Nach ihrem Gespräch hatten sich Cale und Ismira wieder ihren Habseligkeiten zugewandt und diese in ihre Rucksäcke verpackt. Kurze Zeit später stimmten die Elfen ihrer Eskorte ein leises Lied an und bereits nach wenigen Minuten erschienen die Pferde des schönen Volkes auf der Lichtung. Bereits am Tag vorher hatte Narie ihre Schüler in den Umgang mit elfischen Rössern eingewiesen und nahm sich nun nur kurz Zeit das Wissen der Jungen Reiter noch einmal aufzufrischen.
Als dies erledigt war setzte die Gruppe ihren Ritt fort. Obwohl Ismira, wenn man ihrem Vater glauben durfte, sich auf einem Pferderücken wohler fühlte als in ihrem eigenen Bett, empfand es die junge Frau doch als ungewöhnlich ohne Sattel oder Zaumzeug zu reiten. "Gewöhn dich lieber dran." neckte ihr Drachenmädchen Anarie. "Einen Sattel lasse ich mir noch gefallen wenn ich alt genug bin dich zu tragen aber wehe du kommst mir mit Zaumzeug. Wohin wir fliegen bestimme ich!"Die Drachen legten die Strecke nach Emfilion fliegend zurück. Sowohl Kira als auch Hidalgo waren der Meinung, dass es kein besseres Training für ihre Kinder gab als diese relativ lange Strecke aus eigener Kraft zu bewältigen. Saphiras Sohn hielt sich nur in unregelmäßigen Abständen bei der Gruppe auf. Marek erklärte den Umstand seinen Schülern mit der Tatsache, dass Hidalgo ein wilder Drache war.
"Ein wilder Drache schätzt seine Freiheit und demonstriert dies gern." erklärte der Reiter der gelben Drachendame Laorie. "Ein Drache der nicht tun und lassen kann was er will ist kein Drache. Deshalb entfernt sich Hidalgo gerne hin und wieder von unserer Gruppe um zu zeigen, dass er selbst der Herr seines Handelns ist."
Der Wald war inzwischen so dicht geworden, dass es nur der besonderen Klugheit der Pferde der Elfen zu verdanken war, dass die Gruppe noch sicher ihren Weg fand. Über den Baumwipfeln hörten sie immer wieder das Rauschen von Drachenschwingen. Gelegentlich blitzten die Schuppen in ihren jeweiligen Farben durch das unergründliche Grün bis Elfenwaldes.
Als die Gruppe bereits eine gewisse Zeit unterwegs war und das Gelände dies zuließ lenkte Ismira ihr Pferd neben das ihrer Lehrerin Narie.
"Meisterin, wegen unseres letzten Gespräches: Ich wollte mich nochmal entschuldigen. Es war sicher nicht meine Absicht euch oder Cale irgendwelche Probleme zu machen."
Die Elfe ließ sich einen Moment Zeit bis sie ihrer Schülerin antwortete: "Es ist mir klar, dass das nicht deine Absicht war. Im Grunde ist deine Unbedarftheit und Offenheit gegenüber dem Neuen auch nichts wofür du dich schämen musst. Im Gegenteil. Diese Art von Toleranz ist im Grunde sehr löblich, doch du musst ein Gleichgewicht finden Ismira-Finiarel. Bedenke immer, dass du nun eine Drachenreiterin bist. Dein Wort hat beachtliches Gewicht. Gibst du es unbedacht kann das Auswirkungen auf vielerlei Ebene haben. Und manche Reaktionen lassen sich auch durch eine Entschuldigung nicht umkehren oder aufhalten."
"Ich habe eure Worte gehört und verstanden, Meisterin. Ich hoffe einfach nur, dass ihr in mir nun keinen hoffnungslosen Fall seht."
Das milde Lächeln, welches nun auf dem Gesicht ihrer Lehrmeisterin erschien sorgte dafür, dass Ismira ein Stein vom Herzen fiel.
"Natürlich nicht." sagte die Elfe milde. "Ich wäre eine sehr schlechte Lehrerin wenn ich von dir stets nur Perfektion erwarten würde. Du und Cale müsst erst in eure Rollen hineinwachsen und dafür habe ich auch Verständnis. Wenn Marek und ich euch also tadeln, dann nicht weil ihr uns enttäuscht habt, sondern weil wir einen Punkt bemerkt haben an dem ihr euch noch verbessern müsst. Du bist doch aber klug genug das zu erkennen Ismira. Warum glaubst du etwas getan zu haben was ich dir nicht verzeihen könnte?"
"Nun ja," druckste Ismira verlegen. "Vielleicht mangelt es mir noch an Erfahrung im Umgang mit eurem Volk, Meisterin, aber ihr wart sehr heftig in eure Reaktion."
Ein Schatten glitt über die Züge der elfischen Drachenreiterin.
"Offenbar bist Du nicht die einzige, die sich entschuldigen muss Ismira-Finiarel. Du hast recht, ich war sehr heftig. Heftiger als du es verdient hattest. Es ist nur, dass die Nähe zu Emfielion mich an einen Verlust erinnert, der sehr schmerzlich für mich war. Sobald wir die Stadt erreicht haben und Fürstin Neferta unsere Aufwartung gemacht haben, werde ich euch näheres darüber erzählen. Mach dir nun aber keine Sorgen mehr. Die Angelegenheit ist erledigt und wird nicht zwischen uns stehen."
Erleichtert atmete Ismira auf. Die Sonne schien gleich ein wenig wärmer zu scheinen.
"Ich hoffe nur, dass Cale kein Nachteil entsteht weil meine Zunge schneller war als mein Verstand. Ich fände es beschämend, wenn er wegen mir nicht die Wahrheit über seine Abstammung herausfinden würde."
"Ich bin froh, dass du dich so gut mit deinem Mitschüler verträgst." entgegnete Narie. "Ich denke aber nicht, dass du dir Sorgen machen muss. Ich habe mit Arya über diesen Punkt gesprochen und sie hat eine gute Idee gehabt. Ich habe Cales Dolch mithilfe von Magie an die Schmiedemeisterin Runön geschickt. Ich zweifle zwar daran, dass sie den Dolch hergestellt hat aber ein Handwerk von solcher Kunstfertigkeit kann auch unter meinem Volk nur von einer handvoll Personen angefertigt worden sein. Runön kennt die meisten Schmiede, die zu so etwas in der Lage wären. Sie wird sicher herausfinden wer den Dolch hergestellt hat und nicht zögern uns die Wahrheit zu enthüllen. Letztendlich lässt sich die Wahrheit sowieso nie ganz verbergen."
Der Sturm in Ismiras Seele beruhigte sich nun endgültig. Sie beschloss den Fehler nun hinter sich zu lassen und ihre Lehre daraus zu ziehen. Mit neuem Elan setzte sie ihre Reise fort.
In den frühen Nachmittagsstunden ritt die Gruppe schließlich auf offenes Gelände hinaus. Zwar war das Gebiet immer noch bewaldet doch die Bäume lichteten sich merklich und das Gelände fiel sanft zu einem kleinen Tal ab. Auf der anderen Seite des Tals erhob sich ein Bergmassiv vor der Reisegruppe. Es schien aus reinem weißen Marmor zu bestehen. Die hoch stehende Sonne ließ den Felsen geradezu erstrahlen. Eine Zitadelle die mit einzigartiger Kunstfertigkeit ins Gestein gearbeitet waren schmiegte sich an den Berg. Sie schien das Zentrum der Elfensiedlung zu sein, die sich nun vor den Neuankömmlingen ausbreitete.
Es überraschte Ismira, dass das Zentrum Emfielions ein Gebäude war welches offenbar aus Steinen gearbeitet war. Bei ihren Besuchen hatte Tante Arya ihrer menschlichen Nichte von den Heimstätten ihres Volkes erzählt. Steinerne Häuser die ihre Form der Natur aufzufangen waren eher selten. Die Elfen pflegten ihre Wohnungen aus Bäumen zu singen und so waren auch die übrigen Häuser von Emfielion im Einklang mit der Natur gehalten. Diese Siedlung schien einfach etwas anders zu sein.
Dieser Eindruck wurde noch untermauert durch den Schutzwall der die gesamte Stadt umspannte. Zwar handelte es sich nicht um eine steinerne Stadtmauer sondern um ein Bollwerk welches mit der Kunstfertigkeit der Elfen hergestellt war. Die Stadt wurde umgeben von einem sanft ansteigenden Erdwall dessen Krone eine dicke, dichte Hecke aus Weißdornbüschen bildete. Ismira kannte diese Art von Pflanzen nur zu gut. Im Alter von 10 Jahren war sie bei einem Sturz aus dem Sattel einmal in einem solchen Busch gelandet. Es war alles andere als ein Vergnügen gewesen sich die fast fünf Zentimeter langen Dornen der Pflanzen aus dem Gesäß ziehen zu lassen. Diese Büsche waren jedoch anders als alles was die junge Frau je gesehen hatte. Die Hecke, die den Verteidigungswall krönte, war fast sieben Meter hoch und fast zwei Meter breit. Dabei waren die schwarzen Zweige so eng miteinander verflochten, dass praktisch eine massive Wand entstand. Hinter dem Wall reihten sich Wachttürme aneinander die ebenfalls aus weißem Stein bestanden und mit Bogenschützen besetzt waren. Nur an einer Stelle gewährte ein massives hölzernes Tor Einlass in die Elfensiedlung.
Als Ismira ihre Lehrer Marek und Narie auf diese ungewöhnliche Bauweise ansprach fiel erneut ein Schatten über das Gesicht der Elfe. Es war Marek der antwortete: "Was ihr hier seht sind die Narben der Vergangenheit."
Ismira stutzte. Derartig nebulöse Antworten waren eigentlich nicht die Art ihres menschlichen Lehrmeisters. Die junge Frau tauschte einen Blick mit Cale aus. Dieser hob auch nur verständnislos die Schultern.
Je näher sie der Stadt kamen, desto bedrohlicher erschienen die Stadtmauer aus Weißdorn der jungen Drachenreiterin. Die langen Dornen an den schwarzen, miteinander verflochtenen Trieben schienen sich förmlich gierig jedem Lebewesen entgegenzurecken. Aufgelockert wurde das einschüchternde Bild nur durch die Vögel des Waldes. Die gefiederten Bewohner des Elfenreiches hüpften scheinbar völlig unbeeindruckt zwischen den Dornen herum, bauten sich Nester und zupften sich die orangeroten Beeren von den Zweigen. Für sie schien dieser Mauer ein Paradies zu sein.
Als die Gruppe auf das Stadttor zuritt öffnete sich dieses wie von Geisterhand. Es war beeindruckend, dass die gewaltige Konstruktion trotz ihrer Größe praktisch keinen Laut von sich gab als sie aufschwang. Eine breite Schneise zog sich hinter dem Tor zwischen den Bäumen hindurch und bildete eine Art Hauptstraße an dessen Ende sich die beeindruckende, weiße Zitadelle erhob. Zwischen den Bäumen, die gleichzeitig Häuser waren, beobachtetem unzähliger Augenpaare den Einzug der Neuankömmlinge. Als die Drachen wieder zu Gruppe stießen erhob sich unter den Elfen ein aufgeregtes Gemurmel. Die Hauptstraße war breit genug, dass die beiden ausgewachsenen Drachendame Laorie und Kira bequem nebeneinander her gehen konnten. Tailon und Anarie postierten sich neben ihren Reitern und konnten inzwischen dem Schritttempo Rechnung tragen, dass die Pferde nun anschlugen.
Als sich Ismira auf das Flüstern der Elfen konzentrierte merkte sie recht schnell, dass diese nicht müde wurden die Schönheit der Drachen zu loben. Auch Anarie und ihr Bruder wurden auf jede nur erdenkliche Art und Weise gepriesen.
Den jungen roten Drachen stufte man als den geborenen Jäger ein, während für die umstehende Elfen festzustehen schien, dass seine Schwester eindeutig eine Fliegerin war. Mühsam unterdrückte Ismira ein Kichern als sie merkte wie sehr ihr Drachenmädchen die Komplimente der Umstehenden genoss. Offenbar hatte sie etwas von der Eitelkeit geerbt, die mit ihrer Großmutter nachsagte.
Die Belustigung ihrer Reiterin kommentierte Anarie lediglich mit einem hochmütigen Schnauben und legte kokett die Flügel an.
Als sie den Fuß des Berges erreichten erkannte Ismira, dass die Zitadelle nicht auf ebener Erde stand. Der mächtige Bau war fast zehn Meter über dem Boden in den Berg gearbeitet. Da die Zitadelle etwas tiefer im Körper des Berges lag bildete sich vor ihr praktisch ein Plateau während die zehn Meter hohe Felswand eine natürliche Mauer formte. Eine breite Treppe führte zu seinem Haupteingang hinauf. Auch hier erkannte man eindeutig, dass die Stadt so errichtet worden war, dass man sie verteidigen konnte. Die Treppe machte es praktisch unmöglich die Zitadelle von mehreren Seiten anzugreifen. Jede anrückende Streitmacht musste durch diesen Engpass um das Herz von Emfielion einnehmen zu können.
Als sie den Fuß der Treppe erreichten bedeutete Narie ihren Schülern abzusteigen und, geführt von den beiden Lehrern, begannen sie die Stufen zu erklimmen.
Schließlich erreichte die Gruppe das Plateau vor der Zitadelle. Hier zeigte sich wieder die Liebe der Elfen zur Natur und zur Schönheit. Die freie Fläche vor der eindrucksvollen Festung war ein wundervoller Garten indem die unterschiedlichsten Pflanzen grünten und blüten. Kleine Teiche und gurgelnde Bäche glitzerten zwischen den Beeten und verliehen dem Ort Leben.
Vor dem großen Haupttor erwartete eine Abordnung von Elfen den Neuankömmlinge. In der Mitte der Gruppe stand eine Elfe in einem himmelblauen Seidenkleid die einen silbernen Stirnreif trug. Dieser funkelte aus ihren schwarzen Haaren hervor wie Sternenlicht. Fürstin Neferta war bereit ihre Gäste zu begrüßen.
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Eragon Band 6 - Die Wege der Reiter
FanfictionDas ist die Fortsetzung zu Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein Anfang. Wer Band 5 nicht kennt, sollte es erst lesen, um Band 6 zu verstehen. Ich sage es hier nochmal, dass mir die Geschichte nicht gehört. Ich habe sie nur auf...