Wütend rammte Tjurin den dünnen Dolch, den er gekauft hatte um das Schloss der Tür zu Triannas Labor zu öffnen, in das hölzerne Fensterbrett. Ärgerlich starrte er aus dem Fenster in den Hof der Kaserne.
Das Geld für diesen Dolch hatte er wohl verschwendet. Er konnte nicht fassen, wie dumm er gewesen war nicht vorherzusehen, dass Trianna ihr Labor auch auf magischem Weg beschützen würde.
In den letzten Tagen hatte der junge Adlige vergeblich versucht eine Möglichkeit zu finden die schützenden Zauber um das Labor seiner ehemaligen Lehrerin zu umgehen. Es war bei einem Versuch geblieben. Schnell war für ihn klar gewesen, dass er die Schutzwälle nicht selbst lösen konnte. Zwar wusste er wie man schwache Geister beschwor und ihnen gewisse Befehle erteilte aber ihm fehlten schlicht die Begriffe in der alten Sprache die nötig waren um die Geister auf magische Sicherheitsvorkehrungen anzusetzen.
Auch sein Versuch sich in den Besitz derartiger Worte zu bringen war kümmerlich gescheitert und hatte ihn lediglich Geld gekostet. Er hatte zwei Mitglieder der Magiergilde in eine Taverne eingeladen und mit ihnen so manchen Krug gelehrt. Er hatte gehofft, dass der Alkohol die Zunge der beiden jungen Männer lösen würde. Zwar waren die beiden durchaus redselig geworden doch das, was sie zu sagen hatten gefiel Tjurin nicht im mindesten.
Einen magischem Schutzwall aufzulösen war eine schwierige und äußerst komplexe Angelegenheit. Es genügte nicht einfach einen oder zwei Begriffe in der alten Sprache zu murmeln und schon war die Aufgabe vollbracht. Nein, man musste genau wissen was man tat und man musste die Beschaffenheit des Schutzwalls genau kennen um die richtigen Worte auszuwählen. Tjurin wusste nicht wie genau Trianna ihren Schutzwall errichtet hatte und ganz gleich wie betrunken die beiden Magier waren eine so spezifische Anfrage hätte ihr Misstrauen erregt.
Darüber hinaus hatten die beiden ihm versichert, dass es praktisch unmöglich sei einen Schutzwall aufzulösen ohne dass der Magier, der ihn errichtet hatte es bemerkte. Da Trianna gemeinsam mit den Drachenreiter Murtagh nach Ilirea zurückgekehrt war um der Königin einen Bericht zu überbringen wäre es im Augenblick sowieso viel zu gefährlich gewesen zu handeln.
Ganz gleich wie hart Tjurin auch nachdachte, er drehte sich immer nur im Kreis. Ihm wollte keine Lösung einfallen und mehr und mehr reifte die bittere Erkenntnis heran, dass er wohl möglich eine einmalige Gelegenheit verspielt hatte.
Ein leises Klopfen an der Tür zu seinem Quartier ließ ihn herumfahren. Aus einem Impuls heraus schob sich Tjurin den erworbenen Dolch in seinen rechten Hemdsärmel. Im Grunde war dies albern und unnötig. Viele Mitglieder der Nachtfalken hatten Teile ihres Solds darauf verwendet, sich mit Waffen auszustatten die über den allgemeinen Standard hinausgingen. So etwas galt unter den Soldaten als Statussymbol und erregte im Grunde keinen Verdacht.
Tjurin aber wusste, zu welchem Zweck er den Dolch erworben hatte und einem weniger rationalen Teil von ihm erschien es offenbar, als ob die Waffe der ganzen Welt deutlich verkünden würde, dass sie einem Verbrechen dienen sollte.
"Herein!" forderte Tjurin und bemühte sich seiner Stimme einen neutralen Klang zu geben. Manchmal standen Vorgesetzte vor der Tür und der Sohn des Herzogs hatte bereits einige Male erfahren müssen, dass höher gestellte Offiziere es nicht schätzten, unfreundlich angesprochen zu werden.
Zu Tjurins Überraschung betrat keiner seiner Kameraden sein Quartier sondern eine der jungen Mägde mit denen er gelegentlich verkehrte. Es handelte sich um Lorena eine von Tjurins besseren Eroberungen. Äußerlich hatte sie ein absolut ansprechendes Wesen. Fließende lange schwarze Haare und blaue, mandelförmige Augen die sich als besonders anziehende Merkmale in ein durchaus anziehendes Äußeres einfügten. Wenn man die junge Frau von dem einfachen braunen Kleid befreit hätte, welches die weiblichen Dienstboten trugen, und in edle Stoffe gehüllt hätte hätte man sie fast für eine Frau des Adels halten können. Das lag zweifellos daran, dass sie ohnehin aus gutem Haus kam. Ihre Eltern, beide Kaufleute, hatten es durch die langjährige Partnerschaft mit einer Frau namens Helene zu Wohlstand gebracht. Offenbar hatte dieser bescheidene Reichtum sich negativ auf das Denkvermögen des Ehepaars ausgewirkt. Sie hatten beschlossen ihre Tochter für ein Jahr bei den Mägden des Palastes in den Dienst zu geben um ihr Respekt vor einfachen Leuten beizubringen. Mehr als einmal hatte Tjurin diese Geisteshaltung der Kaufleute als lächerlich betrachtet und es als fast bedauernswert empfunden, dass Lorena offenbar die Beweggründe ihrer Eltern nachvollziehen konnte.
Es überraschte den jungen Sohn des Herzogs seine Liebschaft nun vor sich stehen zu sehen. Er war sich ziemlich sicher, dass er sich nicht mit ihr für ein paar angenehme Stunden verabredet hatte. Und selbst wenn, hätte er sie nie aufgefordert in seinem Quartier zu erscheinen. Besuche dieser Art waren den Nachtfalken streng verboten. Um Schwierigkeiten mit seinen Vorgesetzten zu vermeiden hatte Tjurin also eine Reihe von diskreten Punkten gewählt um sich mit seinen Bekanntschaften zu treffen. Jeder von ihnen hatte er ohnehin eingeschärft niemandem etwas von "ihrer Liebe" zu erzählen. Die wenigsten der jungen Dinger ließen sich zum schieren Vergnügen auf eine Beziehung ein. Die meisten träumten von der großen Liebe und man musste sich dies zu Nutze machen wenn man bekommen wollte was man anstrebte. Lorena war in diesem Punkt keine Ausnahme.
Irgend etwas, so folgerte Tjurin, schien der jungen Frau auf der Seele zu lasten. Sie starrte nervös auf ihre Hände und knetete ihre eigenen Finger.
"Entschuldige das ich hierhergekommen bin." flüsterte das Mädchen, gerade als ihr gegenüber sich nach dem Grund ihres Kommens erkundigen wollte. "Ich weiß, ich soll nicht hierher kommen aber ich muss dringend mit dir reden."
"Natürlich." entgegnete Tjurin und bemühte sich möglichst freundlich zu klingen. Auch wenn er im Augenblick nicht in der Stimmung war, so waren die Stunden mit Lorena doch recht angenehm gewesen und er wollte es sich nicht aus einer Laune heraus mit seiner Gespielin verscherzen.
"Was gibt es denn?" erkundigte er sich.
Lorena schien ob der Frage hin noch nervöser zu werden und suchte einen Augenblick nach den richtigen Worten.
"Es ist etwas passiert." wisperte die junge Frau schließlich. "In den letzten Wochen war mir morgens beim Dienstantritt immer so schlecht und da hat mich die Aufseherin der Mägde zu einem der Heiler am Hof geschickt. Tjurin, ich bekomme ein Kind."
Die Worte trafen den Sohn des Herzogs wie ein Schlag ins Gesicht. Das konnte doch gar nicht sein. Er hatte doch immer gewisse Kräuter als Vorsichtsmaßnahme bei seinen "Verabredungen" zum Einsatz gebracht.
Lorena unterdessen sprach weiter:
"Es besteht kein Zweifel. Der Heiler hat es gleich der Aufseherin gesagt und die besteht darauf, dass ich es meinen Eltern mitteile. Dein Name habe ich aus dem Gespräch herausgehalten aber Du musst bitte mit mir zu meinen Eltern kommen. Ich will ihnen nicht allein gegenübertreten und wir müssen doch jetzt überlegen wie es weitergehen soll."
Tjurin hatte das Gefühl, dass sein Gehirn erst langsam wieder zu arbeiten begann. Sie hatte ihn also noch nicht gegenüber dem Heiler oder ihrer Aufseherin erwähnt. Das war gut! Aber was meinte sie denn bitte damit, wie es jetzt "weitergehen" sollte?! Glaubte dieses naive Ding etwa, dass er sie heiraten würde?! Gut, er hatte ihr gegenüber zwar immer beteuert, dass er sie lieben würde aber im Grunde war er immer davon ausgegangen, dass seine "Bekannten" sich in ihrem tiefsten innern doch bewusst waren, dass er, als Adliger, unerreichbar über ihnen stand. So viel Verantwortungsbewusstsein konnte er doch wohl erwarten!
"Meine Eltern sind gute Menschen. Wenn der Schreck erst mal verklungen ist, werden sie dich bestimmt mögen."
Tjurin hätte fast aufgelacht bei diesem Ausspruch. Mögen würden sie ihn also! Sollte er sich dadurch geschmeichelt fühlen? Lorena Eltern mochten vielleicht etwas mehr Geld besitzen als der einfache Pöbel aber das war auch schon alles! Und dieses dumme Mädchen glaubte tatsächlich, dass er sich zu ihr und dem Kind bekennen würde! Andere Adlige, die ihren Stand nicht so zu schätzen wussten wie er, würden das vielleicht tun oder akzeptieren, dass es irgendwo einen Bastard von ihnen gab, doch für Tjurin ging das einfach gegen seine Ehre! Er war nicht wie dieser Graf des Palancartals, Roran! Jeder Mann mit Verstand, dem man einen solchen Titel verliehen hätte, wäre sofort darauf bedacht gewesen sich durch eine Heirat endgültig im Adel zu etablieren. Aber dieser ehemalige Bauer hatte nicht daran gedacht sich von seiner unpassenden Gattin zu trennen. Er hatte seinen Titel mit ihr geteilt und was dabei herauskam sah man ja an Gräfin Ismira.
Klarheit und Erkenntnis schienen in Tjurins Geist zu fluten als das kalte Metall des Dolches, den er immer noch in seinen Ärmeln versteckte seine Haut berührte. Sein Entschluss stand fest! Er musste sich in der Tat um dieses Problem kümmern.
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Abrupt blieb Elva stehen. Bisher war sie, Nasuadas Wunsch entsprechend, den Nachtfalken gefolgt, die Trianna zunächst zu ihrem Labor und dann in ihr Gemach eskortiert sollten. Eine langweilige Aufgabe aber wieso nicht?
Nun aber meldete sich ihre Gabe. Inzwischen war sie dazu übergegangen, dass was der Drachenreiter Eragon ihr in seiner Jugend und Unwissenheit angetan hatte tatsächlich als Gabe zu empfinden. Seit er ihr die Fähigkeit gegeben hatte das Leid anderer auch zu ignorieren wenn sie es wollte genoss sie ihr Talent sogar von Zeit zu Zeit. Es gab ihr Macht und das gefiel ihr. Es war ein nicht zu unterschätzendes Vergnügen mit anzusehen, wie sich selbst die Großkönigin von Alagaesia vor ihr fürchtete.
Einmal hatte einer der Magier des Hof ist sie gefragt, wie sie Gefahren spürte. Eine lächerliche Frage. Wie sollte sie das beschreiben? Wie sollte sie überhaupt wissen inwiefern sich ihre Wahrnehmung von deren normaler Menschen unterschied? Sie hatte ihr Talent besessen, solange sie denken konnte! Soweit Elva es einschätzen konnte war sie noch nie normal gewesen! Sie wusste einfach manche Dinge. So wie sie wusste, dass Wasser nass war und Feuer heiß so wusste sie auch, wann sich jemand in ihrer Nähe in Gefahr befand. Und eben dies war im Augenblick der Fall.
Elva machte auf dem Absatz kehrt und Schritt in Richtung Thronsaal.
"Wohin geht ihr Elva-Finiarel?"
Die Stimme, die sie rief gehörte einem der elfischen Nachtfalken.
"Ich muss zur Königin und zu ihrem Drachenreiter! Wenn nicht schnell etwas unternommen wird werden zwei Lebenslichter für immer verlöschen!"
Elva beschleunigte ihren Schritt noch. Sie musste den Thronsaal erreichen.
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Tjurin kannte die Kaserne der Nachtfalken inzwischen gut genug um sie auch ungesehen verlassen zu können wenn er es wollte. Es war nicht besonders schwierig gewesen.
Lorena, die neben ihm ging, erzählte unentwegte von ihrer Familie. Tjurin hörte gar nicht richtig zu. Sein Entschluss war gefallen und inzwischen glaubte er sogar, dass das Schicksal auf seiner Seite stand. Welche anderen Erklärungen konnte es geben? Er hatte den Dolch in seinem Ärmel versteckt, noch bevor er überhaupt wusste, dass er ihn brauchen würde. Mehr noch: Um zum Haus von Lorenas Eltern zu gelangen wusste man das Lagerviertel durchqueren. Ortsansässige Händler konnten dort Hallen mieten, um ihre Warenbestände unterzustellen. Wenn nicht gerade eine Handelskarawane die Stadt erreicht hatte war es eine recht einsame Gegend. Nur wenige Leute lebten wirklich dort. Zweifellos unterstützte eine höhere Macht sein gerechtes Vorhaben.
Und es war gerecht! Er stand über diesen Mädchen! Sie hatte kein Recht auf ein Kind von seinem Blut. Es war ein Fehler! Etwas das einfach nicht sein durfte! Im Grunde war es doch ihre Schuld! Sie hatte sich doch auf eine Beziehung mit jemandem eingelassen, der deutlich über ihr stand! Hatte sie das vielleicht sogar geplant? Es erschien Tjurin immer wahrscheinlicher! Sicher war es auch möglich, dass der Händler, bei dem er seine "speziellen" Kräuter gekauft hatte, ein Betrüger gewesen war. Oft mischten diese Halsabschneider irgendwelche anderen getrockneten Blätter unter ihre Pülverchen um diese etwas zu strecken. Was kümmerte sie erst wenn die Wirkung dadurch auf der Strecke blieb.
So wie Lorena jetzt aber ihre Familie anpries, bestand aber tatsächlich auch die Möglichkeit, dass sie sich durch ihn in den Adel einschleichen wollte. Was außer Berechnung konnte denn bitte hinter den gemeinsamen Zukunftsplänen stecken von denen dieses dumme Ding da fantasierte?
Lange würde er das geschnatter dieser dumme Gans zum Glück nicht mehr ertragen müssen. Sie näherten sich bereits im Lagerviertel und schon einmal war es Tjurin gelungen einen Leichnam in den Abwasserkanälen unter der Stadt verschwinden zu lassen. Niemand wusste, dass er überhaupt etwas mit diesem Mädchen zu tun hatte. Selbst wenn man sie also finden würde, wäre niemand dazu in der Lage den Vorfall mit ihm in Verbindung zu bringen.
Während er über diese Möglichkeit nachdachte, bemerkte Tjurin den Soldbeutel, den Lorena wie jede Magd am Gürtel trug. In ihm verstauten die jungen Mädchen ihr Gehalt, welches am Ende jeder Woche von der Vorarbeiterin ausgezahlt wurde. Der von Lorena schien sogar überdurchschnittlich gut gefüllt zu sein. Vermutlich unterstützten die Eltern ihre Tochter und diese hatte schlichtweg vergessen ihren Beutel auszulehren weil sie das Geld eigentlich nicht nötig hatte.Für Tjurins Verhältnisse war der Geldbetrag der in dem kleinen Lederbeutel klimperte vermutlich lächerlich aber für einen Straßenräuber war ein solcher Beutel durchaus attraktiv. Solche Überfälle waren in Ilirea zwar selten aber es kam vor und manchmal endeten solche Angelegenheiten eben unerfreulich. Tjurin beschloss dafür zu sorgen, dass sollte Lorenas Leiche entdeckt werden, der Soldbeutel fehlen würde.
::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Elva hielt sich nicht lange mit den Wachen auf, die von Nasuadas Tür standen. Zwar gebot es eigentlich die Höflichkeit sich formell bei der Königin anzumelden doch auf solche Floskeln verzichtete das ehemalige Hexenkind nur zu gern. Das war etwas womit sich normale Menschen aufhielten.
Elva stieß die beiden Flügeltüren schwungvoll auf. Nasuada und ihr Gatte, der Drachenreiter Murtagh, standen am Konferenztisch und waren in eine Unterhaltung vertieft.
"Elva, was ist....."
Das ehemalige Hexenkind ignorierte die Königin und richtete sofort das Wort an den dunkelhaarigen Drachenreiter: "Ihr müsst sofort euren Drachen rufen. Er muss zum Lagerviertel oder es gibt ein Unglück!"
::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Die Gasse durch die sie gingen erschien Tjurin perfekt. Die Gegend war einsam, und die Rückwände der beiden hölzernen Lagerhallen besaßen keine Fenster. Der Sohn des Herzogs war sich sicher, dass keine unerwünschten Zeugen geben würde.
Vor ihnen war das Gitter, welches in die Abwasserkanäle hinunter führte.
Tjurin ließ sich etwas zurückfallen. In ihrer freudigen Aufregung bemerkte Lorena das kaum. Tjurin überlegte kurz wie er es am besten zu Ende bringen sollte. Am schnellsten würde es wohl gehen wenn er der jungen Frau die Kehle durchschnitt. Von diesem Gedanken kam er jedoch ab. Es war besser sie mit mehreren Stichen in den Rücken zu töten. Das würde bei einer Untersuchung des Leichnams die Vermutung unterstützen, dass es sich um einen Raub gehandelt hatte der schief gegangen war. Ein Ermittler würde wohl zu dem Schluss kommen, dass Lorena sich gewehrt und vielleicht zu fliehen versucht hatte und so zum Opfer geworden war. Ein klarer Schnitt durch die Kehle würde vielleicht Verdacht erregen weil er die Absicht zu töten zu klar unterstrich.
Lautlos wie die Kralle eines Raubtieres ließ Tjurin den Dolch aus seinen Ärmeln gleiten und umfasste den Griff fest mit der rechten Hand.
Der richtige Zeitpunkt rückte näher und näher. Sobald sie das Gitter in der Straße passiert hatten war es soweit. Tjurin wusste, dass es schnell gehen musste und daher wollte er den Leichnam nicht erst durch die ganze Gasse zum Abwasserschacht schleppen müssen.
Mit jedem Schritt verengte sich nun das Blickfeld des jungen Adligen. Eine seltsame Erregung stieg in dem auf wie er es von der Jagd kannte. Schließlich hatte er nur noch sein Ziel im Blick. Er verfolgte die Bewegung jedes Muskels um den richtigen Zeitpunkt zu erkennen.
Sie passierten das Gitter. Es war soweit! Jetzt oder nie!
Mit einer schnellen Bewegung griff Tjurin um Lorenas Kopf herum und presste ihr die linke Hand auf den Mund. Die kleine Hure durfte nicht schreien. Noch bevor das Mädchen in seinem Griff recht begriff was geschah holte Tjurin aus und rammte ihr den Dolch in den Rücken. Ein unterdrückter Schmerzensschrei drang unter seiner Hand hervor doch er war viel zu leise um von neugierigen Ohren gehört zu werden.
Tjurin zog den Dolch wieder aus Lorenas Körper. Er spürte wie ihm warmes Blut über seiner Hand lief. Unwürdiges Blut! Blut, das sein eigenes verunreinigen würde wenn er seine gerechte Arbeit nicht zu Ende führte. Er bereitete sich darauf vor ein weiteres Mal zuzustechen um es endgültig zu beenden.
Bevor es jedoch dazu kam ging um Tjurin herum die Welt unter. Das Geräusch von splitterndem Holz erfüllte die Luft doch wurde dieser Klang noch übertönt von etwas viel gewaltigeren. Es war ein Donner, der die Welt in ihren Grundfesten erschütterte. Tjurin Begriff überhaupt nicht was vor sich ging. Rot, überall um ihn herum nur rot. Rot wie der Zorn, rot wie Blut. Und Feuer, woher kam das Feuer?
Eine unglaubliche Kraft riss Tjurin von den Beinen und er prallte hart auf das Pflaster. Kurz schwanden seine Sinne und als sich sein Blick wieder klärte gefrohr ihm das Blut in den Adern. Die riesige Vorderklaue eines Drachen nagelt ihn am Boden fest. Schon einmal hatte er sich in so einer Position befunden. Zuhause in Giel'ead als in dieser wilde Drache angriff. So Furcht einflößend dieser Anblick auch gewesen war, was Tjurin nun erblickte überstiegen das damalige Erlebnis noch bei weitem. Über ihm baute sich der gewaltige rote Drache des Reiters Murtagh auf. Flammend züngelten aus seinem halb geöffneten Maul und schwarzer Rauch stieg ihm aus den Nasenlöchern. Von den Lagerhäusern die vorher die kleine Gasse begrenzt hatten war so gut wie nichts mehr übrig. Der riesige Drache musste sie mit einem Schlag seines gewaltigen Schwanz ist hinweg gefegt haben. Das riesige Geschöpf nahm Tjurins gesamtes Blickfeld ein. Es war als wäre ein wütender Gott vom Himmel gestiegen um Rache zu üben.
Lorena saß wimmernd einige Meter entfernt und versuchte die Hand auf ihre Wunde zu pressen.
Das durfte doch nicht sein..... fuhr es Tjurin durch den Sinn. Sein Handeln war gerechtfertigt. Kurz versuchte er sich aus dem Griff des roten Riesen zu befreien doch diese durchbohrte ihn förmlich mit dem gnadenlosen Blick seiner rubinroten Augen und etwas flutete durch Tjurins Geist. Heiß und zerstörerisch wie die Feuerwalze eines brennenden Waldes. Keine Worte begleiteten diese Empfindung aber die Botschaft war klar: Wenn du dich noch einmal bewegst war es das letzte was du getan hast.
DU LIEST GERADE
Eragon Band 6 - Die Wege der Reiter
FanfictionDas ist die Fortsetzung zu Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein Anfang. Wer Band 5 nicht kennt, sollte es erst lesen, um Band 6 zu verstehen. Ich sage es hier nochmal, dass mir die Geschichte nicht gehört. Ich habe sie nur auf...