119. Das Vermächtnis des Drachenkrieges Teil 2

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Kurze Zeit später hatte sich die Gruppe in dem bereitgestellten Konferenzraum versammelt. Kurz hatten die Drachenreiter auch mit König Maranus die traditionellen Grüße ausgetauscht und sich dann an dem runden Konferenztisch niedergelassen. Während Königin Nievren ihren Gefährten über die Gründe der Anwesenheit von Fürst Däthedr aufklärte beobachtete Eragon wie sich die Drachen vor den drei Fenstern, die Einblick in den Raum gestatteten, einen Platz suchen. Saphira und ihr grüner Nistpartner hatten sich direkt niedergelassen wärend ihre Enkel noch mit gierigen Zügen ihren Durst in dem nahe gelegenen Bachlauf stillten. Schließlich platzierten sich aber auch die beiden Jungdrachen so, dass sie die Unterhaltung, die ihren Reitern nun bevorstand, verfolgen konnten.
"Nun Däthedr," hob König Maranus an. "Meine Gefährtin hat mich darüber in Kenntnis gesetzt dass du sehr nachdrücklich darauf bestanden hast an dieser Unterhaltung teilzunehmen. Sie sagte du würdest über Informationen verfügen die mit der gegenwärtigen Krise in direkter Verbindung stehen. Informationen die ich eigentlich besitzen müsste. Mir ist nicht klar worauf Du damit anspielst."
Eragons Blick wanderte zu dem Elfenfürsten den er in den vergangenen Jahren als politischen Gegner kennen gelernt hatte. Einmal mehr fiel dem Anführer der Drachenreiter auf, dass offenbar ein fundamentaler Wandel mit dem Fürsten im Gange war. Däthedrs gesamtes auftreten, sowie seine Körpersprache hatten sich geändert. Noch bei ihrer letzten Begegnung hatte der Fürst mit jeder Bewegung seinen Anspruch zum Ausdruck gebracht überlegen zu sein. Diese Aura war praktisch völlig von dem Elfen abgefallen.
"Dem ist in der Tat so Maranus-Elda. Es ist ein unverzeihliches Versäumnis von mir, dass ich diese besagten Informationen nicht bereits an euch weitergeleitet habe. Im Grunde sollte jeder König und jede Königin unseres Volkes über das besagte Wissen verfügen. Zumindest sollten sich die entsprechenden Würdenträger sich über die Existenz dieses Wissens, das in verschiedenen Schriftrollen dokumentiert wurde im klaren sein. Sie sind unmittelbar nach unserem Frieden mit den Drachen verfasst worden als direkte Antwort auf die Bedrohung durch den ersten Schatten. Dieser Dämon konnte wie ihr alle wisst von einem Krieger unseres Volkes vernichtet werden. Dies geschah unter großen persönlichen Opfern."
"Verzeiht wenn ich euch unterbreche Däthedr-Elda." Arya, die neben Eragon saß, hatte das Wort ergriffen. "Wenn sich jeder Herrscher über die Existenz dieser Informationen und der Schriftrollen von denen Ihr sprecht im Klaren sein sollte, warum weiß ich dann nichts davon. Ich habe zwar nur kurz die Krone getragen doch war ich fast ein Jahr der Herrscherin unseres Volkes."
"Eben dieTatsache dass ihr die Herrscherin unseres Volkes wahrt ist der ursprüngliche Grund warum es von meiner Seite zu einem Versäumnis gekommen ist. Bevor ich das allerdings näher erklären möchte ich klarstellen Argetlam Arya, dass ich keinen neuen Konflikt mit euch suche. Einiges von dem was ich sage wird euch vielleicht verletzen aber weder ist das mein Wunsch noch meine Absicht."
Eine Weile blickten sich der Elfenfürst und Eragons Gefährtin einfach in die Augen. Der Anführer der Drachenreiter konnte keine Falschheit oder Lüge bei Däthedr ausmachen und offenbar kam Arya zum gleichen Schluss den schließlich nickte sie.
"Wie ihr wisst Argetlam habe ich entscheidend dazu beigetragen, dass man euch die Nachfolge eurer Mutter angeboten hat. Wie ich in der Vergangenheit bereits ausgeführt habe entsprach es meiner Vorstellung von Ästhetik das ihr Islanzadi auf den Thron folgen würdet. Viele teilten meine Meinung nicht und ich musste Überzeugungsarbeit leisten."
"Ich erinnere mich, dass ich einer derjenigen war, die Argetlam Aryas Doppelrolle nicht gutheißen wollten." warf König Maranus ein.
"Das ist richtig euer Hoheit. Bei euch jedoch waren es handfeste politische Gründe. Eure Sorge galt damals den diplomatischen Beziehungen und der Gang der Ereignisse hat euch durchaus recht gegeben. Ich habe schlichtweg unterschätzt welchen Einfluss die Krönung von Argetlam Arya auf unsere Außenpolitik haben würde. Ich räume auch ein, dass ich der Meinung der anderen Völker vielleicht nicht die angemessene Bedeutung beigemessen habe. Nicht bei allen Vertretern des Adels waren die Gründe jedoch so greifbar wie bei euch. Einige erhofften sich davon einen entscheidenden Einfluss unseres Volkes auf den neuen Orden der Drachenreiter. Sie gingen davon aus, dass ihr, Argetlam Arya, zu einem Mitglied des ältesten Rates der Drachenreiter berufen werden würdet. Sie gingen fest davon aus, dass eure Stimme stets mehr Gewicht haben würde als die aller anderen Mitglieder der ihr ein gesamtes Volk sprecht. Andere, wie beispielsweise Fürst Efron, hofften das die ernsten Aufgaben einer Drachenreiterin euch so vereinnahmen würden, das es ihnen möglich sein würde sich politische Macht zu sichern."
"Diese Tatsache ist mir in der Tat bekannt." Aryas Tonfall blieb kühl und sachlich. "Was hat das jedoch mit den Schriftrollen zu tun von denen ihr glaubt, dass sie uns in der gegenwärtigen Krise helfen können."
Däthedr legte Handflächen und Fingerspitzen aneinander. Es war offenkundig, dass ihm die Ausführungen nicht leicht fielen.
"Ihr müsst wissen, dass es gewisse Regeln für den Umgang mit diesen Schriftrollen gibt. Sie tragen übrigens den Namen: Zeugnis der Schuld. Sie sind mit einem Zauber belegt, der dafür sorgt das nur der gegenwärtige Herrscher unseres Volkes sie entrollen und lesen kann. Es ist Brauch, dass sich der gegenwärtige Herrscher einen Bewahrer für diese kostbaren Schriftrollen wählt. Meist handelt es sich um einen hohen Würdenträger unseres Volkes der die Aufgabe hat die Sicherheit dieser Dokumente zu allen Zeiten zu gewährleisten. Selbst im Kriegsfall verbleibt der Bewahrer in Du Weldenvarden! Unter keinen, wie auch immer gearteten Umständen darf die Zerstörung dieser Schriftrollen riskiert werden. So lauten die Anweisungen die jeder Bewahrer erhält. Sollte ein König oder eine Königin versterben ohne selbst einen Nachfolger zu ernennen so ist die Aufgabe des Bewahrers den betreffenden neuen Herrscher nach seiner Krönung über diese Schriftstücke in Kenntnis zu setzen."
"Und Ihr wart der Bewahrer den meine Mutter erwählt hat?" erkundigte sich Arya leicht ungläubig. "Das ist im Grunde unmöglich. Ihr seid mit unserer Armee in den Kampf gezogen."
"Richtig Argetlam ich war nicht der Bewahrer den sich eure Mutter gewählt hat. Ihr Bewahrer war ein hoher Würdenträger unseres Volkes der vor kurzem leider verschieden ist. Es handelt sich um den Großvater eures Schülers Kalain. Ich kam in meinen Anstrengungen euch zum Thron zu verhelfen an einem Punkt wo ich auf seine Stimme angewiesen war um mein Ziel zu erreichen. Er jedoch war völlig gegen euch eingestellt. Allerdings aus weit weniger ehrenhaften Gründen als es bei euch, König Maranus, der Fall war. Argetlam Kalains Großvater, Fürst Emaren, hatte eine sehr konservative Einstellung was Familie betrifft. Seiner Meinung nach ist jedes Mitglied eines Hauses dem Oberhaupt der Familie zu Gehorsam verpflichtet. Ein jüngeres Mitglied der Familie kann zwar gegenüber dem Ältesten seiner Meinung und seine Wünsche äußern aber die endgültige Entscheidung liegt beim Oberhaupt. Ist diese Entscheidung gefallen hat sich das untergeordnete Familienmitglied in diese Entscheidung zu fügen, in dem Bewusstsein, dass das höhere Alter und die Erfahrung des Familienoberhauptes ihn oder sie dazu befähigt die bestmögliche Entscheidung für das Haus zu treffen. Wie ihr wisst, Argetlam Arya, war eure Mutter strikt dagegen, dass ihr als Botschafterin zu den Varden geht. Ihr habt es trotzdem getan und es führte zu einem Bruch zwischen euch der lange Zeit Bestand hatte. In den Augen von Fürst Emaren war euer eigensinniges Handeln einen nicht wiedergutzumachende Beleidigung eurer Mutter. Ein Akt des Ungehorsams den er nicht zu tolerieren bereit war und womit ihr, seiner Meinung nach, jeden Anspruch auf das Erbe eurer Mutter verspielt hättet. Des weiteren war er der Meinung, dass ihr viel zu jung seit um die Verantwortung der Krone zu tragen. Damals hatte ihr kaum mehr als 100 Sommer gesehen. Viele Mitglieder des Adels hatten Zweifel aufgrund eures geringen Alters. Gering natürlich vom Standpunkt unseres Volkes aus. Besonders lehnte Emaren es ab euch das Wissen der besagten Schriftrollen anzuvertrauen. Sie stehen schließlich in direktem Zusammenhang mit den Geistern und Schatten. Ich will meine Ausführungen nicht unnötig in die Länge ziehen: etwa zur selben Zeit als wir miteinander verhandelten wurde bei ihm die Krankheit festgestellt, an der er schließlich verstorben ist. Wir hatten uns damals bereits in einem Kompromiss einander angenähert. Er würde eure Thronbesteigung unterstützen allerdings nur unter der Bedingung, dass man euch über die Existenz des Zeugnisses der Schuld erst dann informieren würde wenn Ihr euch als Herrscherin bewährt hättet. Frühestens im 50. Jahr eurer Herrschaft. Da seine Krankheit Emaren daran hindern würde noch 50 Sommer zu leben vereinbarten wir schließlich, dass ich seine Aufgaben als Bewahrer übernehmen sollte. Er wollte für die letzten Jahre der noch zu leben hätte von dieser Verantwortung befreit werden. Ich stimmte dieser Bedingung zu."
Fürst Däthedr legte eine Pause ein und starrte auf seine Hände.
Arya hatte sich erhoben und stand nun vor dem Fenster durch das sie ihren Drachen direkt ins Gesicht blicken konnte. Eragon kannte seine Gefährtin gut genug um zu wissen, dass diese Enthüllungen sie tief getroffen hatten. Gut konnte er sich vorstellen worum es in der lautlosen Unterhaltung zwischen Feírnen und seiner Reiterin ging. Nur zu gerne hätte auch er Arya in diesem Moment beigestanden doch das hätte die schöne Elfe sicherlich eher als peinlich empfunden. Immerhin beobachteten der Elfenkönig und seine Gefährtin sowie zwei ihrer Schüler die Situation. Es war nicht Aryas Art offen Schwäche zu zeigen. Eragon beschloss daher sie zu unterstützen in dem er die Unterhaltung wieder in Gang brachte.
"Verzeiht meine offene Frage Fürst: eure Ausführungen erklären warum Argetlam Arya nicht von diesen Schriftrollen wusste. Warum aber sind sie auch König Maranus unbekannt?"
"Das würde auch mich interessieren."
Fast ruckartig drehte Arya sich um und kehrte an den Konferenztisch zurück. Nur einen Wimpernschlag lang ließ sie Blickkontakt mit Eragon zu. Dieser Augenblick genügte jedoch um ihre Dankbarkeit zu übermitteln.
"Das ist, wie gesagt, meine Schuld Schattentöter." erklärte Däthedr sichtlich betreten. "Wie ich ausgeführt habe hat es nicht einiges an Mühe gekostet eurer Gefährtin zum Thron zu verhelfen. Ich musste gefallen einfordern und selbst Versprechungen machen um mein Ziel zu erreichen. Als ihr, Argetlam Arya, dann euer Amt aufgegeben habt aufgrund einer unbedeutenden politischen Querele....."
"Für mich war diese Querele nicht unbedeutend!"
Bei jedem anderen Wesen in Alagaesia hätte man in diesem Satz wohl unterdrückte Wut wahrgenommen. Bei Arya klang er neu trage und emotionslos. Doch genau das Fehlen jedes Gefühls war bei Eragons Gefährtin ein klares Zeichen für tiefe Aufgewühltheit.
"Ich entschuldige mich für die unglückliche Formulierung Argetlam. " Sagte der Elfenfürst und klang nach Eragons Einschätzung ehrlich. "Mir stellte sich die Querele damals als verhältnismäßig unbedeutend da. Heute habe ich auch einen neuen Blickwinkel auf eure damalige Situation."
Kurz wanderte der Blick Fürst Däthedrs zu Cale und verharrte dort einige Sekunden.
"Ich habe immer noch nicht vollständig akzeptieren können dass es im Leben meines Bruders Dinge gegeben hat von denen er überzeugt war sie nicht mit mir teilen zu können. Ich weiß welch tiefen Vertrauensbruches darstellt eine Brücke zu unseren Lieben anzubieten, die uns ins Nichts vorausgegangen sind, und sich diese als trügerisch und falsch erweist. Leider fehlte mir zum damaligen Zeitpunkt diese Einsicht völlig. Ich habe euch, Maranus-Elda, nicht über das Zeugnis der Schuld informiert obwohl es meine Pflicht gewesen wäre. Ich war wütend und fühlte meine Bemühungen nicht angemessen wert geschätzt. Ich empfand es daher als einen kleinen persönlichen Sieg, dass ich der einzige blieb, der um eines der am Besten gehüteten Geheimnisse unseres Volkes wusste."
"So was von kindisch!"
Eragons Blick flog zu Ismira die, mit wütend vor der Brust verschränkten Armen, für diesen Zwischenruf verantwortlich war. Unter dem strafenden Gesichtsausdruck ihres Onkels schien die junge Drachenreiterin allerdings zusammen zu schrumpfen. Bevor Eragon seine Nichte jedoch tadeln konnte ließ sich Glaedr vernehmen. Die Eldunari der beiden Drachen die die Reiter begleiteten hatte man auf den Konferenztisch platziert so dass jeder über ihre Anwesenheit informiert war.
"Das Küken hat völlig recht." knurrte der alte Drache. "Die Wortwahl ist etwas unglücklich und die Meinung etwas tollpatschig vorgetragen aber nichts desto trotz ist es die Wahrheit. Mein Reiter hat euch stets als ehrenwerten und intelligenten Mann geschätzt Däthedr! Euer Verhalten kann ich hier nur als entwürdigend bezeichnen."
"Ich habe bereits ein wesentlich härteres Urteil über mich gefällt Glaedr-Eldunari als ihr mit euren noch zurückhaltenden Worten." erwiderte der Elf. "Ich bin einem absolut unwürdigen Impuls gefolgt, der eher zu einem verzogenen Kind passt als zu einem Würdenträger unseres Volkes. Ich habe den Palast im Grunde auch nur deshalb aufgesucht weil ich euch, Maranus-Elda, davon in Kenntnis setzen wollte dass ich auch von allen politischen Ämtern zurücktrete. Wie gesagt, ich habe viel nachgedacht. Eine Rückkehr in diese Welt der Intrigen und Kompromisse hat nichts anziehendes für mich. Als ich dann jedoch im Palast hörte, dass ein Schatten einen Dauthdaert in seinen Besitz gebracht hat musste ich umgehend mit euch sprechen. Zu den Schriftrollen, den Zeugnissen der Schande, gehört auch eine Liste von Umständen unter denen darauf bestanden werden muss dass diese Schriftrollen geöffnet und gelesen werden. Die Situation der wir uns zurzeit gegenübersehen ist einer der wichtigsten Gründe das Siegel dieser Schriftrollen zu brechen. Ich wusste, dass ich euch sofort davon in Kenntnis setzen muss Maranus-Elda. Für jede negative Konsequenz die sich durch mein Schweigen möglicherweise ergibt übernehme ich die volle Verantwortung."
"Über Schuld und Verantwortung können wir später diskutieren Däthedr-Elda." legte der Elfenkönig entschieden fest." Im Augenblick ist es wichtiger das ihr diese Schriftrollen sofort zu und bringt. Da nur ich und meine Gefährtin Sie in unserer Funktion als Oberhäupter unseres Volkes lesen können muss ich die ehrenwerten Drachenreiter um Geduld bitten. Ich werde mich so schnell wie möglich mit in Formationen in diesen Schriftrollen vertraut machen und ich schlage vor, dass wir morgen um die Mittagszeit zu einer weiteren Beratungen zusammenkommen. Ihr habt mein Wort als König unseres Volkes das ich euch über den Inhalt dieser Schriftrollen lückenlos berichten werde."
Es gab für Eragon keinen Grund an den Worten des Elfenkönigs zu zweifeln. Maranus hatte sein Vertrauen und seinen Respekt und daher stimmte er als Anführer der Reiter dem Vorschlag des Königs zu.

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt