99. Beratung

1.5K 66 2
                                    

Der Anblick der fünf Drachen die es sich auf der Ebene, einige Meilen vor Ilirea, bequem gemacht hatten war trotz der Jahre an Erfahrung Eragon inzwischen mit den Mächtigen Wesen hatte immer noch beeindruckend. Der Anführer der Reiter hatte sich sehr gefreut als Murtagh und Dorn aus der Hauptstadt des Reiches aufgestiegen waren und ihnen entgegenflogen. Kurz hatte der Donner in der Luft ausgeharrt und die Drachen hatten mit schnaubendenden Atemzügen den Geruch des jeweils anderen gekostet. Saphiras Reiter wusste, dass dieses Verhalten für die Drachen das war, was für Zweibeiner ein Händeschütteln gewesen wäre. Schließlich waren alle Reiter mit ihren Gefährten gelandet und Dorn hatte mit besonderem Interesse die Küken seiner Schwester inspiziert. Sichtlich beeindruckt von ihrem Fortschritt wollte er alles über ihre Ausbildung erfahren und verwickelte auch Ismira und Cale in dieses Gespräch.
Eragon hatte den Eindruck nicht unterdrücken können, dass Murtagh da seine Finger im Spiel gehabt hatte. Das Interesse des roten Giganten richtete sich deutlich mehr auf seine Nichte und seinen Neffen als auf deren Reiter. So ergab sich allerdings die Möglichkeit für die drei erfahrensten Reiter Alagaesias ein offenes Gespräch zu führen ohne darauf achten zu müssen Informationen zu enthüllen die ihren Schülern noch nicht zugänglich waren.
In einiger Entfernung hatte Murtagh mit seinem Bericht begonnen. Angela hielt sich in der Nähe der drei Drachenreiter auf zeigte aber kein besonderes Interesse daran an der Unterhaltung teilzunehmen. Mit einem eisigen Blick hatte Arya auf die Information reagiert, das Tjurin versucht hatte Lorena und damit sein ungeborenes Kind zu töten. Eragon konnte sehr gut nachvollziehen, dass es gerade für die Elfen, die Kinder über alles stellten, eine geradezu unfassbare Tat war. Auch ihn schockierte was er hörte. Marlena war einer der größten Segen in seinem Leben und der Anführer der Reiter kam zu dem Schluss, dass nur eine Geisteskrankheit Tjurins Verhalten wirklich erklären konnte.
"Hast du eigentlich das Wort der Wörter zum Einsatz gebracht als du die Zauber gewirkt hast, die Tjurin davon abhalten sollen Magie zu wirken Murtagh-Elda?" erkundigte sich Arya und brachte Eragon damit dazu, sich wieder auf das eigentliche Gespräch zu konzentrieren.
"Noch nicht." gestand der Dunkelhaarige. "Ich gebe zu, dass ich in der Situation einfach zu wütend war um daran zu denken. Rückblickend ist das vielleicht ein Fehler."
"Da bin ich gar nicht so sicher Bruderherz." warf Eragon ein. "Je öfter wir das Wort der Wörter benutzen desto bekannter wird die Tatsache, dass die Reiter über einen ganz besonderen magischen Bann verfügen, der jede Form von Magie unterdrücken kann. Diese Tatsache könnte durchaus die Neugier der falschen Wesen erregen. Ich denke wir sollten abwarten bis wir Triannas Bericht über Tjurins Fähigkeiten haben. Wenn es uns dann nötig erscheint einen zusätzlichen Schutz mit dem Wort der Wörter um ihn zu legen könnte das immer noch nachholen."
- "Sehr richtig." - Umaroth nahm nun an der Unterhaltung Teil. Er und Glaedr hatten Arya und Eragon nach Alagaesia begleitet. Die Seelenhorten der beiden mächtigen Drachen ruhten in gefütterten Umhängetaschen die der Anführer der Reiter und seine Gefährtin trugen. Für zwei Eldunari erschien es schlichtweg übertrieben eine Raumfalte zu erzeugen. Der weiße Drache fuhr mit seinen Ausführungen fort: - "Selbst wenn ihr die genaue Struktur des Wortes der Wörter durch Magie tarnt so würde durch übermäßigen Gebrauch die Tatsache, dass es ein Geheimnis gibt enthüllt. Ein Geheimnis stellt für manche Individuen einen Reiz dar, dem sie sich nicht widersetzen können." -
"Gut, dann verbleiben wir so." legte Eragon fest. "Ich denke wir sollten jetzt zur Stadt weiterfliegen und das Gespräch mit Nasuada suchen. Es wäre unhöflich die Königin des Reiches nicht an weiteren Beratungen zu beteiligen."
Dem stimmten Arya und Murtagh zu und machten sich auf den Weg zu ihren Drachen. Eragon blieb noch einen Moment mit Angela zurück.
"Ich wünschte mir, du würdest mir nun sagen, dass wir eine Reise nach Alagaesia umsonst gemacht haben, dass uns hier nun nichts interessantes mehr erwartet."
Die Kräuterhexe seufzte übertrieben.
"Ach Jungchen! Du bist so weise geworden in den letzten Jahren aber hier erkennt man doch noch deine Jugend. Natürlich gibt es hier noch jede Menge interessante Dinge! Sie dort zum Beispiel!"
Angela deutete auf zwei Vögel die es sich auf dem Ast eines einsam stehenden Baumes bequem gemacht hatten und mit ihren Liedern den schönen Tag priesen.
"Das sind zwei Blaumeisen." Stellte Eragon trocken nach einem Moment der Betrachtung fest.
"In der Tat." bestätigte Angela aufgeregt. "Aber warum sind Blaumeisen blau? Warum nicht grün? Oder sind sie vielleicht grün und tun bloss so als wären sie blau. Für mich sehr interessante Fragen wie du siehst."
Eragon hatte bereits den Mund zu einer schnippischen Antwort geöffnet als Angela ihm zuvor kam: "Ich weiß nicht alles Junge. Besonders die feinen Details der Zukunft offenbaren sich nur sehr zögerlich aber ich bin mir sicher, auch wenn du dich vielleicht nicht für Blaumeisen interessierst, auch dir wird nicht langweilig werden."
Mit diesen Worten schritt Angela ebenfalls in Richtung der Drachen davon. Eragon folgte ihr mit einem "das habe ich befürchtet" auf den Lippen.





::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::





Wenig später hatte sich die Gruppe um Eragon in Nasuadas Thronsaal eingefunden.
Wenige Flügelschläge hatten genügt um die Drachen über das Herz der Hauptstadt zu bringen. Freudig hatte Eragon festgestellt, dass die Ankunft von Drachenreitern zwar immer noch Aufregung in der Stadt auslöste aber der Anteil an Furcht deutlich abgenommen hatte. Bei seinem ersten Besuch hatten sich so manche Bürger noch in ihre Häuser geflüchtet und vor allem Kinder von der Straße geholt. Heute war das genaue Gegenteil der Fall: Saphira und ihre Begleiter hatten einige Runden über der Stadt gedreht um den Menschen, die sich in den Straßen versammelten die Gelegenheit zu geben den ankommenden Donner in seiner gesamten Pracht zu genießen. Eltern riefen ihre Kinder zu sich, damit auch diese die Ankunft der Reiter mit erleben konnten und so mancher Vater hob seine Kinder auf seine Schultern damit sie besser sehen konnten.
Die alte Kaserne, welcher während des ersten Besuchs des neuen Ordens der Reiter im Ilirea als Unterkunft für die Drachenreiter gedient hatte war inzwischen nach Anweisungen Nasuadas gründlich umgebaut worden um für Reiter und ihre Begleiter eine angemessene Unterkunft zu sein.
Auf dem Hof der ehemaligen Kaserne war Gras gesät worden und eine dichte Wiese stellte eine bequeme Unterlage für die mächtigen Körper der Drachen da. Ein breites Becken in der Mitte des ehemaligen Hofes war mit frischem Wasser gefüllt und ein breites Vordach war auf der Mauerkrone des umgebenden Befestigungswalz angebracht worden. Unter ihnen konnten die Drachen während schlechten Wetters Zuflucht finden. Auch die Unterkünfte für die Reiter waren nun besser möbliert als beim ersten Besuch des Ordens doch waren sie immer noch schlicht und funktionell gehalten. Auf Letzteres hatte Eragon bestanden, da insbesondere junge Reiter sich ständig darüber im klaren sein sollten, dass sie zwar eine angesehene Positionen bekleideten aber in erster Linie Diener der Völker waren.
Die Drachen verfolgten die nun stattfindende Beratung in Nasuadas Thronsaal durch die Augen ihrer Reiter.
Herzlich hatte die Königin Eragon und Arya begrüßt und auch Cale und Ismira freundlich willkommen geheißen. Die Herrscherin von Alagaesia war sichtlich erfreut ihre alten Kampfgefährten aus der Zeit des großen Krieges wieder zu sehen.
Man hatte am Konferenztisch des Thronsaals Platz genommen allerdings wurde die Runde, trotz des ernsten Themas, durch Getränke und Obstschalen aufgelockert, die auf Geheiß der Königin hereingetragen wurden.
"Ich habe noch einmal mit den Magiern gesprochen." erklärte Nasuada schließlich. "Sie haben die junge Lorena noch einmal untersucht. Sie ist jetzt hier im Palast untergebracht und die Heiler, die sie behandelt haben sind guten Mutes, dass sie vollständig genesen wird. Auch ihr Kind sollte keinen Schaden genommen haben. Die Untersuchung der Magier hat aber auch eindeutig erwiesen, dass Tjurin der Vater des ungeborenen Lebens ist."
Nasuadas Blick wanderte in die Ferne und gedankenverloren schüttelte sie den Kopf.
"Die Tat dieses Burschen ist mir einfach unbegreiflich."
"Das geht uns wohl allen so Nasuada-Svit-kona." fügte Arya an.
"Ich habe immer gewusst, dass dieser Tjurin ein aufgeblasener Ochsenfrosch ist." warf Ismira in die Runde und sorgte damit dafür, dass ihr Onkel sowie alle anderen Anwesenden nur mühsam ein Lachen unterdrückten.
"Arroganz ist eine Sache Ismira." murmelte Eragon und zwinkerte seiner Nichte kurz zu. "Doch das, was sich Tjurin da geleistet hat sprengt ganz eindeutig den Rahmen von schlechtem Benehmen. Wie willst du jetzt weiter mit ihm verfahren Nasuada?"
"Nun, zwar liegt uns noch kein ausführlicher Bericht von Trianna vor aber die Anschuldigungen, die sie erhoben hat rechtfertigen eine Untersuchung von Tjurins Geist. Ich werde eine Gruppe von Magierin damit beauftragen diese Untersuchung durchzuführen. Sollten sich alle Verbrechen, die gegen ihn im Raum stehen beweisen lassen, dann bleibt mir keine Wahl. Über 20 Menschen tot, ein Wesen geschaffen, dass die Sicherheit des gesamten Königreiches gefährdet und ein versuchter Mord! Jedes dieser Verbrechen für sich genommen ist bereits Grund genug diesen Kerl an den Galgen zu stellen."
"Auch ich bin abgestoßen von seinen Verbrechen Nasuada aber ich würde gerne an der Untersuchung seines Geistes teilnehmen." bat Arya.
"Warum das?" Erkundigte sich Eragon nicht ohne Sorge. Er wusste, das seine Gefährtin sehr gut in der Lage war auf sich selbst aufzupassen aber er konnte sich nicht vorstellen, dass Tjurins Gedankenwelt ein angenehmer Aufenthaltsort war.
"Wir Elfen haben einige Erfahrung darin Erkrankungen des Geistes zu erkennen." erklärte die Elfe. "Es gibt eine Reihe von Störungen der Persönlichkeit die Tjurins Taten erklären könnten. Wenn eine solche vorliegt sollte das bei der Urteilsfindung eine Rolle spielen."
Nasuada nickte zustimmend.
"Ich würde nur zu gerne einen Grund finden von einer Hinrichtung abzusehen." erklärte die Königin. "Nicht um Tjurins willen aber wegen seines Vaters. Es wird ein Schock für ihn sein wenn er hört was seinem Sohn vorgeworfen wird. Ich habe den Brief an ihn zwar verfasst konnte es aber noch nicht über mich bringen ihn abzusenden. Es erscheint er so falsch einem Vater so eine Nachricht zu überbringen wenn er mit ihr praktisch allein ist. Es wird auch wenigstens eine Woche dauern bis er von Giel' ead hierher gereist ist. Er wird sicherlich auch an gehört werden wollen wenn es um das Leben seines einzigen Sohnes geht."
"Es wäre nur sinnvoll ihn anzuhören." erklärte Arya. "Die Störungen des Geistes von denen ich gesprochen habe kann man nur teilweise durch eine Untersuchung der Gedanken erkennen. Mit Herzog Aurast zu sprechen würde ein genaueres Bild liefern."
"Dürfte ich etwas vorschlagen Meister?"
Eragon war angenehm überrascht als er sah, dass Cale ihn angesprochen hatte. Der Anführer der Reiter wertete es als ein gutes Zeichen, dass sein junger Schüler es wagte sich bei einem so offiziellen Anlass zu äußern. Aufmunternd nickte er den Buchbindersohn zu.
"Wie wäre es, wenn Tailon und ich nach Gil' ead fliegen würden. Wir brauchen nur etwa einen Tag für die Strecke. Meine Familie lebt ganz in der Nähe und wir könnten bei ihnen die Nacht verbringen. Am nächsten Morgen könnten wir dann bei Herzog Aurast vorsprechen und ihm eure Nachricht überbringen Königin Nasuada. Wenn ein Reiter ihm die Nachricht übergibt, ist es weniger unpersönlich. Ich könnte auch auf Rückfragen von ihm antworten und Tailon ist kräftig genug um zwei Personen zurück nach Ilirea zu bringen. Wenn der Herzog sich nicht davor scheut zu fliegen würde eine Menge Zeit gespart was den Ermittlungen von Meisterin Arya entgegenkäme."
Nasuada nickte anerkennend und ließ ihren Blick zu Eragon wandern.
"Wenn du als Cales Lehrmeister nichts dagegen einzuwenden hast Eragon, ich halte das für eine sehr gute Idee."
"Und wenn du dir Sorgen machst Onkel, Cale und Tailon allein durch das Land zu schicken könnte ich die beiden begleiten." bot Ismira bereitwillig an. "Vater hat gelegentlich Geschäfte mit Herzog Aurast gemacht und im Gegensatz zu seinem Sohn habe ich mich mit ihm immer recht gut verstanden."
"Und du möchtest meine Familie kennen lernen." fügte Cale sarkastisch an.
Eragon empfand es ebenfalls als ein gutes Zeichen, das Ismira die Neckerei ihres Gefährten würdevoll ignorierte und ihm nicht wie sonst üblich hingebungsvoll die Zunge heraus streckte. Offenbar hatte sie Fortschritte gemacht was ihr Benehmen in Gegenwart von hochgestellten Persönlichkeiten betraf.
Der Anführer der Reiter dachte darüber nach was ihm vorgeschlagen worden war und schickte einen fragenden Gedanken an Saphira.
- "Lass die beiden doch." - summte die blaue Drachendame. - "Meine Enkel müssen sowieso lernen eine weitere Strecke zu fliegen ohne sich an meine Flügelspitzen zu klammern. Sie müssen lernen selbst ihren Weg durch das Land zu finden. Cale und Ismira sind inzwischen recht gut ausgebildet. Als wir damals das Palancartals verließen waren wir nicht halb so weit und wir waren in weitaus größerer Gefahr als unsere Schüler heute." -
Eragon konnte seiner treuen Begleiterin nur Recht geben. Eine wirkliche Gefahr bestand nicht für seine Schüler. Vielmehr würden sie als Drache und Reiter davon profitieren und Herzog Aurast würde es die Nachricht vielleicht wirklich etwas erträglicher machen.
"Ich habe keine Einwände gegen dieses Vorgehen." sagte Eragon schließlich. Besonders Ismiras Augen leuchteten vor Vorfreude auf. "Ich denke aber, dass Ihr erst morgen Früh aufbrechen sollte. Gebt euren Drachen eine Nacht zeit um sich auszuruhen."


Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt