20. Einzigartigkeit

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Ismira war froh, dass Anarie an ihrer Seite war als sie auf die Fürstin von Emfielion zugingen. Eigentlich hatte die junge Adlige geglaubt auf die Begegnung mit dem Volk der Elfen vorbereitet zu sein. Immerhin gab es eine Elfe die sich mit einigem stolz ihrer Tante nannte. Doch die Drachenreiterin musste sich gestehen, dass es doch ziemlich überwältigend war tatsächlich auf das schöne Volk zu treffen.
Noch einmal ging sie in Gedanken die Verhaltensregeln durch, die ihr von ihrer Lehrmeisterin eingebläut worden waren. Mit einer für sie völlig untypischen Disziplin und ausgesuchten Höflichkeit begann sie gemeinsam mit den anderen Drachenreitern das traditionelle Begrüßungsritual der Elfen.
Als die Formalitäten ausgetauscht waren wandte sich Neferta, die Fürstin von Emfielion, zunächst an die beiden älteren Drachenreiter.
"Argetlan Marek, Argetlan Narie, wie immer es uns eine Freude Mitglieder des neuen Ordens in unserer Stadt zu begrüßen. In aller Form heiße ich euch und eure ehrenwerten Sculblakas willkommen. Ich weiß das ihr heute nicht nur als Abgesandte des Ordens zu uns gekommen seid, sondern auch als Lehrer. Seit bitte versichert, dass wir euch bei eurer wichtigen Aufgabe, die Zukunft der Drachenreiter zu sichern, nach Kräften unterstützen werden. Wenn es irgendetwas gibt dass ihr benötigt um euren Unterricht zu gestalten zögert nicht darum zu bitten."
Wie es bei den Elfen üblich war verneigten sich die beiden Drachenreiter und bekundeten ihre Dankbarkeit sowie die ihrer Drachen. Nach den Regeln des Anstands der Menschen wäre es die Aufgabe der Lehrer gewesen auch die Schüler vorzustellen. Die Elfen gingen dabei etwas anders zu Werke. Willkommene Gäste wurden, unabhängig von ihrem Stand, persönlich von den regierenden Fürsten in einer Elfenstadt begrüßt und durften sich auch selbst vorstellen. Eine Geste die nicht nur die Wertschätzung der Elfen im Bezug auf das Leben, sondern auch in Bezug auf das Individuum zum Ausdruck brachte.
Zunächst blieb Neferta vor Cale stehen und musterte den jungen Mann ausführlich.
Ebenfalls der Tradition der Elfen folgend schwieg Cale zunächst und überließ der Fürstin die Initiative des Gesprächs. Eine Ehrung und ein Beleg dafür, dass der junge Drachenreiter ihren höheren Stand anerkannte.
"Ich begrüße dich in Emfielion junger Reiter. Darf ich dich um deinen Namen und den deines Sculblaka bitten?"
"Mein Name ist Cale Burkatsohn und dies ist der Drache, der mich zu seinem Reiter erwählt hat. Er hat für sich den Namen Tailon gewählt. Tailon der Himmelskrieger."
Auf die höfliche Nachfrage der Fürstin hin erklärte Cale den Ursprung dieses Namens. Schweigend belauschte Ismira das Gespräch.
"Wie ich höre vermutet deine Lehrerin, dass in dir das Blut unseres Volkes fließt." Erkundigte sich die Fürstin schließlich. Ismira biss sich verlegen auf die Lippe. Sie wusste, dass die Elfen auch über große Distanzen miteinander kommunizieren konnten. Die Nachricht von Cales Abstammung hatte sich offenbar wie ein Lauffeuer verbreitet. Hoffnung gab der jungen Reiterin jedoch, dass der Tonfall der Elfenfürstin nicht nur höflich sondern auch warm und offenherzig blieb.
"Das ist richtig Neferta-Elda." begann Cale zu erklären. "Von meinem Großvater, der mich auch in der Magie unterwiesen hat, habe ich erfahren, dass es in meiner Familie angeblich einen Drachenreiter gegeben haben soll der sein Herz an ein Mitglied des Volkes der Elfen verloren hat. Ein Erbstück meiner Familie, ein Liebesbeweis an meiner Vorfahrin, sowie die Tatsache, dass sich die Verbindung zu meinem Drachen bei mir früher und stärker als bei einem normalen Menschen ausgewirkt hat, haben Meisterin Narie zu dieser Annahme gebracht."
Ismira versuchte am Gesichts der Elfe zu erkennen wie sie über diese Theorie dachte. Offenes Interesse schien das vorherrschende Gefühl der Herrin von Emfielion zu sein. Neferta gab aber schließlich keinen weiteren Kommentar ab und trat vor Ismira.
Die junge Reiterin sandte ein Stoßgebet zu sämtlichen ihr bekannten Göttern. Einmal im Leben wollte sie sich so verhalten wie Anna es sich stets gewünscht hatte und kein Chaos auslösen. Es entspannte Ismira etwas, das Anarie aufmunternd ihren Geist anstieß.
Wie zuvor bei ihrem Mitschüler erkundigte sich Neferta nach Ismiras Namen und dem ihres Drachenmädchens.
"Mein Name ist Ismira Katrinatochter und diese junge Drachendame hat nichts ihrer Reiterin erwählt. Ihr Name ist Anarie, Anarie die Sternenjägerin."
"Ich nehme an, dass dein Mitschüler dich zu diesen Namen inspiriert hat Ismira-Finiarel." schmunzelte die Fürstin.
Anarie ließ durch ihre Reiterin übermitteln: "Ich wollte schließlich nicht hinter meinem Bruder zurückbleiben. Er ist nach einem Sternbild benannt und ich bin es auch."
"Würdige und kraftvolle Namen für zwei junge Sculblaka, denen das Erbe von Saphira Schimmerschuppe ins Blut geschrieben ist." befand Neferta und richtete dann den Blick wieder auf Ismira. "Doch nicht nur diesen Jungdrachen ist ein großes Erbe mitgegeben worden. Das gleiche gilt für dich Ismira Katrinatochter. Die Schuld die mein Volk, die jedes Volk von Alagaesia gegenüber deinem Onkel, Eragon Schattentöter, hat kann nie wieder beglichen werden. Er hat den Schatten vertrieben, den die 13 und ihr Anführer Galbatorix über die Welt gebracht haben. Er hat dem Drachenvolk neues Leben gegeben und den Orden der Reiter neu gegründet. Auch der Name deines Vaters, Roran Hammerfaust, ist uns wohl bekannt. Er ist eingegangen in die Chroniken die wir über den großen Krieg verfasst haben und seine Rolle in den Schlachten die dort beschrieben werden ist stets die eines Helden. Ein Erbe wie du es trägst ist eine große Ehre, doch auch eine schwere Bürde. Ich heiße dich willkommen Ismira Katrinatochter und wünsche dir Kraft und Erfolg auf deinem Weg."
Dankbar und sprachlos zugleich verneigte sich Ismira vor der Fürstin und folgte ihr dann gemeinsam mit den übrigen Mitgliedern ihrer Reisegruppe zu den Unterkünften die ihnen zugewiesenen waren.

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt