9. Aufbruch

2.8K 96 4
                                    

Gehorsam folgten Cale und Ismira ihrer Lehrerin. Die Elfe führte sie zum nördlichen Ende des Gartens und durch eine versteckte Tür gelangten sie aus der Stadtfestung hinaus. Narie führte die Gruppe zum Hafen der Stadt. Da Gil' ead urspünglich einer der Haupthilitärstützpunkte des Imperiums gewesen war, hatte man den Hafen vom Rest der Stadt abgetrennt. Ursprünglich hatte man hier Truppen über den Isenstar übersetzen lassen wollen. Der Weg über den See ermöglichte es den Soldaten schneller Ceuneon und die übrigen nördlich gelegenen Dörfer und Städte zu erreichen. Da große Truppenteile sich hier sammeln sollten gab es vor den Lagerhallen eine ausgedehnte freie Fläche. Dorthin führte Narie ihre Schüler.
Als sie den Platz betraten erwarteten Kira und Hidalgo sie bereits. Liebevoll begrüßten die Eltern ihre Kinder die freudig auf die beiden älteren Drachen zustürmten.
Gerade als Cale sich fragte wo die anderen Drachen seien erkannte er, dass die Neuankömmlinge aus Richtung des Sees auf den Hafen zusteuerten und nach einigen kräftigen Flügelschlägen bereits zur Landung ansetzen.
Kaum berührten die Krallen der mächtigen Wesen den Boden als es für Anarie und Tailon kein Halten mehr gab. Sofort stürmten die beiden Schlüpflinge auf die unbekannten Artgenossen zu und begann sie genauestens zu inspizieren.
Vorsichtig, um die beiden Drachenkinder nicht zu stören, stiegen die Reiter von ihren Gefährten ab und kamen auf die Gruppe zu.
Der Reiter des größeren, gelben Drachens musste, so vermutete Cale, Marek sein. Soweit Cale wusste war dieser junge Mann einer der Ersten, die nach dem Krieg zu Reitern erwählt wurden. Sein Drache war ein Weibchen und hieß, wenn der Junge Buchbindersohn sich nicht täuschte, Laorie.
Der Reiter trug schwarze Hosen und Stiefeln, ein gelbes Hemd und eine sandfarbenen Weste. An dieser Weste war das Wappen des Drachenreiterordens als Anstecker befestigt. Äußerlich erkannte man, dass der junge Mann ein Mensch war aber die Zeit mit seinen Drachen hatte ihn offenbar verändert. Deutlich erkannte man, dass seine Ohren spitzer zuliefen als bei einem normalen Menschen. Eine Aura von Ruhe und Selbstsicherheit umgab den, so hatte Cale es gehört, Bergnomaden. Freudig lächelte Marek zunächst Narie an und begrüßte dann die neuen Schüler des Reiterordens.
"Das sind also unsere neuen Schüler." stellte er offenherzig fest. "Ich grüße euch. Mein Name ist Marek und meine Drachendame heißt Laorie. Es freut mich euch kennen zu lernen. Zumindest was dich betrifft mein Junge. Cale, nicht wahr? Ismira kenne ich schon seit sie ein Dreikäsehoch war. In jedem Fall aber gratuliere ich euch beiden, dass ihr von euren Drachen auserwählt worden seid. Narie hat mir schon mitgeteilt, dass ihr ihn bereits Namen gegeben habt. Gute Namen übrigens. Sie gefallen mir sehr. Ich überlasse es meinem Begleiter hier sich selbst vorzustellen. Entschuldigt mich einen Moment ich möchte einige Worte mit Meisterin Narie wechseln."
Die Worte des Reiters waren warmherzig und freundlich gewesen, doch klang auch unverkennbar Autorität in ihnen mit. Daher verneigten sich die jüngeren Reiter respektvoll und ihre Lehrmeister entfernten sich einige Schritte von ihnen. Kaum war der Abstand groß genug als sich die gelbe Drachendame Laorie, scheinbar zufällig, so platzierte, dass sie den Blick auf die beiden älteren Reiter verstellte. Cale war aber der Meinung, noch gesehen zu haben wie Marek Narie in eine Umrahmung zog und sich scheinbar ein Kuss anbahnte. Ismiras unterdrücktes Kichern verstärkte diesen Eindruck noch.
Schließlich richtete sich aber die Aufmerksamkeit der beiden Schüler auf den ihnen noch unbekannten Reiter. Der goldene Wegbegleiter Desselben gesellte sich inzwischen zu ihnen und auch Tailon und Anarie kehrten zu ihren Reitern zurück.
Interessiert musterte Cale den ihm unbekannten Reiter. Der junge Mann schien etwa 20 Sommer gesehen zu haben und hatte dieselbe dunkle Hautfarbe wie die Königin. Offenbar gehörte er zu den Nomadenstämme der Wüste Hadarac. Er trug einen Umhang aus braunem, festem Stoff, darunter ein Wams in leuchtendem Orange sowie schwarze Hosen und Stiefel.
"Ihr seid also Cale und Ismira." begann der Unbekannte schließlich. "Es freut mich euch kennen zu lernen. Mein Name ist Ishaha. Dies ist mein Drache Joto. Und bevor Ihr fragt: Keinen von uns müsst ihr Meister nennen. Ich habe erst vor kurzem meine Ausbildung abgeschlossen und käme mir einfach komisch vor, wenn mich jetzt schon jemand mit einem so hohen Titel anreden würde."
Daraufhin bot Ishaha erst Cale und dann Ismira seine ausgestreckte Hand an. Beide ergriffen sie dankbar und schüttelten sie herzlich.
"Der Name, Joto, hat er eine besondere Bedeutung?" Erkundigte sich die ehemalige Gräfin des Palancartals schließlich.
"In der Tat." erklärte der dunkelhäutige junge Mann. "Es ist ein Wort aus der Sprache der Wüstenstämme. Joto bedeutet soviel wie Hitze. Ich weiß, nicht gerade einfallsreich aber meinem Begleiter hier gefällt er."
- "Sehr gut sogar. Schließlich ist es ein sehr seltener Name." -
Die Stimme des goldenen Drachen hallte angenehm durch die Köpfe der jungen Reiter. Sie war weder zu hoch noch zu tief und strahlte gleichzeitig Kraft sowie Lebensfreude aus.
"Du sagst, du hättest es vor kurzem deine Ausbildung abgeschlossen. Wann bist du erwählt worden?" wollte Cale wissen.
"Vor fünf Jahren etwa." erklärte Ishaha freimütig. "Ich gehöre zu der Generation von Reitern die nach Meisterin Narie und Meister Marek erwählt worden sind. Zu Generation der beiden gehört ja auch noch der erste Urgal, der je erwählt wurde. Tar ist sein Name und sein Drache heißt Aroc. Die beiden sind gerade auf der Reise zu den Kolonien der wilden Drachen im Osten. Zwar können sich Drachen im Grunde immer paaren aber gerade die Wilden tun es meist zu dieser Zeit. Ende Frühling, Anfang des Sommers. Das stellt sicher, dass die Küken aus dem gröbsten heraus sind wenn der Winter anbricht. Zurzeit legen also die wilden Drachenweibchen ihre Eier und treffen die Entscheidung ob sie die Jungen selbst aufziehen oder ein Ei den Reitern übergeben."
"Wie viele Reiter gibt es jetzt eigentlich insgesamt?" erkundigte sich Ismira.
"Weißt du das nicht?" wunderte sich Cale. Der Buchbindersohn kraulte inzwischen den Hals seines roten Drachens der ihn ärgerlich gegen das Bein gestupft hatte und so Aufmerksamkeit verlangte. "Ich meine, du bist die Nichte von Schattentöter Eragon."
"Manches entgeht mir auch." erklärte junge Reiterin und widmete sich auch ihrem Schlüpfling. Anarie forderte ähnlich, wie ihr Bruder, Streicheleinheiten.
Ishaha überlegt einen Moment und begann dann aufzuzählen: "Da sind zunächst natürlich Meister Eragon und Meisterin Arya. Sie bilden zurzeit mit ihren ersten Schülern Marek, Narie und Tar sowie natürlich den jeweiligen Drachen den Ältestenrat und damit die Führungsspitze des neuen Ordens. Natürlich ist er auch noch Meister Burod und sein Drache Beoram. Er ist der erste Zwerg, der zum Reiter berufen wurde und ist auch seit kurzem Mitglied des Rates. Beoram ist der perfekte Drache für einen Zwerg. Schuppen wie brauner, polierter Marmor und goldenes Hornwerk. Dann kommt meine Generation zu der noch eine Gehörnte mit dem Namen Togra gehört. Sie wurde von einer schwarzen Drachendame mit bronzefarben en Hornwerk auserwählt. Diese Drachendame heißt Arugnar. Abschließend sind da noch die zwei Schüler, die bei der letzten Reiterprüfung erwählt worden sind. Zwei Elfen. Eine weibliche mit Namen Sylara. Sie ist bereits 70 Sommer alt undhat ein recht angenehmes Wesen. Bei ihr ist ein weiblicher Drache mit Namen Lilah geschlüpft. Weiß wie frischer Schnee mit dunkelgrünem Hornwerk. Manchmal hat man das Gefühl, dass diese Drachendame aussieht wie ein Waldstück im Winter. Und dann ist da noch Kalain. Er ist ebenfalls ein Elf, 30 Sommer alt und leider nicht so angenehm vom Wesen her wie Sylara. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass er an einer Reiterprüfung teilgenommen hat die in Ilirea stattfand. Er scheint der Meinung zu sein, dass sein Drache Drugatie ihn allen Menschen der Hauptstadt vorgezogen hat."
"Er hält sich also für etwas Besseres." mutmaßte Ismira.
"Nun, ich denke er würde es gern." lachte Ishaha. "Aber da er bisher zur jüngsten Generation der Reiter gehört waren da nicht viele Leute, auf die er herabsehen konnte. Was für ein Glück für euch nicht wahr? Um deine Frage zu beantworten Ismira mit euch zweien sind es jetzt also insgesamt 12 Drachen und Reiter."
"Und was für ein Wesen hat der Drache von diesem Kalain?" wollte Cale wissen.
Ishaha verzog leicht den Mund und kratzte sich am Hinterkopf.
"Nun, die beiden sind wohl ein etwas unglückliches Gespann. Drugatie ist ein wenig eitel. Seine Schuppen glänzen wie reines Silber und er hat schwarze Hörner und Krallen. Er scheint ständig bemüht zu sein zu beweisen, dass er in allem der Beste ist. Joto und er verstehen sich nicht besonders gut."
"Wieso das?" bohrte Cale nach.
- "Eben wegen seiner Eitelkeit." - knurrte Joto. - "Mit seinen silbernen Schuppen fühlt er sich den meisten Artgenossen überlegen außer......." -
"Außer er trifft auf einen Drachen, dessen Schuppen aus reinem Gold zu bestehen scheinen." Folgerte Ismira.
Der junge Drache schnaufte zustimmend.
Bevor die drei jungen Reiter ihr Gespräch fortsetzen konnten traten Narie und Marek wieder zur Gruppe.
"Ich habe gute Nachrichten für euch." erklärte die Elfe. "Wir können früher aufbrechen als ich es erwartet hatte. Das Schiff, welches euch über den Isenstar bringen wird, dürfte bereits in zwei Stunden hier sein. Marek und Ishaha haben es bereits erspäht. Deshalb haben sie eine kurze Runde über dem See gedreht. Wir werden warten bis wir an Bord sind und dann damit beginnen eure Fähigkeiten zu prüfen. Geht bitte in eure Quartiere und packt eure Sachen. Seit in etwa einer Stunde wieder hier. Das einlaufen eines Schiffes meines Volkes dürfte ein interessanter Anblick für euch werden. Ishaha, Marek und ich werde mit dir besprechen wie deine Reise mit den verbliebenen Dracheneier an weiter verlaufen soll."
Mit diesen Worten entließ Narie ihre Schüler die sofort eilig der Stadtfestung zustrebten. Ohne dass sie es abgesprochen hatten rannten Cale und Ismira praktisch und ihre Drachen trabten neben ihnen her. Die jüngsten Schüler des Reiterordens waren von einer Aufregung ergriffen worden. Endlich ging es los!

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt