72. Neue Lehrer

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"Ismira. "flötete Cale mit honigsüßer Stimme. Er und Tailon hatten das Quartier von Ismira und ihrer Drachendame Anarie aufgesucht und ihre beiden Mitschülerinnen zu wecken. Nachdem es aufgrund von Ismiras Abenteuer im verlorenen Wald zu Verzögerungen gekommen war sollte am heutigen Tag der Unterricht der beiden jüngsten Reiter des Ordens fortgesetzt werden.
Allerdings hatte weder Tailon zur Landung noch Cales sanfte Ansprache bisher das gewünschte Ergebnis erzielt. Tailons Schwester und ihre Reiterin schien fest entschlossen zu sein im Land der Träume zu verweilen. Auch die erneute Ansprache des Buchbindersohns quittierte Ismira nur mit einem ärgerlichen brummen und demonstrativ schob sie ihren Kopf unter ein Kissen und fixierte den mit Daunenfedern gefüllten Schalldämpfer mit dem Arm.
- "Ich glaube so wird das nichts." - vermutete Cale. - "Ich denke wir sollten auf deinen Vorschlag zurückkommen Großer." -
Die Antwort des jungen roten Drachen bestand in einer Welle aus diebischer Freude. Schnaubend so Cales Seelenpartner Luft in seine Lungen und stieß anschließend ein Brüllen aus, dass selbst Tote in ihrer ewigen Ruhe gestört hätte.
Die Wirkung war mehr als beachtlich. Anarie war sofort auf den Beinen und auch Ismira saß kerzengerade im Bett und sah sich mit weit aufgerissenen Augen nach drohenden Gefahren um.
"Guten Morgen meine Rebellin." begrüßte Cale seine Gefährtin.
Ismira Blicke ihren Liebsten einen Augenblick verwirrt an, dann stieß sie einen spitzen Schrei aus und zog sich die Decke bis zum Kinn.
"Wie kommst du dazu mitten in der Nacht im Quartier einer Dame......"
- "Zwei Damen!" - verbesserte Anarie und funkelte ihrem Bruder vernichtend an.
"Richtig, wie kommst du dazu mitten in der Nacht im Quartier von zwei Damen aufzutauchen! Das ist sehr unhöflich!"
Cale rutscht etwas näher zu Ismira und schloss sie in die Arme.
"Erstens meine Rebellin ist eine der Damen die Schwester meines Drachen und die Zweite meine Gefährtin. Desweiteren ist es nicht mitten in der Nacht sondern höchste Zeit zum Aufstehen. Dein Onkel musste die Fortsetzung unseres Unterricht nach deinem nächtlichen Abenteuer schon um einige Tage verschieben bis du dich vollständig erholt hattest. Er wäre bestimmt nicht begeistert wenn wir nun, da der Unterricht wieder beginnen soll zu spät kommen würden."
Dieses Argument machte offenbar Eindruck auf Ismira, trotzdem setzte sie ein schmollendes Gesicht auf und verkündete: "Ich werde trotzdem lieber etwas sanfter geweckt."
Cale kam dem Wunsch seiner Gefährtin nach und küsste sie zärtlich. Endgültig versöhnt bat seine Liebste ihn und Tailon in der großen Halle am Fuße des Kristallbaums auf sie zu warten. Ihr dünnes Nachthemd schien der junge Frau keine angemessene Kleidung für den bevorstehenden Unterricht.
Cale stimmte zu und ließ sich von seinem Seelengefährten zum Boden der großen Halle der Festung Mon'raner tragen. Noch immer faszinierte der riesige Kristallbaum ihn. Am Anfang hatte er sich gewundert, dass die Drachenreiter einen so gewaltigen Vorrat an magischer Kraft unbewacht ließen. Inzwischen jedoch wusste er es besser. Einige Schutzzauber verhinderten den Missbrauch der Energie. Ja selbst das unbefugte Entnehmen der gespeicherten Kraft war unmöglich. Darüber hinaus hatte der Buchbindersohn jedoch den Eindruck, dass noch etwas anderes das Herz der Festung schützte. Manchmal, wenn der junge Reiter seinen Geist nach dem Kristallbau ausstreckte hatte er das Gefühl im Wirbel der Energie ein altes, äußerst mächtiges Bewusstsein zu spüren. Er hatte es sogar bereits gewagt den Schattentöter Eragon auf diesen Umstand anzusprechen. Das Oberhaupt der Reiter hatte gütig gelächelt und seinem jüngsten Schützling ein Kompliment für seine scharfen Sinne gemacht. Zu weiteren Erklärungen war Saphiras Reiter jedoch nicht bereit gewesen. Er hatte Cale aufgefordert geduldig zu sein.
"Guten Morgen."
Die freundliche Stimme veranlasste Cale dazu sich um zu sehen. Es überraschte den jungen Reiter nicht, als er feststellte, dass der freundliche Gruß von einer Elfe ausgegangen war. Eine Melodie, die den Buchbindersohn an den Gesang eines Vogels erinnerte, hatte die Worte begleitet.
Die Tatsache, dass die Elfe von einer weißen Drachendame begleitet wurde lies Cale vermuten, dass es sich um Sylara handelte.
"Es freut mich, dass Ihr heute am Unterricht teilnehmen werdet. Mein Name ist Sylara und das ist meine Drachendame Lilah."
Die Weiße interessierte sich nur kurz für Cale und begann dann Tailon mit neugierigen Blicken zu Mustern und schnaubend die Luft zu kosten die vom Geruch des unbekannten Drachen erfüllt war. Ihr roter Artgenosse schien mindestens so interessiert wie die Drachendame selbst.
Cale führte indes zwei Finger an die Lippen und grüßte Sylara nach der Art ihres Volkes. Ein Umstand, den die Elfe mit einem dankbaren Lächeln quittierte.
"Ihr habt Glück, dass man euch überhaupt noch unterrichtet." ließ sich eine Stimme vernehmen die wie eine Mischung aus rollendem Donner und dem Knurren eines wilden Tieres klang.
Cale kann nicht umhin zu schlucken als sich die eindrucksvolle Gestalt einer weiblichen Urgal auf ihn zu bewegte. Zweifellos handelte es sich um die jüngste Reiterin der Gehörnten Togra. Ihre schwarze Drachendame die, wie Cale wusste den Namen Aragna trug hatte sich bereits zu ihren beiden Artgenossen gesellt.
"Wenn ein Krieger meines Clans sich so offen den Befehlen seines Anführers widersetzt hätte wäre er nicht so glimpflich davon gekommen wie dieses Menschenmädchen. Ich frage mich ob es daran liegt, dass sie die Nichte von Meister Feuerschwert ist."
"Das ist nicht besonders mutig." schleuderte Cale der Urgal entgegen. Er kam nicht umhin zu bemerken, dass Sylara und Togra einen interessanten Kontrast darstellten. Die in weißes Leinen gewandete Elfe bildete einen scharfen Gegensatz zu der Urgal, die mit einem schwarz bemalten, stählernen Brustpanzer und einem ledernen Lendenschurz bekleidet war. Dasselbe galt auch für ihre beiden Drachendame. Cale erinnerte sich an die Worte von Jotos Reiter Ishaha. In der Tat sah Lilah mit ihren weißen Schuppen und grünen Hörnern aus wie ein verschneiter Wald. Ein Bild der Eleganz und Schönheit. Aragnas Schuppen indes waren von einem glänzenden Schwarz und rotgoldene Hörner zeichneten ein Bild von Wildheit und Stärke.
"Was willst Du damit sagen?" knurrte die Urgal und trat mit gefletschten Reißzähnen auf Cale zu.
Der junge Drachenreiter überlegte ob es tatsächlich eine so gute Idee gewesen war die Worte der Urgal zu kritisieren. Mit Sicherheit aber würde er nicht den Respekt der Gehörnten gewinnen wenn er jetzt Furcht zeigte.
"Ich meine, dass es weder besonders mutig noch besonders ehrenhaft ist schlecht über Ismira zu sprechen solange sie nicht hier ist und dazu Stellung zu nehmen."
Einige Sekunden starten sich die beiden Drachenreiter an, dann brach Togra in schallendes Gelächter aus und klopfte Cale auf die Schulter. Dies sollte zwar eine freundliche Geste sein doch die Kraft der Gehörnten fegte den jungen Menschen fast von den Füßen.
"Der hier hat schon mal Mumm in den Knochen. Das gefällt mir! Ich denke wir werden gut miteinander auskommen Mensch."
Cale schaffte es ein Lächeln zu Stande zu bringen während er sich seine schmerzende Schulter rieb.
Inzwischen kam auch Anarie mit ihrer Reiterin auf dem Rücken zum Fuß des Kristallbaums heruntergeschwebt. Keiner der Schüler des Ordens hatte nun allerdings noch Zeit um ausführliche Begrüßung auszutauschen. Sylara stellte Togra und die beiden Drachendame Ismira und Anarie vor, dann setzte sie sich an die Spitze der Gruppe und führte sie zu einem breiten Hinterausgang durch den auch die Jungdrachen die große Halle verlassen konnten.
Die Gruppe trat hinaus in den Hinterhof der Festung. Wie Cale und Ismira bereits wussten wurde in diesem Bereich der Schwertkampf und das Bogenschießen geübt. Dementsprechend war der Hinterhof eingerichtet. Zur Linken der Reiter war ein Schießstand mit Zielscheiben in unterschiedlicher Größe und Entfernung. Ansonsten waren auf dem Hof hölzerne Trainingsgeräte aufgestellt wie der körperlichen Ertüchtigung und der Verbesserung der Kampftechnik mit dem Schwert dienten. Offenbar sollte die heutige Stunde von Tar, dem ersten Reiter der Urgals abgehalten werden. Der Reiter, welcher zu ersten Generation von Eragons Schülern gehört hatte, erwartete die Gruppe bereits gemeinsam mit seinem Drachen Aroc. Der Braune hatte bereits weit über 10 Sommer gesehen und war eine dementsprechend beeindruckende Erscheinung. Besonders die ungewöhnlichen, nach vorne gekrümmten Hörner verliehen der mythischen Kreatur ein beeindruckendes und gefährliches Aussehen.
Während Tar weiterhin mit dem Rücken zu seinen Schülern stand erhob sich Aroc und trat auf die Neuankömmlinge zu. Besonders intensiv musterte er seine neuesten Schützlinge.
- "Wie haben eure Reiter euch genannt?" - grollte schließlich eine mächtige Stimme.
- "Tailon Himmelskrieger." -
- "Anarie Sternenjägerin." -
Der braune Drache begann zu lachen. Das Geräusch klang wie eine abgehende Felsenlawine.
- "Himmelskrieger, Sternenjägerin! Was für hochtragende Namen für zwei so schmächtige Küken." -
Sowohl Tailon als auch Anarie begannen zu Knurren. Keiner der beiden jungen Drachen schien von der Bezeichnung "schmächtig" besonders erbaut zu sein.
Aroc reagierte auf die Provokation seiner neuesten Schüler in dem er seinen Kopf hernieder fahren ließ, seinen Rachen aufriss und ebenfalls ein wütendes Fauchen ausschließt. Seine Drohung klang im Gegensatz zu dem, was seine jüngeren Artgenossen hervorbrachten, allerdings wie das Brüllen eines Löwen im Vergleich zum Schnurren eines Hauskätzchens.
Anarie machte einen erschreckten Satz zurück und senkte demütig den Kopf. Tailon indes war offenbar entschlossen sich nicht beeindrucken zu lassen. Er verstärkte sein Fauchen noch und spreizte seine Flügel um etwas größer zu wirken.
"Na, was hältst du von deinen neuen Schützlingen?"
Alle Anwesenden hatten ihre Aufmerksamkeit auf das Verhalten der Drachen gerichtet und gar nicht bemerkt, dass Tar inzwischen neben seinen Gefährten getreten war.
Aroc stellte seine Drohungen sofort ein und blickte zu seinem Reiter hinunter.
- "Ich bin ganz zufrieden mit dem was ich sehe. Sie sind gut gewachsen für ihr Alter. Wie gesagt, noch etwas schmächtig aber das wird mein Trainings schnell ändern. Die Berge werden euch eine Kraft verleihen meine jungen Freunde wie sie bisher nicht für möglich gehalten habt." -
Abermals beugte sich der braune Drache zu seinem jüngeren Artgenossen hinunter. Zunächst fixierte er Anarie.
- "Du bist klug genug um zu erkennen, wenn dir ein Gegner überlegen ist. Aber etwas mehr Mut solltest du schon mitbringen wenn Du deine Reiterin beschützen willst. Wir werden daran arbeiten." -
Arocs mächtiges Haupt schwenkte zu Tailon hinüber.
- "Und du! Was deine Schwester zu viel an Vorsicht mitbringt solltest du deinem Wesen hinzufügen. Es ist nicht besonders weise oder klug einen weit stärkeren Gegner direkt zu provozieren. Wenn du dich schon einen größeren und stärkeren Feind anlegen willst Versuch nicht etwas vorzutäuschen. Die Flügel spreizen um eindrucksvoller zu wirken! Das ist ein Kücken-Trick. Glaubst du wirklich, dass ein Flammensohn wie ich darauf herein fällt? Nutze das was du hast. Und das ist eine höhere Beweglichkeit. Insofern ist es also gar keine schlechte Idee den Abstand etwas zu vergrößern um mehr Bewegungsspielraum zu haben. Keine Sorge! All das werde ich euch schon beibringen. Ihr tragt kraftvollen Namen. Wenn ich mit euch fertig bin werdet ihr dieser namen würdig sein und nun kommt." -
Mit diesen Worten spannte Aroc seiner gewaltigen Flügel auf und erhob sich in den Himmel. Lilah und Aragna folgten ihm direkt und nachdem sie sich von ihren Reitern verabschiedet hatten folgten auch Tailon und Anarie. Der Donner hielt direkt auf eine der Gebirgsketten zu die das Tal eingeschlossen.
"Euer Drache hat unsere Begleiter mit seinen Drohungen nur geprüft oder Meister?" erkundigte sich Ismira noch etwa verunsichert bei Tar.
Der Reiter der Gehörnten nickte mit einem wissenden Lächeln.
"Das müssen alle jungen Drachen über sich ergehen lassen wenn sie bei Aroc lernen wollen."
"Lilah ging es da nicht anders." kicherte Sylara.
"Und auch Aragna hat ihre Lektion bekommen." fügte Togra hinzu.
"Nun," hob Tar wieder an. "Togra und Sylara ihr beginnt heute mit Schießtraining. Da dies heute die erste Stunde für Cale und Ismira ist werde ich mir ein Bild von euch verschaffen sowie Aroc es bei eurem Drachen getan hat. Ihr zwei werdet ab sofort jeden Morgen von mir unterrichtet werden. Von mir werdet ihr alles über das kämpfen und schießen lernen sowie über den richtigen Umgang mit euren Seelengefährten. Auch werde ich euch über die Geschichte der Gehörnten einiges beibringen. Morgens findet Ihr euch bitte pünktlich auf diesem Hof hier ein. Mein Teil eures Unterrichts wird den Vormittag beanspruchen. Nach der Mittagspause findet Ihr euch dann bitte auf der ehemaligen Schlüpflingswiese bei Meisterin Arya und Meister Eragon ein. Sie werden eure Ausbildung in der Magie leiten und überwachen. Bis auf weiteres wird das euer Tagesablauf sein. Nun, dann wollen wir beginnen."



Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt