Narie huschte über die vom Mondlicht erhellte Ebene. Sie hatte sich von ihrer Drachendame Kira in der kleinen Baumgruppe absetzen lassen die, seit sie an diesen Außenposten gebunden waren, zu Naries Lieblingsplatz geworden war.
Zu ihrer Überraschung hatte sie dort einen Käfer entdeckt, der eindeutig nicht zur Fauna von Du Weldenvarden gehörte. Möglicherweise handelte es sich sogar um eine komplett neue Art.
Wie alle Elfen liebt Narie natürlich die Natur aber Insektenforschung war für sie nur von relativ geringem Interesse. Sie wusste allerdings, dass Sera, die elfische Magierin diese bereits vom Rücken ihrer Drachendame aus erspäht hatte, großes Interesse an dieser Art Kleinstlebewesen hatte.
Kurzerhand hatte die junge Elfe beschlossen ihren Fund der Magierin zu zeigen. So war das kleine Waldgebiet ein gutes Stück von dem Ort entfernt an dem sie Sera beobachtet hatte doch mit der ihrem Volk eigenen Geschwindigkeit konnte Narie die Entfernung ohne Probleme überwinden. Zwar hätte sie auch nach ihrer Drachendame rufen können aber sie hatte beschlossen darauf zu verzichten. Kira hatte sich auf die Jagd begeben und die Rote würde bestimmt nicht erbaut davon sein um eine saftige Antilope gebracht worden zu sein weil ihre Reiterin einen Käfer entdeckt hatte.
Narie konnte bereits die Senke in der Landschaft erkennen wo sie Sera zum letzten Mal gesehen hatte. Sie musste über ihren eigenen jugendlichen Eifer schmunzeln. In den zurückliegenden Tagen hatte sie einige interessante Gespräche mit der älteren Elfenmagierin geführt und war dazu übergegangen sie als seine Freundin zu betrachten. Es war angenehm sich daran zu erinnern, dass es auch Mitglieder ihres Volkes gab die dem Neuen und der Veränderung offenherzig gegenüberstanden. Die Erfahrungen der jungen Elfe mit ihrem Vater und nicht zuletzt mit Fürst Däthedr hatten Narie gefühlsmäßig von ihrem Volk entfernt. Es war angenehm festzustellen dass sie nicht die Ausnahme war welche die Regel bestätigte sondern eine Facette in einem großen Ganzen, welches sich durch die gleiche Vielfalt auszeichnete die jeder Rasse innewohnte.
Narie wollte gerade ihre Stimme erheben und nach Sera rufen als sich ein eiskalter Stein in ihrem Magen bildete. Ihre Sinne hatten bereits registriert was ihr Verstand noch nicht ganz begreifen konnte. Irgend etwas stimmte hier ganz und gar nicht.
Narie ordnete die Eindrücke die ihr von den einzelnen Sinnen übermittelt wurden und einen Wimpernschlag später wusste sie was sie in Aufregung versetzt hatte. Es war der Geruch, der in der Luft lag. Trotz ihrer Jugend wusste Narie sofort um was es sich handelte: es war der bittersüße, leicht metallische Geruch von Blut. Je näher sie der Senke kam desto deutlicher und stärker wurde der Geruch. Es musste sich um sehr viel Blut handeln.
Narie griff mit gewohnter Routine an ihren Gürtel und zog ihre Waffe hervor. Anders als bei den meisten anderen Reitern handelte es sich nicht um ein Schwert sondern um eine Ravani-Lanze. Die Waffe war eine besondere Anfertigung von Runön und Narie hatte sie erhalten, da sich ihr Talent für den Schwertkampf doch eher in Grenzen hielt. Während ihre Eltern über die mangelnde Begabung ihrer Tochter lediglich enttäuscht waren hatte Arya das Talent ihrer jungen Cousine für die Ravani Lanze entdeckt und gefördert.
Einmal mehr konnte "Silberschopf" ihrer Verwandten nur danken denn inzwischen beherrschte sie die Lanze meisterlich.
Trotz der bedrohlichen Situation konnte Narie nicht verhindern dass ihre Gedanken zu "Rabenmähne" abglitten. Nicht zuletzt weil hier, in der Nähe dieses Außenpostens, Arya ihr in ihrer bisher schwersten Lebensphase beigestanden hatte. Ihre Eltern hatten sie, nachdem ihr Vater eine Intrige gegen Arya gesponnen hatte, im Stich gelassen. Mit dem Mut der Verzweiflung hatte sich das damals erst 14 jährige Elfenmädchen auf die Suche nach ihrer einzigen anderen Verwandten gemacht. Arya hatte sie damals aufgenommen obwohl sie jeden Grund gehabt hätte die Tochter des Mannes, der sie so tief verletzt hatte, davon zu jagen. Sie hatte es ihr ermöglicht die Dracheneier zu berühren und Kira war geschlüpft. Damit hatte ein neues Leben für sie begonnen. Nun würde sie vielleicht auch bald noch einen Cousin kennen lernen. Aryas lange verschollenen Bruder. Eine Aussicht die ihr durchaus gefiel.
Ein Windstoß fegte über die Ebene und trieb Narie erneut den Geruch von Blut und Tod ins Gesicht. Sofort ordnete die Drachenreiterin ihre Gedanken wieder und machte sich mit ihrer Lanze in der Hand kampfbereit. Etwas gefährliches lag in der Luft und es war nicht der Augenblick um in Erinnerung zu schwelgen.
Mit der gebotenen Vorsicht näherte sich Narie nun der vor ihr liegenden Senke. Als sie über deren Rand blicken konnte weiter sich die Augen der jungen Elfe vor Entsetzen. Der Anblick war furchtbar!
Narie war inzwischen nicht mehr das verlorene Elfenkind welches sich zu ihrer Cousine geflüchtet hatte. Sie war seit über 10 Jahren eine Drachenreiterin und hatte Kämpfe bestanden, Blut und Tod gesehen und sich dennoch tapfer gehalten. Der Anblick der sich hier jedoch bot trieb der Elfe Tränen in die Augen und brachte sie an den Rand des Erbrechens. Dies in ihrem Geist hatte sie es bereits befürchtet: Sera war tot! Ermordet!
Nein, nicht einfach ermordet! Für den Anblick der sich Narie dort bot gab es nur ein Wort: Abgeschlachtet. Dies war nicht wie die Verletzungen die die junge Drachenreiterin beispielsweise nach einer Flutkatastrophe hatte heilen müssen. Nein, diese Wunden waren nicht das Ergebnis entfesselter Naturgewalten. Auch unterschieden sie sich deutlich von dem was man an Verletzungen erwarten konnte wenn man ein Schlachtfeld betrat. Sicherlich forderte der Krieg grausamen Blutzoll doch konnte man stets erkennen, dass die Verletzungen ein Ergebnis des zurückliegenden Kampfes waren in dem es nur zwei Möglichkeiten gab: Entweder man tötete den Feind oder Mann wurde getötet!
Diese Wunden zeugten nicht von dem Bestreben sein eigenes Leben zu schützen und sich einen Gegner vom Leib zu halten sondern sie waren eindeutig das Ergebnis von Grausamkeit. Irgendjemand hatte sie Sera zugefügt mit dem einen Ziel möglichst großes Leid zu erzeugen und diese unbekannte hatte es zweifellos mit Genuss getan.
Ein Geräusch wie rollender Donner löste Narie aus der Starre in die sie nach dem schockierenden Anblick gefallen war. Alarmiert sah sie sich nach der Quelle des unheimlichen Geräusches um.
Erneut jagte ihr, was sie sah, einen kalten Schauer über den Rücken.
Eine unüberschaubarer Anzahl von Geistern schwebte über dem Außenposten. In einer Schwindel erregenden Spirale die einer Windhose glich pflegten die Energiewesen über den Hof der Festungsanlage.
Fassungslos musste Narie mit ansehen wie die Drachendame Laorie und der junge goldene Drache Joto von unglaublichem mächtigen magischen Kräften in die Höhe gehoben wurden und die Spielfiguren zur Seite geschleudert wurden. Unter dem Schmerz erfüllten brüllen der beiden Drachen stürzten Teile der äußeren Befestigungsmauer ein.
Narie registrierte kaum dass sie sich in Bewegung gesetzt hatte. Sie musste ihren Freunden helfen! Dieser Gedanke setzte sich direkt in Aktion um. Sie rannte auf den Außenposten zu und erkannte erleichtert, dass die beiden Drachen den Angriff wohl nicht unverletzt überstanden hatten aber noch am Leben waren.
- "Was ist los Silberschopf?" - Kiras besorgte Stimme hallte durch Naries Gedanken. - "Ich kann spüren wie aufgeregt du bist!" -
Narie antwortete ihrer Drachendame mit dem brennenden Wunsch: Kom schnell her! Ich brauche dich!
DU LIEST GERADE
Eragon Band 6 - Die Wege der Reiter
FanfictionDas ist die Fortsetzung zu Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein Anfang. Wer Band 5 nicht kennt, sollte es erst lesen, um Band 6 zu verstehen. Ich sage es hier nochmal, dass mir die Geschichte nicht gehört. Ich habe sie nur auf...