Frieden - 39.1. Kaukus

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Kaukus saß auf einer Steinbank mit weit aufgerissenen Augen, die nichts sahen. So verweilte er bereits seit Stunden, während draußen die Adler schrien und die Kanonen krachten. Er fühlte sich jedoch schon viel länger so, ohne seinen Zustand ausdrücken zu können.

Erst war Jappa gekommen, um zu sehen, wie es dem frisch ernannten Admiral denn ging, nach dem sie sich aus Ahnahn nach Merech zurück ziehen hatten müssen. Doch Kaukus hatte ihn kaum wahr genommen und so war nach einer unbestimmten Zeit darauf Emon gekommen. Der hatte den Puls von Kaukus gemessen und war dann auch wieder verschwunden. Nun hatten sie ihn wohl verpetzt und seinen Vater gerufen, der nun am Türrahmen stand und höflich klopfte.

Da musste sich Kaukus wieder zusammen reißen und seinen Gesichtsausdruck repräsentabel machen, während sein Vater wartete, bis er herein gelassen wurde.
>Großadmiral Leiq!< Kaukus kam auf die Beine, doch war er nicht aufgesprungen, wie er es vor gehabt hatte, sondern hatte sich nur langsam hoch gequält. Das fing schon mal nicht gut an.

Sein Vater trat in den kleinen Raum ein, der einst Jaesore gehört hatte und nun von den Besatzern, mit kruden Sprüchen und Zeichnungen an den Wänden, entehrt worden war. >Admiral Leiq, die Klauen Sturmflotte ist nun zum Rückzug bereit.< verkündete er, doch war sich wohl nicht sicher, ob sein Sohn verstanden hatte, deshalb legte er nach >Kaukus komm, es ist vorbei. Du hast alles getan, was dir möglich war und sonst du kannst dich kaum noch auf den Beinen halten.< er eilte zu Kaukus und packte ihn an den Schultern, um ihn zu stützen >Hätte ich dir doch nur nicht von Aden Dennens Verrat erzählt und wie ich den Moskitos entkommen bin. Seit dem bist du nur noch ein Geist!<

>Nein Vater.< Mitleid rührte sich in seiner Brust, endlich etwas, was er auch bewusst fühlen konnte >Ich will nicht, dass du dich deswegen schlecht fühlst! Ich würde es dir übel nehmen, hättest du mich angelogen. Die Wahrheit ist besser.<
Kilee seufzte >Ich sehe trotzdem welch schwierige Nachricht dies für dich gewesen ist. Dennoch hast du dich als neuer Admiral bewehrt, bist zu neuen Größen aufgestiegen und hast den Rückzug hervorragend organisiert.<
>Es ist und bleibt ein Rückzug, Vater! Ich kann nicht...< der Rest seiner Worte verschwamm in einem Schluchzen.
Kilee drückte ihn fest an sich >Mein armes Kind! Du hast mit deiner Klauen Sturmflotte alle anderen gerettet. Hast deren Rückzug gesichert. Hast verhindert, dass sie abgeschnitten und vernichtet werden. Du hast Merech gehalten, bis alle anderen über der Grenze waren und damit auch unser Überleben als Königreich gesichert. Du. Hast. Genug. Getan.<

Kaukus seufzte schwer durch seinen verschleimten Hals, durch die Tränen, durch die Verzweiflung. Er würde seinem Vater seine Gefühle wohl nie verständlich machen können, denn vom Kopf her wusste er, dass sie sich ergeben mussten, doch von seinem Herzen her, war es einfach falsch. Sie hätten gewinnen können. Sie hätten gewinnen sollen! Doch die ganze Welt schien sich gegen sie verschworen zu haben und ohne Saravo an seiner Seite, war er so gut wie verloren. Und Aden! Sie waren so knapp davor gewesen zu gewinnen, gegen alle Widrigkeiten, gegen alle Hindernisse, doch der Admiral hatte einfach nicht mehr an einen Sieg geglaubt. Oder hatte er den Sieg nicht mehr als Wichtig angesehen und sich lieber Erik zugewandt? War ihm Erik lieber als Kaukus?

Er hatte ihn doch verehrt und geliebt und verteidigt. Sie hätten gewinnen sollen und Aden hätte sich zumindest damit befassen müssen, ob er Kaukus abwies oder annahm. Doch nun war alles umsonst und alles verloren. Sie waren dazu gezwungen, weiterzuziehen und sich einer neuen Gefahr zu stellen und es war Kaukus nicht einmal möglich, sich darauf zu konzentrieren, Aden seiner Gerechten Strafe zuzuführen, denn dieser war bei den Lituoliern untergetaucht.

Merech wurde in die Zange genommen. Sie wurden von Süden her durch die gesamte lituolische Armee bedrängt und im Norden war ein Wunder geschehen, denn die versprengten nemuraqischen Stämme, hatten zu einander gefunden und sich den Lituoliern angeschlossen. Es gab also keine andere Möglichkeit als sich nach Manengrund durchzuschlagen und sich kämpfend zurückzuziehen.

Dennoch.

All diese Argumente hätte man bei den Weißen Klingen nicht toleriert. Und Merech zu verlieren tat besonders weh. Es war der Ort dessen Eroberung Aden am meisten bedeutet hatte. Der Ort an dem Saravo sein erstes mal Gruppenkommandeur gewesen war. Der Ort ihres ersten Sieges.

>Ich hätte euch nie zu den Weißen Klingen schicken sollen.< murmelte Kilee >Ihr hättet keine Soldaten werden müssen. Nicht weil ihr das nicht könnt, sondern weil ihr es nicht hättet sein müssen. Ich war zu streng mit euch und der Familientradition der Leiqs. Dein Bruder hätte das wohl gemocht, denkst du nicht? Ihr beide habt so viele Talente, die alle hinter Schwert und Schild versteckt bleiben.<

>Ich wollte Soldat werden!< versicherte Kaukus und hatte noch immer die nagenden Schuldgefühle im Herzen. Sie beide waren nicht gut darin, schlechte Nachrichten zu über bringen, er und sein Vater, denn beide hielten es kaum aus, wenn sie der Verursacher von Schmerzen beim jeweils andren waren. Es blieb ein Teufelskreis >Ich wollte so werden wie du und das bereue ich nicht! Ich bereue nur, in wen ich mein Vertrauen gesteckt habe.<

>Kaukus.< Kilee sah ihm fest in die Augen >Ich bin stolz auf dich. Was auch immer dein Weg ist, ich bin stolz auf dich! Ich weiß, in der Jugend mag das nicht sehr attraktiv sein und der Stolz des Vaters mag keinen Wert haben, wenn es keine Bedingung dafür gibt. Nichts was man gewinnen kann, sondern was einfach gegeben wird. Doch ich sage dir eines, das Gewinnen von Wettbewerben, die andere für dich auslegen, ist auch nicht viel wert. Es sollte nicht darum gehen, ob du Soldat bist, oder die Adlerställe ausmistest! Für mich zumindest nicht. Ich bin gleich stolz auf dich, egal was du tust, denn es geht darum wie du es tust. Mit aller Leidenschaft und Ernst und Kraft! Darum geht es, darauf bin ich stolz. Ich will, dass du das weißt. Und ich wünschte, dass ich das Saravo auch hätte sagen können.<

Eine Vorahnung von Verständnis war im Bewusstsein von Kaukus zu spüren. Noch musste sich das Gesagte durch seine vorgefertigte Weltanschauung hindurch kämpfen, um wirklich anzukommen, doch da war zumindest bereits ein gewisses Zugeständnis vorhanden. Er lächelte bei dem Gedanken an seinen Bruder und wischte sich die Tränen aus den Augen >Saravo hat das, denke ich, instinktiv schon verstanden. Ich wünschte nur, dass ich ein besserer Bruder gewesen wäre.<
Kilee schüttelte traurig den Kopf >Jetzt stehen wir natürlich hier und fragen uns, was wir für Sav besser hätten machen können. Doch das haben wir auch schon getan, als er noch am Leben war. Ich denke nicht, dass er uns etwas vorwerfen würde.<

>Nein.< hauchte Kaukus >Er würde sich nur beschweren, wenn ich hier weiter in Merech herum sitze und uns nicht in Sicherheit brächte. Auch wenn es einfacher für mich wäre.< Kaukus löste sich von seinem Vater, das weiße Lilienschwert an seinem Gürtel hing schwer wie ein Anker, doch er sagte dennoch schließlich >Ich werde den Rückzug einleiten. Kannst du es den Soldatinnen und Soldaten sagen? Ich habe noch etwas zu erledigen.<

Sein Vater sah glücklich über diese Nachricht aus und das reduzierte den Druck um sein Herz ein wenig. Mit viel Dank auf den Lippen verließ er Jaesores Arbeitszimmer und traf draußen auf Jappa und Emon, die wohl gelauscht hatten. Er gab ihnen ein Handzeichen, um mit zu kommen und den beschwerlichen Aufstieg zur Mauer mit ihm zu bestehen. So erklommen sie eine steile Stufe nach der anderen und das Schwert wurde immer schwerer.

Doch dann kamen sie ganz oben an und nur noch der Himmel lag blau und endlos über ihnen. Da standen sie, an der Grenze, Lituolien vor ihnen, mit der vereinten lituolischen Armee und den nemuraqischen Enklaven. Und hinter ihnen das Manengrunderreich, das sie nun retten gehen mussten.

Kaukus trat an den Flaggenmast heran, auf dem Aden ihre Fahne gehisst hatte und er zog langsam sein Schwert, wie ein tiefes Seufzen rieb es gegen die Scheide. Er starrte Hamir vor sich an, irgendwo im Reich der Lituolier war Aden Dennen seiner gerechten Strafe entkommen und er schwor es sich und Aden zu gleichen Teilen, dass er ihm noch nicht entkommen war. Kaukus würde Gerechtigkeit durch sein Schwert bringen. Doch erst musste Erik von Nareen aufgehalten werden und die Zukunft von Kaukus lag hinter ihm, in Adlerhorsten.

Mit einem entschlossenen Hieb gegen den Flaggenmast durchtrennte Kaukus das Seil, an dem die Fahne befestigt worden war und der Wind konnte nun volle Kontrolle über sie ergreifen und sein ewig vergebliches Zerren, trug nun endlich Früchte und er die Fahne davon. Über die Grenze, hinunter zur Heimebene, den gleichen Weg, den auch der Fürst Jaesore gefallen war.

Ihnen schwammen die Augen vor Tränen. Jappa und Emon weinten vor Freude, Kaukus weinte vor Frust


Die Herrscher Lituoliens - zwei Idioten schreiben GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt