137. Nur ein Augenblick...

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Nachdem die Drachenreiter ihre Pläne erklärt hatten war die Besprechung recht schnell zu Ende gegangen. Im Moment konnte man nichts tun außer abwarten, Berichte aus dem Reich studieren um nach möglichen Hinweisen auf den Schatten Netor zu suchen und auf Ismiras und Cales unbescheiden der Rückkehr zu hoffen.
Zunächst hatte Eragon nach der Besprechung seinen Vorsatz in die Tat umgesetzt die Ostmark zu kontaktieren. Tar und Burod hatten bestürzt auf die Neuigkeiten aus Alagaesia reagiert und versprochen die Eldunari sogleich aufzusuchen.
Die Seelen der Verstorbenen Drachen würden, damit rechnete Eragon, wohl wenigstens einen Tag brauchen um die Entscheidung zu fällen welcher Anzahl an Eldunari sie entsenden wollten uns weh zu der Gruppe gehören sollte.
Der junge Anführer der Reiter akzeptierte es, dass die Drachen ihre Zeit brauchten. In keinem Fall wollte er das, was von den erhabenen Wesen übrig war auch nur im Ansatz auf dieselbe despektierliche Weise behandeln wie Galbatorix es getan hatte. Die Seelenhorte waren nicht nur einfach praktische Lieferanten von Energie. Jedes einzelne stellte ein Lebewesen in all seiner Vielfalt da und die Drachen muss selbst entscheiden wie sie vorgehen würden.
Nachdem er wusste, dass diese Angelegenheit bei Tar und Burod in guten Händen war musste sich Saphiras Reiter einem Schrecken gänzlich anderer Natur stellen. Nasuadas Hofstaat!
Natürlich war es unmöglich, dass das Oberhaupt des angesehensten Ordens in Alagaesia die Hauptstadt der Menschen besuchte ohne die Honoration zu begrüßen. Selbst nach all diesen Jahren war es immer noch ein lästiges Ritual für Eragon. Lächeln, Händeschütteln und jeder Vater einer adligen Tochter egal ob hübsch oder nicht erkundigte sich ob der große Schattentöter nicht inzwischen verheiratet wäre. Zwar wusste jeder, dass Eragon in Arya eine feste Lebensgefährtin gefunden hatte und inzwischen Vater einer Tochter war aber offiziell galt er nicht als verheiratet.
Grund genug für politische Intriganten zu hoffen, dass sich nicht doch eine Allianz durch eine Ehe besiegeln ließe.
Als Saphira das Elend, welches sie durch die Augen ihres Reiters mitverfolgt hatte, nicht mehr ertragen konnte war sie mit ihren Artgenossen zu einem Jagdausflug aufgebrochen.
Doch auch der längste Empfang ging einmal zu Ende und Eragon kehrte in die Quartiere der Drachenreiter zurück. Er beschloss nach Arya zu suchen denn nach soviel falscher Höflichkeit sehnte er sich danach dem Wesen am nächsten zu sein, für das er das ehrlichsten emfand zu dem er sich im Stande glaubte.
Schließlich glaubte er seine Gefährtin auf dem Turm der äußeren Befestigungsmauer der alten Kaserne entdeckt zu haben. Während er die Stufen empor stieg kam ihm Aylon entgegen. Die beiden begrüßten sich freundlich und Eragon erkundigte sich ob der tatsächlich Arya auf der Spitze des Turms entdeckt hätte.
Aryas Bruder bestätigte dies, hielt den Gefährten seiner Schwester allerdings einen Moment zurück. Nach einem kurzen Moment indem der Elf seine Gedanken sammelte hob er schließlich an:
"Ich möchte mich bei dir bedanken Eragon."
"Wofür?"
"Dafür, dass sie aus Durzas Gefangenschaft gerettet hast."
Ein Augenblick des Schweigens folgte. Die Erinnerungen an die schrecklichen Umstände unter denen er Arya vorgefunden hatte als er selbst Gefangener in Giel'ead gehörte zu den Erlebnissen die Saphiras Reiter am liebsten in den hintersten Winkel seines Geistes verbannte.
"Wie du weißt, Nasuada mich gebeten das Tagebuch von Durza zu studieren. Ich habe die komplexe Art wie er seine Texte verfasst hat in jungen Jahren studiert und bin einige gute Stücke vorangekommen. Ich bin nicht sicher ob das Buch etwas enthält, das uns in der gegenwärtigen Krise nutzen kann aber ich habe Abschnitte gefunden die von Arya und ihrer Zeit in Durzas Gewalt berichten. Deswegen habe ich auch grade das Gespräch mit ihr gesucht. Sicher, sie hat in meiner Gegenwart bereits erwähnt, dass sie für eine Weile Gefangene des Imperiums war doch nun weiß ich Einzelheiten, die das Geschehene über eine Fußnote erheben. Wie gesagt ich möchte mich bei dir bedanken dass sie gerettet hast. Es wäre für mich ein Grund zu großer Trauer gewesen wenn ich nie die Möglichkeit bekommen hätte meine Schwester kennen zu lernen."
"Du brauchst dich nicht zu bedanken Aylon-Elda. Ich habe nicht weniger gewonnen als du."
Eragons Antwort brachte den Elfen zum Lächeln. Mit einem Kopfnicken forderte er den Drachenreiter auf seinen Weg fortzusetzen und als dieser eben das tat rief er ihm noch ein "Du tust ihr gut" hinterher.
Als Eragon schließlich Diplomspitze erreicht hatte saß Arya auf einer der hölzernen Sitzbänke wie früher den Soldaten die hier Dienst taten als Sitzgelegenheit gedient hatten. Neben ihr stand ein Eimer mit Wasser aus dem die Elfe mit beiden Händen etwas heraus geschöpft hatte.
Eragon konnte spüren wie ihrer Magie sich auf das Wasser in ihren Händen auswirkte. Er trat näher.
Angst seine Gefährtin zu erschrecken hatte er nicht. Die feinen, in vielen Kämpfen geschulten Sinne der Elfe hatten ihn vermutlich schon lange entdeckt.
Vor ihr ging er in die Hocke und betrachtete das Bild, welches sich durch die Traumsicht in dem Wasser in Aryas Händen abzeichnete.
Unwillkürlich musste Eragon Lächeln den er erblickte Marlena. Das kleine Mädchen lag offenbar in seinem Bett und schlief seelig. Einige Sekunden betrachteten die stolzen Eltern das Abbild ihres Glücks, dann löste Arya den Zauber. So vorsichtig wie sie das Wasser aus ihren Händen zurück in den Eimer gleiten als habe sie Sorge, eine zu respektlose Behandlung der Flüssigkeit würde die Träume ihrer Tochter stören.
"Ich vermisse sie auch." flüsterte Eragon als er sich neben seine Gefährtin setzte und den Arm um sie legte. Arya antwortete nicht mit Worten. Sie legte einfach den Kopf aus Eragons Schulter ab. Mehr war nicht nötig.
Fast eine Stunde saßen die beiden Gefährten bei einander und genossen die Anwesenheit des jeweils anderen. Schließlich beschlossen sie in stiller Übereinkunft ihr gemeinsames Gemach aufzusuchen. Auf dem Weg dorthin weist Arya die das Wort ergriff:
"Eines Tages wird unser kleiner Stern wohl auch an einer Drachenreiter Prüfung teilnehmen wollen."
"Es sollte mich nicht wundern wenn ein Drache bei ihr schlüpft." gab Eragon zurück. "Es scheint wohl in der Familie zu liegen."
Aryas leises Lachen jagte wohlige Schauer über Eragons Rücken. Er genoss den märchenhaften Laut in vollen Zügen.
"Ich denke nur, dass wir ihr eine Teilnahme nicht gestatten sollten bevor sie ihrem 40. Sommer erlebt hat."
Etwas überrascht blickte Eragon seine Gefährtin an. Diese lächelte nur.
"Ich weiß, nach menschlichen Maßstäben ist das recht lang aber nicht für unsterbliche Wesen wie uns Elfen. Die Phase, die man Kindheit nennen könnte es bei uns wesentlich ausgedehnter als bei den kurzlebigen Völkern. Man gib der Seele so ausreichende Zeit sich gänzlich zu entfalten, Interessen zu entwickeln und sich selbst kennen zu lernen. Der Krieg hat unser Volk leider gezwungen seine Gebräuche in dieser Hinsicht etwas zu verändern. Die Angst vor Galbatorix sorgte dafür, dass die Kinder die in seinem Schatten geboren wurden bereits wesentlich früher an den Umgang mit Waffen und an die Theorien und Taktiken der Kriegsführung herangeleitet wurden. Ich möchte man lehne aber die Möglichkeit geben sich frei von allen Zwängen zu entwickeln."
"Das verstehe ich natürlich." bestätigte Eragon und bekundete damit sein Einverständnis zu Aryas Plänen.
Während sie über den Hof der ehemaligen Kaserne zum Wohngebäude schritten fiel dem Anführer der Reiter allerdings einen Punkt ein, der ihm wichtig erschien.
"Dann habe ich aber vielleicht einen Fehler gemacht als ich vor Jahren zugelassen habe, dass Narie die Dracheneier berührt. Sie hatte doch damals erst 14 Sommer gesehen. Warum hast Du damals nicht widersprochen?"
Arya lächelte.
"Mach dir keine Sorgen. Passt keinen Fehler begangen. Natürlich haben wir Elfen das Potenzial und auch schneller zu entwickeln nur ich sehe einfach keine Notwendigkeit Marlenas Entwicklungsphase zu verkürzen. Manche Kinder unseres Volkes entwickelten sich auch ohne Druck schneller. Unser kleiner Schatz trägt ja auch ein menschliches Erbe in sich. Es kann also gut sein, dass wir die Angelegenheit mit 40 Sommer noch einmal überdenken müssen. Wir müssen einfach aufmerksam ihre Entwicklung beobachten und dann angemessen reagieren. Was Narie betrifft hast du allerdings recht. Sie war wirklich noch sehr jung."
"Was mich zu der Frage zurückbringt warum Du damals nicht widersprochen hast. Es schien mir sogar, dass du sie ermutigt hast die Eier zu berühren."
"Das habe ich auch. Ich habe gesehen, wie einsam und verloren Narie damals war. Außerdem habe ich mich an ihren Zustand auch etwas schuldig gefühlt. Es war schließlich meiner Rache für den Betrug ihres Vaters der ihr Unglück verursacht hat. Außerdem habe ich mich daran erinnert wie wohl tuend die unschuldige, ehrliche Liebe eines jungen Drachens für eine Seele sein kann, die bereits zu viel Dunkelheit gesehen hat."
Eragon wusste, dass Arya nun von ihrer eigenen Seele sprach. In der Tat hatte sie ihre Zeit auf der Schattenseiten des Lebens verbracht. Der Tod ihres Vaters, Galbatorix und alles was der Krieg von ihr verlangt hatte waren keine leichten Erinnerungen.
Der Anführer der Drachenreiter drückte sein Verständnis aus indem er die Hand seiner Gefährtin ergriff und zärtlich mit dem Daumen über ihren Handrücken strich.
Gemeinsam betraten die beiden Reiter ihre Unterkunft.

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt