129. Mit den Augen eines Schatten

1.1K 43 0
                                    


Nahezu Überwand Netor die äußere Verteidigungsmauer des Stützpunktes. Die Zeit, die er in der Befragung der Elfe investiert hatte machte sich bezahlt. Nun da er den magischen Schutzwälle kannte die den Außenposten umgaben war es ein leichtes sie zu umgehen. Die von Menschen geschaffenen Verteidigungsanlagen wie Mauern waren für den Schatten so bedeutungslos, dass er ihnen kaum mehr Aufmerksamkeit schenkte. Die Bauwerke stellten für ihn ebenso wenig ein Hindernis dar, wie die Wesen, die sie geschaffen hatten.
Menschen waren bedeutungslos für ihn. Nicht nur wegen ihrer offensichtlichen Schwäche oder ihrer doch recht einfältigen Natur. Er hatte einfach keine Beziehung zu diesen Wesen. Sie waren die Vögel oder Fische einfach da aber unwichtig. Nein, die einzigen Lebewesen die für ihn wirklich zählten waren die Drachen und vor allen anderen natürlich die Elfen. Mit grimmiger Befriedigung dachte er an die ermordete Elfe Sera zurück. Obwohl ihm als Schatten körperliche Begierden in jeder Form fremd waren hatte in die Qual des Elfenweibes doch mit einer Zufriedenheit erfüllt, die weit über alle normalen Maßstäbe hinausging. Während ihrer Folter hatte er sich im Einklang mit sich selbst und der Welt gefühlt. Er hatte sein Werk in dem Bewusstsein verrichtet, dass er dem Zweck seine Existenz folgte.
Während er, verborgen von Tarnzaubern, über die Schlossmauer eilte fiel sein Blick kurz auf die zwei Drachen die sich noch in der Festung aufhielten. Ein gelbes Weibchen und ein goldenes Männchen. Sie lagen bei ihren Reitern die sich an einem Lagerfeuer wärmten.
Ekel erfüllte den Schatten. Diese Reiter mochten Menschen seien aber sie waren genauso verachtenswert wie die Elfen selbst. Sie Drachenreiter waren schließlich der Inbegriff des Unrechts, das ihm und seinesgleichen widerfahren war. Die Tatsache, dass die Uhr alte Magie, die aus normalen Menschen Drachenreiter machte mit der Zeit bewirkte, dass diese einfältigen Kreaturen äußerlich Elfen immer ähnlicher wurden war für Netor der Beleg für die unheilige Natur des so genannten Friedens, den die Schöpfer mit den Drachen geschlossen hatten.
Aus den Tiefen der Vergangenheit durchzuckten Netors Geist Bilder und Erinnerungen seines Volkes. Einst hatten die Schöpfer, die Elfen es verstanden. Sie hatten die Drachen als das begriffen, was sie waren: brutale, blutgierige Bestien. Teuflische Kreaturen die geschworen hatten das Volk der Schöpfer zu vernichten. Der brennender Hass der Drachen war das Feuer gewesen indem die Schöpfer den Ursprung geschmiedet hatten den der Schatten nun in der Hand hielt. Die Dauthdaert! Sie hatten es getan in dem tiefen Bewusstsein im Recht zu sein. Ihre Gedanken waren frei gewesen von Zweifeln und diese Klarheit war die Grundlage der Existenz von Netors Volk.
Doch dann hatten die Schöpfer dieser heilige Klarheit verloren. Waren vielleicht sogar die Anderen schuld daran? Sicher, auch die Anderen waren Wesen aus Energie und Kinder der Schöpfer aber doch zweifelsohne unfertige Exemplare. Ihnen fehlte die Perfektion, die Reinheit und Klarheit die sich nur bei Netors Artgenossen fand. Es gab keinen Zweifel an der Aufgabe die Netor und seine Artgenossen hatten. Das Unreine, das Üble und Böse musste vernichtet werden. Deshalb waren auch die Schöpfer zu Feinden geworden. Denn sie waren mit der Unreinheit infiziert worden. Wie sonst war es zu erklären, dass sich die Schöpfer so vollständig von ihrer größten Errungenschaft abgewandt hatten. Weshalb verleugnet sie die reinsten ihrer Kinder?
Im Grunde war schon die Schöpfung der Anderen ein Zeichen gewesen, dass die Schöpfer ihren Weg verloren hatten. Die blauen, die sich dem Gefühl verschrieben hatten was man Liebe nennt! Im Grunde waren sie die tückischsten unter den Anderen. Liebe und die Gefühle die ihnen nahe standen und drei nicht in die Reinheit und moralische Überlegenheit die einem nur der Hass vermittelte. Gab man sich der Reinheit von Netor und seinesgleichen hin gab es keinen Zweifel, kein Zögern oder sonstige Unsicherheit.
Auch ließ man sich nicht durch materielle Begehren ablenken wie die Wesen, die der Gier entsprungen waren. Durch die Suche nach so genannten Gewinn konnte man vom rechten Weg abgekommen der zu dem einen großen Ziel führte der Ausmerzung des Bösen. Netor und seinesgleichen wussten sehr wohl, dass sie sich, nachdem sie die körperliche Welt von der Verunreinigung befreit hatten, sich den Anderen widmen mussten. Am besten liest sich das bewerkstelligen indem er, Netor der Auserwählte, auch die übrigen Kreationen der Schöpfer in seinen Besitz brachte. Mit den anderen Dauthdaerts würde er in der Lage seien die unvollkommenen Kinder der Schöpfer zu kontrollieren und vielleicht war es möglich sie auf den richtigen Weg zu führen.
Inzwischen durchschritt Netor das Gewölbe welches ihn zu seinem Ziel führte. Sein Sehvermögen war nicht auf das Licht der Fackeln angewiesen die den Gang erhellten aber es störte ihn auch nicht. Die Nicht-Elfen die den Gang bewachten starben bevor sie überhaupt wussten was geschah. Sie waren unwichtig. Ein Hindernis waren weder die menschlichen wachen, noch die Zwerge oder die Urgals. Im Grunde waren sie nur wie ein Vogelschwarm der in Netors Weg war. Absolut keine Gefahr aber man musste vermeiden, dass sie erschraken, und durch ihr zwitschern seine Anwesenheit zu früh verrieten. Aufhalten konnte ihn hier selbstverständlich niemand aber Netor verfolgte ein Ziel und ist das erreicht war wollte er Ablenkungen vermeiden.
Das Ziel lag jetzt unmittelbar vor dem Schatten. Eine mit Eisenbeschlägen verstärkte Tür stellte ihm zwar den Weg doch sie war nicht das eigentliche Hindernis. 
Netor sah so viel mehr als nur das was der Blick seiner Augen traf. Seine Artgenossen standen ihm bei. Nicht weil sie es wollten sondern weil sie es mussten! Selbst einem Artgenossen halfen die Kinder Nierens nicht freiwillig. Doch er trug den Ursprung und deshalb enthüllten ihm seine Artgenossen die Anwesenheit der Elfen auf der anderen Seite der Tür. Netors eigener Anwesenheit verbargen die Kinder des Hasses.
Netor sammelte eine ausreichende Menge von Geistern seiner eigenen Art und entfesselte schließlich die Magie. Kreisrunde rauchende Löcher gebohrten sich in den Felsen. Es dauerte nur einen Wimpernschlag! Nicht einmal die Schöpfer konnten so schnell reagieren. Als Netor die lästige Tür beiseite wischte sah er, dass die Kinder des Hasses seinem Befehl gefolgt waren. Rauchende, runde Löcher, wie die im Felsen, hatten sich in die Körper der Schöpfer gefressen. Zwei Menschen in schwarzen Gewändern starten den Schatten überrascht an. Die Gitter die ihm noch von seinem Ziel trennen kosteten Netor nur einen Gedanken um sie zu entfernen. Begierig ließ er seinen Blick über sein Ziel gleiten.
Eine Tat, die den beiden Menschen nicht zu gefallen schien, denn mit wütenden Schreien ging sie auf den Schatten los. Was sie sagten nahm Netor nicht wirklich zur Kenntnis. Irgend etwas über Schutz und ihre Götter. Mühelos brach der Schatten beiden das Genick.
Nun stand nichts mehr zwischen ihm und seinem Ziel. Ein Mensch hätte den Kokon der Wesen, die man Ra zac nannte vielleicht als abstoßend empfunden. Netor hatte die Erinnerung an dieses Objekt in den Gedanken des Menschen Tjurin gefunden. Es faszinierte ihn. Es war ein interessantes kleines Experiment. Wieder sammelte der Schatten einige Geister. Nur die schlechtesten unter seinen Artgenossen verwandte der Dämon auf diesen Versuch. Ihre Intelligenz war kaum nennenswert! Hauptsächlich animalische Instinkte.
Der Schatten spürte jedoch, dass sich alles in seinem Sinne entwickelte nachdem er weitere Kinder des Hasses der Verschmelzung die in den Kokon stattgefunden hatte einflöste.
Erneut beschwor der Schatten seine Magie und schickte den Kokon an den von ihm gewählten sicheren Ort. Es würde noch eine Zeit dauern bis er das Ergebnis seines Experimentes erblicken würde. Er konnte entweder den Kokon folgen und geduldig abwarten oder sich noch ein kleines Vergnügen mit den Drachenreitern können die diesen Ort bewachten. Netor entschied sich für Letzteres.

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt