111. Das Angebot Teil 2

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"Was ist das für ein Auftrag?" erkundigte sich Tjurin. "Und wie hast du es geschafft mich in diese alte Holzfällersiedlung zu bringen."
Der Geist, welcher scheinbar die Gestalt des verstorbenen Maron angenommen hatte schüttelte fast mitleidig den Kopf.
"Du bist nicht wirklich in dieser Holzfällersiedlung. Mein Volk kommuniziert nur im Geiste. Über primitive Sprache sind wir längst hinaus. Ich habe diesen Ort und diese Gestalt aus deiner Erinnerung gewählt um unserer Unterhaltung einen Rahmen zu geben der dich nicht überfordert. Nun, bei diesem Auftrag geht es darum, das du uns einen bestimmten Gegenstand beschaffen solltest. Nach dem großen Krieg gegen den Menschen den ihr Galbatorix nennt wurde in den Ruinen seiner Zitadelle eine Waffe versteckt. Eine Lanze. Die Elfen nennen Sie einen Dauthdaert. Diese Waffe sollst du für mich beschaffen."
"Wieso ist diese alte Lanze für euch von Bedeutung?" wollte Tjurin neugierig wissen.
Der Geist sah sich zu ihm um und ließ seine menschliche Form skeptisch eine Augenbrauen heben.
"Das ist für dich nicht von Belang. Für dich ist es kaum mehr als ein einfacher Speer. Für uns aber ist er praktisch heilig."
"Warum holt ihr ihn euch nicht einfach selbst?"
"Du stellst sehr viele Fragen für jemanden, dessen Überleben von der erfolgreichen Durchführung dieses Auftrags abhängt." knurrte der Geist mit wachsender Ungeduld. "Zu deinem Glück ist die Frage berechtigt. Wie Du weißt sind wir Geister Wesen aus reiner Energie. Wir können Gegenstände nur dann an uns nehmen wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Sobald Du den Dauthdaert in Händen hältst wirst du mich mit diesen Worten beschwören."
Der Geist hob eine Hand und ein kleiner grüner Energie Funke löste sich von seinem ausgestreckten Zeigefinger und brannte Schriftzeichen der alten Sprache in die Holzwand hinter Tjurin. Der junge Adelige musste die Worte gar nicht lesen um sie zu begreifen. Er spürte nun, dass der Geist tatsächlich in seine Gedanken eingedrungen war. Im selben Moment in dem sich die Schriftzeichen mit beißenden Geruch in das Holz fraßen verankerten sie sich auch unauslöschtbar in seiner Erinnerung. Tjurin ging die Worte im Geist durch. Einige kannte er. Sie waren Teil der Beschwörung eines Geistes. Andere jedoch waren ihm völlig fremd.
"Mit diesen Worten wirst du mich herbeirufen und mir die Möglichkeit geben die Lanze an mich zu nehmen."
"Und dann werdet ihr mich an einen Ort bringen wo ich sicher bin vor meinen Verfolgern?"
Tjurin war skeptisch. Er spürte, dass der Geist etwas vor ihm verheimlichte. Sein gegenüber schien sein Misstrauen zu ahnen und lächelte.
"Du hast mein Wort Tjurin Aurastsohn." sagte Marons Ebenbild und wechselte in die alte Sprache. "Wenn du zustimmst diesen Auftrag für mich zu übernehmen, verspreche ich dir das du lebend diesen Kerker verlassen wirst und von mir an einen Ort gebracht wirst wo keiner deiner Feinde dich erreichen kann. Ich werde nicht zulassen, dass dich jemand verletzt oder gar tötet und auch ich werde dir kein Haar krümmen."
Tjurin nickte befriedigt. Er wusste von Trianna, dass Schwüre in der alten Sprache auch für einen Geist bindend waren. Es war nur schwierig mit einem dieser Wesen auf einer Ebene zu kommunizieren die es ermöglichte einen solchen Schwur zu fordern. Der Geist jedoch hatte sich gegenüber Tjurin gerade verpflichtet. Warum sollte er dem Wesen nicht dieser Lanze besorgten? Er hatte zwar bereits Gerüchte über den Dauthdaert gehört wonach es eine Waffe sein sollte die speziell zum töten von Drachen entwickelt wurde aber das kümmerte den jungen Adligen nicht besonders. Es war ihm egal was der Geist mit dieser Waffe anstellen würde. Wollte er gegen die Drachenreiter ins Feld ziehen? Sollte er ruhigt eine Blutfehde mit den Drachenreitern  ausfechten! Dann war der Orden wenigstens zu beschäftigt um einen entflohenen gefangenen zu suchen. Es ging hier schließlich um sein Leben.
"Also gut. Ich bin einverstanden." bestätigte Tjurin schließlich. "Ich werde euch die Lanze besorgten. Aber wie soll das geschehen? Ich bin hier ein gesperrt."
Der Geist lachte.
"Mach dir keine Sorgen. Wir Geister sind reine magische Kraft. Weder die Tür zu diesen Kerker noch die primitiven Schutzzauber, die um dich gewirkt sind damit du keine Magie wirken kannst, stellen ein Hindernis für mich da. Ich gehöre nicht umsonst zu den ältesten Geistern. Ich weiß Dinger um die Magie von denen nicht mal die Drachenreiter zu träumen wagen! Jetzt hör mir genau zu: die Wachposten, die diesen Kerker bewachen sitzen zurzeit in ihrer Stube und werden erst in einer Stunde wieder einen Kontrollgang durch diese Gewölbe machen. Sobald ich dir diese Zelle geöffnet habe wirst du links den Gang hinunter gehen. Die dritte Tür auf der rechten Seite werde ich ebenfalls für dich öffnen. In dieser Zelle ist einer der Jünger des Helgrinds eingesperrt. Du wirst seine Unterstützung brauchen. Du musst ihn überzeugen sich ihr anzuschließen."
"Warum brauchen wir diesen halbwahnsinnigen Priester? Und wie soll ich ihn überzeugen mir zu helfen."
"Was das "wie" angeht vertraue ich ganz auf deine Überzeugungskraft. Benutzt einfach deinen Kopf." antwortete der Geist und bedachte Tjurin mit einem wohlwollenden Lächeln. "Du bist ja schließlich nicht dumm. Was das "warum" betrifft, nun dieser Priester ist ein Magier. Du brauchst ihn zum einen um einen Schutzzauber um dich zu wirken. In Galbatorix schwarzer Zitadelle geht seit seinem Tod eine Kraft um. Du kannst sie weder sehen noch schmecken noch riechen aber sie ist da und sie wird dich töten wenn du dich nicht mit Magie vor ihr abschirmst."
Es schmeichelte Tjurin und erfüllte ihn mit zusätzlichem Vertrauen, dass der Geist offenbar um sein Wohlergehen besorgt war. Ganz offensichtlich verstand dieses Wesen, das er jemand war der Respekt verdiente. Aufmerksam lauschte er den weiteren Worten des Geistes.
"Zum anderen brauchst Du die Unterstützung dieses Mannes um überhaupt in die schwarze Zitadelle zu gelangen. Du weißt es vielleicht nicht aber Galbatorix hatte einige Eier der Wesen in Besitz, die die Priester des Helgrinds als Götter verehren."
Mit seiner Hand wies das Energiewesen, das die Gestalt von Maron angenommen hatte, auf die in der Luft erstarrten Letherblaka und Ra zac.
"Mit diesen Eiern als seine Geiseln versicherte sich der König  der Treue  der Jünger des Helgrinds und der dunklen Wesen, die ihren Wohnsitz auf der Spitze des schwarzen Berges hatten. Natürlich sahen es die Priester als ihre Pflicht an zumindest den Versuch zu machen ihre Götter zu befreien. Zu diesem Zweck gruben sie einen Tunnel. Der Eingang befindet sich in den Abwasserkanälen. Er führt direkt in die schwarze Zitadelle. Das Vorhaben dieser Narren war natürlich zum Scheitern verurteilt. Nichts was in dieser Stadt geschah entgegen der Aufmerksamkeit des ehemaligen Herrschafts. Galbatorix hat es wohl als sehr unterhaltsam empfunden die Priester dabei zu beobachten wie sie sich durch Dreck und Gestein quälten um in seine Zitadelle einzudringen. Als schließlich eine kleine Gruppe von ihnen es tatsächlich schaffte in die schwarze Festung des Königs einzudringen erwartete dieser sie bereits. Er ließ die Priester hinrichten, ihre Köpfe an den hohen Priester schicken und fügte diesem Geschenk noch zwei zerschlagene Ra zac - Eier bei. So wollte er den Priestern klarmachen, dass ihre Götter den Preis bezahlen würden wenn sie erneut versuchen würden ihn zu hintergehen."
"Ich verstehe." unterbrach Tjurin die Erklärungen seines unerwarteten Verbündeten. "Der Priester der hier gefangen ist weiß wo sich der Eingang zu diesem Tunnel befindet. Aber wenn ihr Geister von diesem Tunnel wisst, könntet ihr mir da nicht einfach den Eingang zeigen?"
"Du bist in der Tat nicht auf den Kopf gefallen Tjurin Aurastsohn." lobte der Geist. "Zeigen könnten wir dir vielleicht wo der Eingang ist aber die Priester des Helgrinds haben den Einstieg in der Kanalisation mit einem Zauber gesichert. Nur sie oder Galbatorix können den Eingang öffnen. Der schwarze König hat die gefangenen Priester bevor er sie hinrichten ließ dazu gezwungen ihn in diesem Zauber mit aufzunehmen. Während seiner Regentschaft hat Galbatorix den Tunnel benutzt um ungesehen in die Stadt zu gelangen. Die meiste Zeit hat sich diese abtrünnige Drachenreiter mit seinen magischen Experimenten beschäftigt aber gelegentlich änderte er sein Äußeres durch einen Zauber und streifte durch die Straßen seiner Stadt. Er ließ seinen Geist streifen und suchte nach verräterischen Gedanken unter den Bürgern. Entdeckte er dann potentielle Verräter ließ er sie ohne Vorwarnung hinrichten. Auf diese Weise erzeugte Galbatorix den Eindruck, dass er wie ein Gott stets über die Gedanken seiner Untertanen im bilde war."
"Eine wirkungsvolle Methode den Pöbel einzuschüchtern." murmelte Tjurin.
"In der Tat." bestätigte das Abbild Marons. "Ich nehme an du begreifst du warum du den Priester brauchst. Er muss dir den Tunnel öffnen. Zwar könnte auch ich den Zauber berechnen der über dem Eingang liegt aber das würde soviel Kraft erfordern, dass es sich auf keinen Fall vor den Drachenreitern verbergen liess."
"Einverstanden. Ich werde diesen Priester schon überzeugen." versprach Tjurin. Der Geist schien zufrieden und verriet ihm die Worte die nötig waren um einen Schutzwall gegen die unsichtbare Kraft in der schwarze Zitadelle zu wirken. Anschließend spürte der junge Adlige wie das warme Gefühl, welches von ihm Besitz ergriffen hatte als der Geist ihn berührte zurückwich. Schwindel überkam Tjurin und er musste kurz die Augen schließen. Als er sie wieder öffnete war der Geist verschwunden und er befand sich wieder in seiner Zelle. Ein Blick auf die schwere Eisentür jedoch genügte um Tjurin zu einem Lächeln zu verleiten. Der Geist hatte Wort gehalten. Die Zellentür stand einen Spalt weit auf und das unruhige Licht einer Fackel fiel ins Dunkel von Tjurins Zelle.


Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt