4.2. Chori

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Sie trat aus dem Schatten des gigantischen Tores auf den Treppenabsatz, der mit Mosaiken aus Bleiglas belegt war und der Fassade des gesamten Palastes glich. Wie ein Edelstein funkelte die Dornenspitze, der Regierungssitz von Atonien, in der Sonne, die sich zwischen den heftigen Wärmegewittern nur kurz blicken ließ. Gnaeo war neben ihr stehen geblieben und streckte jeden einzelnen seiner Muskeln durch, er hasste es lange zu sitzen und sich nicht bewegen zu können, doch Chori beachtete ihn gar nicht, sie war sein Gezappel schon längst gewohnt.

Ihre Aufmerksamkeit galt dem Treiben unter ihnen auf dem Hauptplatz der Hauptstadt Vander. Die Bevölkerung hatte sich zu einem kleinen Fest versammelt, wie es aussah nicht spontan sondern durchaus lange in Vorbereitung hatte man Stände mit reichem Essen und teurem Gewandt zur Betrachtung um den runden Platz herum aufgestellt. Atonier hatten ihre Festtagskleidung angelegt und präsentierten ihren schönsten Schmuck. Die Frauen hatten die für Atonien typischen zugespitzten Fingeraufsätze an den Händen, meistens aus bunt bemaltem Bambus geschnitzt. Sie ließen die Finger länger wirken und liefen wie Dornen spitz zu, ein unglaublich unpraktisches Accessoire um mit den Händen zu arbeiten, doch genau darum ging es den Frauen von Atonien. So zeigte man, dass man genug Geld hatte um nicht stehlen zu müssen, da diese unehrenhafte Tätigkeit mit den krallengleichen Fingern nie glücken würde.

Die Aufsätze von reichen Damen waren aus Metalllegierungen gefaltet und mit Steinen besetzt. Die Gouvernante, die Chori und Gnaeo im Palast empfangen gehabt hatte, war sogar im Besitz von Fingeraufsätzen aus echtem Gold gewesen.


Eine kleine Gruppe aus Musikern hatte sich ebenso versammelt, es waren hauptsächlich Trommeln zu hören, doch sie hatten auch einen Flötenspieler und zwei Musiker die Streichinstrumente spielten, deren Name Chori nicht kannte. Als die Künstler zu einem schnelleren Stück anstimmten, kamen die Leute in Laune und sie zogen einander in die Mitte des Platzes zum Tanzen. Durch die bunten Gewänder hindurch konnte Chori auch Findrick, den Priester entdecken, der sich ungeniert zum Takt der Musik bewegte. Lehni tanzte neben ihm, durch die breiten weißen Flügel war er durchaus auffällig und er setzte diese auch ein um seinen Bewegungsdrang auszuleben.

Am Rande des Geschehens sah sie die restlichen Priester stehen, die das Fest wohl dokumentieren wollten, ohne ganz so involviert zu sein wie Findrick. Wenn man genau hinsah, konnte man sogar ein wenig Tadel und Missgunst in ihren Gesichtern sehen, anscheinend schickte es sich für einen Priester nicht, seine Lebensfreude so deutlich auszudrücken. Doch das schien dem Granhainer nicht die Stimmung zu verderben, er schlang die Arme um den Hals eines tanzenden Atoniers und lächelte diesen süß an.

Choris Blick wanderte den Rand des Geschehens entlang und fand nun endlich auch Jaenun auf einer Kiste sitzend, seine Füße schwanken im Takt zur Musik und er sah glücklich mit dem Fest aus, doch zu schüchtern um mitzutanzen.

Lehni und Jaenun hatten nicht mit in den Palast kommen dürfen. Zwei Diener, von so geringer Abstammung, hatte man nicht in den Räumen der Gottkönige empfangen wollen, doch soweit Chori das beurteilen konnte, war es hier draußen für die Beiden so und so lustiger zugegangen als für sie und Gneae im Palast ihrer Schwester. Neidisch schaute sie Findrick und Lehni dabei zu, wie sie den Jae von der Kiste zogen und mit sich mit in die Mitte des Geschehens schubsten.


>Und jetzt?< fragte Gnaeo da und warf einen letzten missmutigen Blick auf den Palast hinter ihnen.
>Jetzt holst du dir ein Bier und ich sage den anderen Bescheid.< informierte ihn Chori und seufzte.

Langsam begab sie sich zum Hauptplatz hinunter und ließ die Füße bei jedem Schritt schleifen, der Abstieg ließ ihre Kraftlosigkeit deutlich in Erscheinung treten und der Gedanke den anderen von dem Gespräch im Palast zu erzählen bremste sie am meisten.

Die Herrscher Lituoliens - zwei Idioten schreiben GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt