schätze. Auf ein baldiges Wiedersehen." -
Es waren einfache Worte die gewechselt wurden dennoch spürte Cale wie sich ihm ein Kloß im Hals bildete. Ihm wurde bewusst wie wichtig die Aufgabe war, man ihm und Ismira übertragen hatte. Zum einen die Größe ihres Auftrags und zum anderen die Tatsache, dass Tailon sein Feuer entdeckt hatte führte dazu, dass der junge Buchbindersohn aus Isencroft sich zum ersten Mal wirklich wie ein Drachenreiter fühlte.
Tailon übermittelte seinem Reiter ein Gefühl, welches zum Ausdruck brachte, dass er diese Einsicht seine Seelenbruders für überfällig hielt. Noch bevor Cale etwas erwidern konnte spürte er wie sich die Muskeln seines Begleiters an schwanden und Sekunden später schossen die beiden Jungdrachen in den klaren Morgenhimmel.

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt