96. Das richtige Maß an Strenge

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Nasuada stand vor einem der hohen Fenster als Murtagh den Thronsaal durchquerte und nehmen Sie trat. Dorns Reiter genügte ein Blick um zu wissen, dass es nicht leicht sein würde jetzt an seine Frau heranzukommen. Er kannte sie gut genug um die Zeichen deuten zu können. Die Königin hatte die Arme vor der Brust verschränkt und jeder Muskel ihres Körpers wirkte angespannt. Ihr Blick schweift in die Ferne ohne an irgend einem Objekt länger haften zu bleiben.
"Immerhin können wir jetzt etwas gegen diesen Tjurin unternehmen."
Murtagh versuchte auf dieser sachlichen Ebene ein Gespräch in Gang zu bringen doch seine Gattin reagierte kaum. Gerade als der Dunkelhaarige schon keine Antwort mehr erwartete ließ sich die Königin vernehmen. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
"Wie kann sie es nur wagen?! Mir so etwas vorzuwerfen!"
"Von welchem Vorwurf sprichst du?" erkundigte sich Murtagh sanft.
Nasuada schien erst jetzt wirklich wahrzunehmen, dass ihr Gatte neben ihr stand. Ein Feuer aus Zorn und Enttäuschung lag in ihrem Blick.
"Wie kann Trianna es wagen, mir vorzuwerfen, ich würde jemanden unterdrücken! Ich habe mich seit ich denken kann für die Freiheit der Völker eingesetzt! Während andere Mädchen mit Puppen gespielt haben war ich bemüht politische Intrigen gegen meinen Vater aufzudecken! Während andere junge Frauen sich um ihre zukünftigen Ehemänner Gedanken gemacht haben wurden Armeen von mir ins Feld geführt!"
Wütend begann die Königin auf und ab zu gehen.
"Ich weiß wie viel du geopfert hast."
Murtaghs Versuch etwas beizutragen scheiterte an Nasuadas immer größer werdendem Zorn. Es war für den Drachenreiter offensichtlich, dass Trianna, vielleicht ohne es zu ahnen, bei seiner Gattin einen sehr wunden Punkt getroffen hatte. Während sie sprach schwoll die Stimme der Königin von Alagaesia immer weiter an.
"Ich kann gar nicht mehr aufzählen wie viele Freuden des Lebens ich mir versagt habe um meinen Pflichten nachzukommen! Die endlosen Gespräche mit Adligen und Ratsherren, die nur ihr eigenes Geschick im Blick haben! Weißt Du wie viel ich persönlich durchleiden musste um den Völkern die Freiheit zu bringen!?"
"Ja, ich habe sogar eine ziemlich genaue Vorstellung."
Murtagh wusste nicht genau, was er fühlte als er sah wie seine Worte auf Nasuada wirkten. Erinnerungen an die Halle der Wahrsagerin waren sofort in ihm aufgestiegen als Nasuada von ihrem Leiden sprach. Die anschließenden Worte waren einfach aus ihm heraus geplatzt. Monoton und emotionslos hatte seine Stimme geklungen. Er hatte keinen Plan verfolgt oder geschickt versucht seiner Gattin den Wind aus den Segeln zu nehmen. Es war einfach passiert.
Nun blickte die Frau die er liebte ihn aus ihrem wunderschönen Augen an und ihr Zorn verbrauchte.
"Es tut mir leid Murtagh." flüsterte Nasuada. "Erinnerung daran wollte ich wirklich nicht heraufbeschwören."
Murtagh rang sich zu einem Lächeln durch und schloss seine Gattin in die Arme.
"Das weiß ich." sagte er beschwichtigend. "Ich denke nur, dass Triannas Vorwurf etwas zu persönlich nimmst."
Zwar löste sich Nasuada von ihm aber Dorns Reiter erkannte deutlich, dass viel der Anspannung von ihr abgefallen war.
"Findest du, dass ich Magiebegabte unterdrücke?"
Murtagh schüttelte den Kopf.
"So einfach kann man das nicht sagen. Das ist keine Frage, die man einfach mit einem "Ja" oder "Nein" beantworten kann."
"Dann antworte ausführlicher. Ich möchte deine Meinung hören." bat Nasuada.
Murtagh überlegte kurz, dann begann er seine Erklärung.
"Ich denke nicht, dass du unterdrückst. Du übst Kontrolle aus. Daran ist zunächst einmal nichts falsches. Schließlich ist es bei uns nicht wie bei den Elfen. Sicherlich auch bei ihnen gibt es welche die mehr Talent für Magie besitzen und andere deren Fähigkeiten in diesem Gebiet nur begrenzt sind aber jeder von ihnen beherrscht Magie. Bei uns Menschen ist das anders. Einige wenige besitzen diese Fähigkeit anderer nicht. Du sorgst dafür, dass jeder die gleiche Chance erhält etwas aus seinem Leben zu machen. Auch kann man dir nicht vorwerfen, dass du zunächst einmal die Zügel sehr straff angezogen hast. Nach dem Krieg musste sich eine neue Ordnung etablieren. Du musstest dem Volk klarmachen, dass die Entscheidungen von dir getroffen werden. Das hast Du mit Strenge und Würde getan. Trianna verallgemeinert einen Aspekt, den ich allerdings bei dir tatsächlich wahrnehme."
"Welchen Aspekt meinst du?"
Gründlich wog Murtagh ab, was er aus der Stimme seiner Gattin herauslesen konnte. Magie war ein schwieriges Thema bei ihr und es musste mit dem gebotenen Respekt an sie herangetragen werden.
"Ich denke, dass du wirklich dazu neigst die Magie als etwas feindliches zu sehen. Etwas gefährliches und fremdes. Ich denke nicht, dass das eine gute Sichtweise ist. Magie ist wie ein Schwert. Weder gut noch böse. Es ist das was man damit tut, das den Ausschlag gibt."
"Da gebe ich dir völlig recht." beharrte Nasuada. "Deswegen lasse ich Magiebegabte ja auch vom Orden der Drachenreiter ausbilden. Sie sollen die bestmögliche Ausbildung erhalten und dann dem Volk dienen. Dieser Angelegenheit mit Tjurin und Trianna zeigt doch nur was geschieht, wenn im geheimen mit Magie experimentiert wird."
"Richtig!" unterbrach Murtagh. "Experimente im geheimen sind immer eine Gefahr. Und ganz ehrlich, ich glaube Trianna hätte auch im geheimen experimentiert wenn deine Gesetze nicht so streng wären. Sie hat sich versucht als selbstlose Dienerin darzustellen. Ich denke Dorn wird mir Recht geben und es ist auch mein Eindruck, dass sie das nicht ist. Dennoch muss ich hier in einem einzigen Punkt zustimmen. Deine Gesetze sind sehr streng wenn es um das experimentieren geht. So streng, dass es für Magier fast unmöglich ist nach neuen Anwendungsmöglichkeiten der Magie zu forschen. So werden wir immer hinter den Elfen und anderen Völkern zurückbleiben und nur dankbar entgegennehmen was sie mit uns teilen wollen. Wie ich gesagt habe, ist nichts falsches daran, dass du zunächst einmal die Zügel angezogen hast, damit das Volk weiß von wem die wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Vielleicht solltest du nur neutral und in aller Ruhe über die einzelnen Gesetze nachdenken und dann entscheiden ob in einigen einzelnen Bereichen die Zügel etwas gelockert werden können."
"Du meinst beispielsweise wenn es darum geht neue Anwendungsmöglichkeiten der Magie zu erforschen?"
Murtagh nickte und sprach weiter während Nasuada zu ihrem Thron zurückkehrte und sich darauf niederließ.
"Natürlich nicht im Bereich der Geisterbeschwörung. Gerade in diesem Bereich können die Kontrollen gar nicht streng genug sein aber in anderen? Wer hat denn zum Beispiel seine Rebellion damit finanziert hochwertige Spitze zu günstigen Preisen zu verkaufen?"
Nun musste Nasuada zum ersten Mal seit Beginn des Gespräches lachen.
"Da hast du recht, das war wohl ich."
"Also zum Beispiel den Magierin zu gestatten Experimente durchzuführen wie sie das Handwerk oder die Baukunst unterstützen können wäre durchaus positiv zu sehen oder?"
"Mit Sicherheit." räumte Nasuada ein. "Nicht nur die Qualität unserer Erzeugnisse würde sich verbessern sondern vermutlich würden auch Kosten sinken oder Bauzeiten verkürzt werden. Doch solche Experimente müssten ebenfalls einer gewissen Kontrolle unterliegen. Sie dürften nicht einfach von jedem aufs Geratewohl betrieben werden."
"Auch hier kann ich dir nur Recht geben." erklärte Murtagh. "Ich denke nur, dass man vielleicht einen Bereich schaffen sollte wo solche Experimente offen durchgeführt werden können ohne dass dabei ein Gesetz verletzt wird."
Diesmal kündete die Bewegung von Nasuadas Zeigefinger davon, dass die Königin angestrengt nachdachte.
"Vielleicht eine Art Akademie der Magie." murmelte sie schließlich. "Wir könnten sie mit Unterstützung der Elfen und Drachenreiter hier in Ilirea einrichten. In der Ostmark bekommen menschlicher Magier eine Grundausbildung. Wenn sie dann Erfahrungen gesammelt haben und sich als verlässlich erwiesen haben könnte man ihnen Zutritt zur Akademie gewähren wo sie sich mit anderen austauschen können und auch Experimente gestattet sind. Vielleicht sollte ich mit Eragon darüber sprechen. Wenn er einen Reiter entsenden könnte, der dieser Akademie vorsteht und sie ein wenig überwacht wäre das vielleicht eine gute Möglichkeit."
Murtagh ging lächelnd vor seiner Gattin in die Hocke und ergriff ihre Hände.
"Ein guter Gedanke oh weise Königin."
Diesmal mussten beide lachen, wurden aber auch fast zeitgleich wieder ernst.
"Bevor wir uns allerdings mit solchen Projekten beschäftigen können müssen wir uns erst um diesen Tjurin kümmern. Mit seinem Halbwissen ist er eine Gefahr."
Murtagh nickte seiner Gattin bestätigend zu und erkundigte sich: "Soll ich mir einige Wachen nehmen und ihn verhaften?"
"Warten lieber bis wir Triannas Bericht über seine Fähigkeiten haben." bestimmte Nasuada. "Wir sollten seine Fähigkeiten genau einschätzen können bevor wir gegen ihn vorgehen außerdem weiß er noch nicht, dass wir nun etwas gegen ihn in der Hand haben. Ich denke, ich werde mich daran machen einen Brief an seinen Vater zu schreiben."
"Es wird keine leichte Arbeit werden." befürchtete der Drachenreiter.
"Nein, ganz gewiss nicht." flüsterte Nasuada. "Herzog Aurast ist nicht nur irgend ein Adliger. Er ist ein Freund. Er war schon ein Freund meines Vaters und glaube mir Murtagh, ich habe die Feinde und die Freunde meines Vaters genau gekannt. Aurast war einer der wenigen auf die man sich wirklich verlassen konnte. Ich habe ihn nicht umsonst zum Statthalter in Giel'ead ernannt. Diese Stadt hat mehr Narben davongetragen als jeder andere des Imperiums. Immerhin wurde sie jahrelang von einem Schatten redigiert. Aurast hat wundervolle Arbeit geleistet die Umstände dort zu verbessern. Es schmerzt mich Ihnen sagen zu müssen, dass sein Sohn im Verdacht steht ein mehrfacher Mörder zu sein und vermutlich sogar Akte des Verrats gegen das Reich begangen hat."
"Er wird verstehen, dass du keine andere Wahl hast als gegen Tjurin vorzugehen." erwiderte Murtagh tröstend und strich seiner Gattin über den Arm.
"Natürlich wird es verstehen." räumte Nasuada ein, lächelte jedoch bitter. "Das Herz wird es ihm aber trotzdem brechen."


Hey Leute. Euch ist vlt aufgefallen, dass ich gerade mehrere Teile hochgeladen habe. Naja das eigentlich ein dickes fettes ENTSCHULDIGUNG bedeuten. Es tut mir mega Leid, dass ich euch so lange auf ein neues Kapi habe warten lassen. Ich hab jetzt übrigens beschlossen alle 2 bis 3 Wochen was hochzuladen, aber dafür dann halt entsprechend mehr Kapitel.

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt