In aller Eile übermittelte Narie ihrer Drachendame was sie entdeckt hatte und dass der Außenposten offenbar angegriffen wurde.
Wie wurde etwas leichter ums Herz als sie spürte, dass sich Kira umgehend auf den Weg machte.
- "Ich brauche nur ein paar Minuten Silberschopf. Wartete auf mich!" -
Es tat Narie in der Seele weh die besorgte Warnung ihrer Drachendame abweisen zu müssen.
- "Ich kann nicht warten! Ich muss zumindest herausfinden wer oder was uns angreift." -
- "Narie...!" -
- "Marek ist ebenfalls da unten!"-
Die junge Elfe spürte, dass ihre Seelenschwester gerne noch etwas erwidert hätte aber einsah, dass die Naries Sorge um ihren Gefährten nichts entgegenzusetzen hatte. Durch die geistige Verbindung konnte die Reiterin jedoch spüren, dass ihre Drachendame ihren Flug noch weiter beschleunigte.
Während sie sich mit ihrer austauschte war Narie mit der ihrem Volk innewohnenden Geschwindigkeit auf die Befestigungsmauern zugelaufen und erklommen diese nun mit übermenschlicher Geschicklichkeit. Sie überwand die Mauerkrone und gelangte auf den Wehrgang. Von dort aus konnte sie den Hof überblicken und was sie sah schockierte die Elfe zutiefst denn es bot sich ihr ein Bild des Todes und der Zerstörung.
Es war der jungen Drachenreiterin unbegreiflich wie dies möglich war. Der Angriff konnte erst seit einigen Minuten im Gange seien und trotzdem lagen bereits Dutzende von Leichen im innern der Befestigungsanlage. Die Soldaten des Bataillons der Nachtfalken hatten offenbar versucht sich gegen ihren Angreifer zu verteidigen doch ihre Tapferkeit mit dem Leben bezahlt. Menschen, Zwerge, Urgals sowie Angehörige des Elfenvolkes lagen niedergestreckt mit klaffende Wunden im Hof des Stützpunktes. Unter ihnen konnte Narie auch die Respekt einflößende Gestalt des Kommandanten der Abteilung Oberst Miros ausmachen. Es versetzte der Elfe einen schmerzhaften Stich ins Herz diesen treuen, und ehrenwerten Soldaten dort im Dreck liegen zu sehen. Seine Arme und Beine waren merkwürdig verdreht wie bei einer Marionette deren Fäden man durchtrennt hatte.
Am schockierendsten war jedoch der Zustand in dem sich Marek und Ishaha befanden. Offenbar durch magische Fesseln gebunden waren die beiden Reiter praktisch wehrlos und ihren Drachen ging es nicht besser. Die beiden mächtigen, geflügelten Wesen waren offenbar von einer gewaltigen Kraft erfasst worden und mit Wucht gegen die südliche Befestigungsmauer geworfen worden. Ein Zusammenstoß der sie offenbar nicht ohne Verletzungen zurückgelassen hatte. Beide Drachen lebt noch, das konnte Narie von der Mauer aus erkennen aber sie waren sicherlich nicht mehr kampfbereit. Wie ihre Reiter wurden auch sie von einer unsichtbaren Kraft hilfos in der Luft gehalten.
Naries Augen huschten weiter über den Innenhof und blieb schließlich an der schwarz gekleideten Gestalt hängen. Rote sulterlange Haare wiesen den Angreifer eindeutig als Schatten aus und in seinen klauenartigen Händen hielt das Wesen Nieren.
Ein eiskalter Stein bildete sich in Naries Magen. Eragon hatte sie darüber informiert, dass man damit rechnen müsse, dass der Schatten der sich in den Besitz des Dauthdaerts gebracht hatte selbst Galbatorix an Stärke überlegen war. Welche Chance konnte die junge Elfe gegen einen solchen Feind haben?
Narie kämpfte die aufkeimende Panik in sich nieder. Sie rief sich eine der Lehren ihrer Cousine Arya ins Gedächtnis:
"Angst ist nicht dein Feind. Sie ist ein natürlicher Instinkt der dich warnt. Doch wenn Du dir der Gefahr bewusst geworden bist hat die Angst ihre Aufgabe erfüllt und darf nicht länger dein Handeln bestimmen. Konzentration, Überlegung und zielgerichtetes Handeln sind der Schlüssel jede Situation zu meistern."
Narie bemühte sich diese Lehre nun umzusetzen. Der Schatten hatte sie offensichtlich noch nicht bemerkt. Er stand mit dem Rücken zu ihr und schien ganz im Genuss des Blutbades versunken zu sein welches er angerichtet hatte.
.... Auch einen überlegenen Gegner kann man überraschen!.... Fuhr es Narie durch den Sinn. Auch war ihr klar, dass sich seine Überlegenheit hauptsächlich auf die Anwendung von Magie erstreckte. Magie unterlag Regeln! In einem Konflikt zwischen zwei Magierin kam es nicht unbedingt auf die Stärke an sondern darauf der es besser verstand seinen Geist zu schützen und in den des anderen einzudringen. Ein geistiger Angriff benötigte Konzentration. Wenn Sie also überraschend, schnell und hart zuschlug und ihren Gegner so unter Druck setzte, dass er keine Gelegenheit bekam seine Gedanken zu sammeln hatte sie eine gewisse Chance. Sie musste schnell handeln bevor sie das Überraschungsmoment verlor.
Die junge Elfe eilte den Wehrgang ein Stück weiter hinunter bis sie direkt hinter dem Schatten war. Die Enge des Lehrgangs ermöglichte nur einen kurzen Anlauf doch Narie genügte er. Mit katzenhaften Eleganz sprang Narie, die Ravani Lanze auf ihr Ziel gerichtet, vom Wehrgang hinab und auf den Schatten zu.
..... Ideal wäre es wenn ich sein Herz durchbohren könnte..... flüsterte sie sich in Gedanken zu.
Während sie wie ein Raubvogel auf der Jagd auf ihr Ziel zu schoss schien sich der Lauf der Zeit zu verlangsamen. Eigentlich dauerte es nur Augenblicke die Distanz zu ihrem Ziel zu überwinden und dennoch kam es der junge Elfe wie eine Ewigkeit vor.
Eine innere Stimme schien den Schatten vor dem bevorstehenden Angriff gewarnt zu haben. Er drehte sich zu Narie herum als diese schon fast ihr Ziel erreicht hatte. Die Drachenreiterin konnte sehen wie sich die Augen des Dämons vor Überraschung und Schrecken weiteten. Eine Instinkt folgend riss das Wesen den linken Arm hoch um den gegen ihn geführten Hieb abzuwehren. Narie registrierte, dass sie nicht in der Lage sein würde das verwundbare Herz ihres Gegners zu treffen aber seine Reaktion bot ihr die Möglichkeit Schaden anzurichten. Zischend durchschnitt die geschwungene Spitze ihrer Lanze die Luft und fuhr auf den erhobenen Arm des Schattens nieder. Das Meisterstück der Schmiedekunst trennte die Extremität am Ellenbogen ab. Der verwundete Dämon heulte ungläubig auf und starrte auf den Sturm der bis eben noch sein linker Arm gewesen war. Schwarzes Blut strömte schwallweise aus der geschlagenen Wunde doch verhielt sich die unnatürliche Masse nicht wie eine normale Flüssigkeit. Sie trotzte den Gesetzen der Schwerkraft und schwebte in der Luft wie ein unheilvoller Nebel. Narie vollführte eine elegante Drehung, brachte sicherer Distanz zwischen sich und den Schatten und machte sich zur Abwehr bereit.
Der hasserfüllte Blick des Schattens schien sie förmlich zu durchbohren.
"Du... hast... mich... verletzt!"
Es überraschte Narie selbst aber sie empfand den zügellosen Zorn ihres Gegners als etwas positives. Wieder kamen ihr die Worte von Arya ins Gedächtnis: Konzentration... zielgerichtetes Handeln... Überlegung!
Nicht nur Angst verhinderte ein derartiges Vorgehen sondern auch unkontrollierter Zorn. Das konnte sich zu ihrem Vorteil auswirken!
"Du bist eine Elfe und hast es gewagt mich zu verletzen!"
Der Schatten riss mit der rechten Hand die Lanze zum Angriff hoch und ließ sie auf Narie nieder sausen. Mit geübter Routine parierte die Elfe den kraftvollen Angriff und ließ Schlag auf Schlag abgleiten. Obwohl er nur mit einer Hand kämpfte verfügte der Schatten über eine körperliche Stärke die selbst jenseits der Kraft der Elfen lag. Er verstand es zweifellos den Dauthdaert zu führen aber sein Zorn ließ ihn unvorsichtig werden und die Tatsache, dass ihm ein Amt fehlte schränkte seine Möglichkeiten ein.
Narie wusste, dass sie abwarten musste bis sie eine Lücke in der Verteidigung entdeckte. Gleichzeitig jedoch stand sie unter Druck möglichst schnell einen Treffer zu landen. Je länger der Kampf dauerte desto wahrscheinlicher wurde es, dass der Schatten versuchen würde durch Magie anzugreifen.
Schließlich wagte sie es und es gelang ihr tatsächlich die Spitze ihrer Ravani Lanze in der Hüfte des Dämons zu versenken.
Getroffen taumelte der Schatten rückwärts. Ungläubig starrte das Wesen auf das dunkle Blut, welches aus der Wunde quoll. Dann richtete es den Blick wieder auf Narie. Diese hatte sich wieder in abwehrbereite Stellung gebracht und fixierte ihren Gegner mit konzentrierter Blick. Zu ihrer Beunruhigung lächelte der Schatten.
"Nicht schlecht kleiner Elfe!" zischte das Wesen wütend. "Mit der Ravani Lanze kennst du dich aus! Mal sehen ob ich auch auf ein Spiel verstehst indem ich der Meister bin."
Narie fluchte innerlich. Die Körpersprache ihres Gegners war eindeutig. Er würde sie nicht erneut direkt attackieren sondern vermutlich versuchen in ihrem Geist einzudringen. Konnte sie in so einem Kräftemessen bestehen?
Mit jeder Sekunde erwartete Narie einen Angriff der jedoch ausblieb. Zu ihrer Überraschung geriet plötzlich ihr Gegenüber wie trunken ins Wanken!
Naries Blick zu ihren Kameraden des Drachenreiterordens und sofort wurde ihr klar was vor sich ging. Marek, Ishaha, Laorie und Joto konnten sie nicht physisch unterstützen. Doch die konzentrierten Blicke der beiden Reiter und ihrer Drachen zeigten, dass sie den Dämon auf geistiger Ebene angegriffen.
Narie erkannte ihre Gelegenheit. Sie musste ihren Gegner entwaffnen und anschließend einen tödlichen Treffer anbringen. Sie wirbelte ihre Ravani Lanze herum und hakte das gabelähnliche Geweih an der Unterseite der Waffe am Stil des Dauthdaerts ein, nutzte die Hebelwirkung und riss damit dem Schatten seiner Waffe aus der Hand.
Die Reaktion des Dämons jedoch überraschte die junge Elfe und ließ sie zögern einen weiteren Schlag anzubringen.
Das besessene Wesen stieß einen schrillen Schrei aus als würde es Schmerzen leiden und taumelte rückwärts. Eine dumpfe Erschütterung ließ den Boden erzittern. Ein schneller Seitenblick zeigte Narie, dass die beiden Drachendamen aus ihrer misslichen Lage befreit waren und sich auch ihre Kameraden wieder bewegen konnten.
..... Als wäre seine Kontrolle über die anderen Geister durch den Verlust von Nieren gebrochen worden!..... Fuhr es Narie durch den Sinn.
War das möglich? Sicher, der Dauthdaert befehligte den Schatten als seine Artgenossen herbeizurufen erteilten sie nicht alle dasselbe Ziel? Die sie ihm vielleicht nicht freiwillig?
Es blieb keine Zeit darüber nachzudenken denn der Schatten stürmte über den Hof zu der Stelle an der Seine grün leuchtende Waffe zu Boden gefallen war.
Narie folgte ihm, erkannte aber dass sie nicht in der Lage sein würde ihren Gegner anzugreifen bevor er Nieren wieder in Händen halten würde.
- "Bleibt zurück Silberschopf und schützt dich!" -
Instinktiv wusste Narie, das Kirat zu ihr gesprochen hatte und was ihre Drachendame vorhatte. Eilig wirkte die junge Elfe einen Schutzwall um sich als auch schon die tödliche Flammenzunge der roten Drachendame vom Himmel schoss und den Schatten einhüllten. Dieser hatte gerade seine verbliebene Hand nach dem Dauthdaert ausgestreckt und löste sich nun mit einem grauenvollen Schrei ins Nichts auf.
Er war nicht endgültig besiegt, das war Narie sofort klar. Nur ein Stich durchs Herz vermochte einen Schatten endgültig zu vernichten doch für den Moment hatten sie gesiegt.
Erschöpft und dankbar blickte Narie Ira auf die noch eine Runde über den Innenhof der Festung drehte und dann in der Nähe ihrer Artgenossen aufsetzte.
Die beiden anderen Drachen standen schon wieder auf eigenen Füßen. Offenbar hatten ihre Reiter bereits die gröbsten Verletzungen versorgt.
Narie sah Marek auf sich zu laufen und dies nur allzu gerne zu, dass der Bergnomade sie in die Arme schloss.
Ishaha indes lief auf die Festung zu. Offenbar wollte er überprüfen wie die Lage im Inneren bestellt war.
"Ihr wart nicht schlecht ihr beiden!" flüsterte Marek und fügte dann schelmisch hinzu. "Natürlich hatte ich alles unter Kontrolle."
Lachend schüttelte Narie den Kopf.
"Kindskopf! Lass uns lieber sehen ob es Überlebende gibt und ob Verletzungen zu versorgen sind."
Der Anblick der vielen toten Körper vertrieb leider schnell jegliche Erheiterung aus dem Gedanken der Drachenreiter. In praktisch allen Fällen kam jede Hilfe zu spät.
Wütend blickte Narie zu der rußgeschwärzten Stelle des Hofes. Kiras Feuer den Schatten aufgelöst hatte. Narie konnte es nicht genau identifizieren aber ihr Blick blieb an einer Stelle an etwas hängen. Sie trat näher heran und hob einen verkohlten Gegenstand auf.
"Was hast du da?" Erkundigte sich Marek und ging neben Narie in die Hocke.
Die junge Elfe kam nicht zum Antworten sondern wurde von Ishahas aufgeregte Stimme unterbrochen.
"Der Kokon des Schatten-Ra zac ist verschwunden! Ich habe Spuren von Magie entdeckt. Dein Vater ist aber unter den Überlebenden Narie."
"Barzûl!" fluchte Marek in der Sprache der Zwerge. "Jetzt wissen wir ja was dieser Schatten hier gewollt hat. Bitte sag mir das wenigstens du gute Nachrichten hast Narie."
"Ich bin nicht sicher." murmelte die Elfe und konzentrierte sich wieder auf den Gegenstand in Ihrer Hand. Es überraschte sie, dass sie trotz des Angespanntenverhältnisses Erleichterung empfand das ihr Vater nicht zu den Toten gehörte. Aus dem Beutel an ihrem Gürtel zog sie ein Tuch hervor und bemühte sich den Russ zu entfernen. Ihr Verdacht bestätigte sich.
"Das hier ist ein Stück von Nierens Stil. Der Schatten konnte nicht den gesamten Dauthdaert mit sich nehmen als er sich aufgelöst hat."
Ishaha und Marek traten neben ihrere Ordensschwester und erkannten ebenfalls einen Teil der Waffe. Das grüne Leuchten war vollständig verschwunden. Man sah nur noch einen fein geschmiedeten Stil in den elfische Schriftzeichen eingeritzt waren.
"Hilft uns das irgendetwas?" fragte Ishaha hoffnungsvoll.
"Ich bin mir nicht sicher." entgegnete die Elfe. "Wir müssen Kontakt zu Eragon und Arya aufnehmen. Sie müssen erfahren was hier passiert ist. Außerdem reisen sie zusammen mit Aylon. Niemand weiß mehr über einen Dauthdaert als die Hüter die Kliesfara behütet haben."
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Eragon Band 6 - Die Wege der Reiter
FanfictionDas ist die Fortsetzung zu Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein Anfang. Wer Band 5 nicht kennt, sollte es erst lesen, um Band 6 zu verstehen. Ich sage es hier nochmal, dass mir die Geschichte nicht gehört. Ich habe sie nur auf...