136. Kriegsrat

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Von Saphiras Rücken aus erblickte Eragon bereits die Zinnen von Ilirea. Im Licht des heraufziehenden Morgens zeichnete sich bereits deutlich die Hauptstadt ab. Obwohl diese Etappe ihrer Reise zu Ende ging wollte sich die Unruhe, welche Eragon emfand nicht verflüchtigen.
- "Deine Nichte und ihren Gefährten wird schon nichts passieren." - versuchte Saphira ihren Reiter zu beruhigen.
- "Ich mache mir trotzdem Sorgen um die beiden." - erwiderte Eragon nachdenklich. - "Die beiden sind zurzeit das schwächste Glied in der Kette der Drachenreiter. Was wenn dieser Schatten Netor sie angreift." -
- "Es ist verständlich, dass Du dir Sorgen machst aber bewusst akzeptieren, dass der Moment nichts an ihrer Situation ändern kannst." - belehrte Saphira ihren Reiter. - "Ich denke aber nicht, dass unser Feind sich ausgerechnet die beiden als Ziel aussuchen wird. Sicher, er hat Narie, Ishaha und Marek angegriffen aber das war mehr Mittel zum Zweck. Er wollte den Kokon des Schatten-Ra zac. Warum sollte er zu dem Außenposten zurückkehren? Er hat was er wollte. Außerdem sind nicht die Drachenreiter seine Hauptfeinde sondern die Elfen." -
Bei der Erwähnung des schönen Volkes wanderte Eragons Blick unweigerlich zu seiner Gefährtin, die, gemeinsam mit ihrem neu gefundenen Bruder, auf dem Rücken ihres grünen Gefährten an seiner Seite flog. Saphira hatte natürlich recht. Der Hass der Geister, die durch Nieren erschaffen worden waren, richtete sich in erster Linie gegen ihre Schöpfer. Sicher verabscheute die Geister auch die Reiter weil sie Ausdruck des Friedens waren den sie ablehnten aber sie waren nicht das Hauptziel. Tröstlich war dieser Gedanke trotz allem nicht wirklich. Bereits im Krieg gegen Galbatorix hatten die Elfen einen hohen Blutzoll entrichten müssen und Shruikans Angriff auf Osilon hatte ebenfalls einen schrecklichen Tribut gefordert.
Eragon nahm sich fest vor, dass ein solches Debakel sich nicht wiederholen durfte. Gerade wenn man die geringe Fruchtbarkeit der Elfen bedachte konnten sie keine weiteren Verluste verkraften. Der Gedanke machte Eragon fast wütend. Es war nicht richtig, dass ein Volk Verluste hinnehmen musste dies an den Rand des Aussterbens brachten. Die Geburten von Kindern schienen herabgewürdigt zu werden wenn sie so kalt und methodisch abzählen musste. Das Leben sollte man achten aufgrund seiner bloßen Existenz. Kein Lebewesen sollte es nötig haben sein hier seien noch zusätzlich zu rechtfertigen. Unglücklicherweise war diese Einstellung in der Welt eher selten.
Ein donnerndes Brüllen schreckte den Drachenreiter aus seinen düsteren Überlegungen. Über der inzwischen näher herangerückten Hauptstadt stieg Dorns mächtige Silhouette in den Himmel. Die Zeiten in denen Dorns auftauchen Angst und Panik verursacht hatte Lagen zu Eragons grenzenloser Erleichterung zwar hinter Selenas Söhnen dennoch lief dem Anführer der Drachenreiter ein kleiner Schauer über den Rücken beim Anblick des Roten Giganten. Das hatte allerdings weniger mit trüben Erinnerungen an den großen Krieg zu tun.
Eragon hatte schon bemerkt, dass es unter den Drachen durchaus Unterschiede gab. So wie Menschen, Elfen, Zwerge oder Urgals durch die jeweiliges auftreten unterschiedliche Reaktionen auslösten gab es auch bei den Drachen gewisse Unterschiede. 
Jedes der mächtigen Wesen war natürlich ehrfurchtgebietender und nötigte der Umgebung Respekt ab. Die Mittel, mit denen die Drachen diese Wirkung erzeugten variieren allerdings leicht. Saphira und Firnen erzielten diese Wirkung durch ihre Eleganz und Erhabenheit. Dorn hatte eine etwas rauere Aura als seine beiden Artgenossen. Das feurige Rot seiner Schuppen, seine Größe und die Schärfe seines Blickes machten jedem klar, dass er zu den mächtigsten Wesen Alagaesias zählte und man besser nicht versuchen sollte sich mit ihm anzulegen.
Es belustigter Eragon etwas, dass sein Bruder eine ganz ähnliche Ausstrahlung auf seine Umgebung hatte. Offensichtlich passten Drache und Reiter einfach gut zusammen.
Inzwischen hatten die beiden ankommenden Drachen die donnernde Begrüßung ihres roten Artgenossen erwidert und Murtagh winkte seinem Bruder und den anderen Neuankömmlingen vom Rücken seines Drachens aus zu.
Er bedeutete der Gruppe ihm zu folgen. Nach einigen kräftigen Flügelschlägen erkannten Eragon und Saphira, das Murtaghs sie zu einem großen runden Zelt fühlte welches außerhalb der Stadtmauern von Ilirea aufgestellt war. Es erinnerte den Reiter sehr an Nasuadas Kommandozelt während des Krieges. Auch die Tatsache, dass die Königin sie offenbar mit einer Abordnung der Nachtfalken vor der Hauptstadt erwartete versetzte Eragon zurück in die Zeit als sie noch die Führerin der Varden und er ihr Vasall gewesen war.
Kurze Zeit später fanden sich die Reiter bei Nasuada ein und die Königin erklärte ihnen, dass sie dieses Zelt für die anstehende Besprechung hatte aufstellen lassen damit Saphira und ihre Artgenossen der Unterhaltung unmittelbar beiwohnen konnten. Drei Drachen ihrer Größe würden kaum nahe genug an die Residenz herankommen können um zuzuhören.
Saphira bestand darauf, dass ihr Reiter sich in ihrem Namen bei der Königin bedankte. Eragon hatte den Eindruck, dass seine ehemalige Herrin einiges an Sympathie bei der Drachendame dazugewonnen hatte.
Selbstverständlich hatte Murtagh, auf Nasuadas bitte hin, das Zelt mit entsprechenden Zaubern umgeben damit niemand die Unterhaltung belauschen konnte.
Arya ließ sich nicht nehmen Aylon persönlich der Königin vorzustellen und der Elf wechselte einige höfliche Worte mit der Herrscherin der Menschen. Der erste Eindruck, den die beiden voneinander hatten schien nicht negativ zu sein.
Schließlich zog sich Nasuada mit den Reitern in das Zelt zurück und Saphira, Dorn und Fírnen platzierten sich so, dass sie durch einige Öffnungen in der Zeltplane ins Innere blicken konnten. Die Nachtfalken bildeten einen Kreis um das Zelt und die drei Drachen herum. Sie würden niemandem gestatten sich ohne Erlaubnis zu nähern.
Im Inneren des Zeltes hatte Nasuada einen runden Tisch aufstellen lassen um den sie sich mit ihren Gäste platzierte. Dankbar nahm Eragon zur Kenntnis, dass neben einigen Schalen mit frischen Früchten auch eine Charakter mit Wasser bereit stand damit sich die Neuankömmlinge etwas erfrischen konnten.
Schließlich ergriff Nasuada das Wort: "Es freut mich das ihr zurück seit Eragon. Ich vermute, dass es nichts Gutes bedeutet das unser neuer Gegner den Kokon aus dem Außenposten gestohlen hat."
"In dem Punkt stimme ich dir zu Nasuada." erwiderte Eragon. "Vermutlich wird Netor den Patt der sich bisher eingestellt hatte beenden. Der Geist, der ursprünglich in den Ra zac eingedrungen ist war ebenfalls ein Geist des Hasses. Vermutlich oft unser Feind sich einen Verbündeten schaffen zu können. Was mich daran am meisten beunruhigt ist, dass es bisher noch nie dazu gekommen ist, dass ein Angehöriger dieses dunklen Volkes zu einem Schatten geworden ist. Wir wissen sehr wenig über die Ra zac und noch weniger über die veränderten Form die durch Shruikan entstanden ist. Über die Fähigkeiten des Wesens was hier im Entstehen begriffen ist können wir nur spekulieren."
Mit sorgenvoller Miene im Gesicht nickte Nasuada.
"Als wäre dieser Schatten nicht schon schlimm genug. Er hat bei dem Außenposten immerhin geschafft, sich gegen eine Abteilung der Nachtfalken, Elfenmagier rund drei Drachenreiter durchzusetzen. Sicher konnte Narie ihn vertreiben aber dennoch ist das eine beunruhigendes Machtpotenzial."
"Da stimme ich euch durchaus zu königliche Hoheit aber dennoch gibt es Hoffnung." warf Aylon ein. "Zum einen hat der Angriff von Netor einige charakterliche Schwächen bei ihm enthüllt, ebenso seine Abhängigkeit von der Waffe die nun führt. Außerdem ist es uns gelungen die Geister, welche aus Kliesfara geboren wurden davon zu überzeugen uns beim Kampf zu unterstützen."
"Das sind in der Tat gute Nachrichten." Die Miene der dunkelhäutigen Frau hellte sich wieder etwas auf. "Habt ihr denn bereits einen Plan wieder weiter vorgehen wollt."
Eragon nickte entschlossen.
"Wir sind der Meinung, dass wir es nicht riskieren dürfen unserem Feind die Initiative zu überlassen. Er würde bestimmt versuchen uns in eine Falle zu locken. Wir wollen alles daran setzen selbst zu entscheiden wo und wann der letzte Kampf stattfinden wird. Wir werden zunächst hier warten ist unsere Schüler Ismira und Cale eintreffen. Bei seinem Angriff auf den Außenposten wurde Nieren beschädigt. Mit dem Bruchstück in unserem Besitz glaubt Aylon, dass er zum einen den Dauthdaert Nieren aufspüren kann. Da seine Macht abhängig ist von dieser Waffe können wir davon ausgehen, dass Netor dort ist wo die Lanze zu finden ist."
"Das ist anzunehmen." murmelte Murtagh. "Im Grunde sind alle machthungrigen Despoten gleich. Sie wollen auf keinen Fall zu weit von dem entfernt sein worauf ihre Herrschaft fußt. Deswegen hat schließlich auch Galbatorix zugelassen, dass sein Reich durch Krieg verwüstet wurde während er in der Hauptstadt blieb."
Eragon nickte, ging aber nicht weiter auf das ein was Murtagh gesagt hatte. Er wusste, dass seine Zeit bei dem dunklen König immer noch ein schwieriges Thema für seinen Bruder war und es wohl auch immer bleiben würde. Das gleiche galt wohl bedauerlicherweise auch für den bitterem Zynismus der die Worte des Dunkelhaarigen begleitet hatte.
Es war Aylon, der die Erklärung fortsetzte.
"Zusätzlich glaube ich, dass es mir möglich sein wird die Kontrolle die der Schatten Netor gegenwärtig über seine Artgenossen hat mithilfe des Bruchstück des von Nieren zu stören. Gleichzeitig können wir mithilfe von Kliesfara einen konzentrierten Angriff gegen einen Feind führen der aufgrund meiner Einflussnahme desorganisiert ist."
Nachdenklich strich sich Nasuada mit dem Finger über das Kinn.
"Ich habe genug Schlachten geschlagen um zu wissen, dass ein unorganisierter Feind ein schwaches Feind ist."
"Trotzdem bleibt natürlich Netor ein gefährlicher Gegner. Er scheint einer der ältesten und mächtigsten Geister des Hasses zu sein und dementsprechend Wird die Macht dieses Schattens sein. Wir dürfen auf keinen Fall zu selbstsicher werden."
Arya hatte ihre warnenden Worte mit klarer konzentrierter Stimme gesprochen. Einmal mehr faszinierte es Eragon wie die Elfen auf ihre Umgebung wirkten. Kraft und Erhabenheit der Stimme seiner Gefährtin hatte die Fakten, die sie ausgesprochen hatte, scheinbar mit den Grundfesten der Erde verankert. Fest nahm sich Saphiras Reiter vor, wieder etwas Zeit mit seiner Gefährtin zu verbringen sobald die Krise überstanden war.
"Deshalb werden wir uns noch zusätzlich absichern." erklärte der Anführer der Drachenreiter und riss sich damit selbst aus seiner Bewunderung. "Ich werde noch heute die Ostmark kontaktieren und darum bitten, dass man uns einige zusätzliche Eldunari ich schickt. Wir werden die Seelenhorten gleichmäßig unter uns Reitern verteilen und so hoffentlich zu Gegnern werden die Netor an Kraft ebenbürtig sind."
"Eine kluge Vorsichtsmaßnahme." pflichtete Nasuada bei. "Wenn alles nach eurem Plan verläuft haben wir wohl wirklich eine gute Chance diese Krise zu meistern."
"Aber wann läuft schon einmal etwas ganz nach Plan." murmelte Murtagh bitter.

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt